Mönchengladbach Neuville, der Beschuldigte

Mönchengladbach · Sein Tor zum 1:0 gegen Polen bei der WM 2006 machte die Mönchengladbacher stolz. Er war einer von ihnen. Das ist er noch heute. Mit Frau und Kind lebt Neuville in Windberg. Die Beschuldigung der Wettmafia weist er zurück.

An dem Tag, als Oliver Neuville ganz Gladbach stolz machte, war er gar nicht in der Stadt. Neuville war in Dortmund, in dem riesigen Stadion dort, und stand richtig. Den Ball, den David Odenkor von rechts scharf hinein getreten hatte in den Strafraum der Polen, spitzelte Neuville ins Tor. Deutschland siegte 1:0. In Mönchengladbach, im Hockeypark, wo die Menschen beim Public Viewing das Spiel sahen, riefen: "Olli, Olli, Oliver Neuville!" Einer ihren, ein Gladbacher, hatte mit diesem Tor den Anfang des Sommermärchens markiert.

"Darauf werde ich noch heute auf der Straße angesprochen", sagte Neuville im Sommer 2010. "Auf der Straße", das ist meist in Mönchengladbach. Denn hier ist Neuville, der 2004 von Bayer Leverkusen zu Borussia kam, heimisch geworden. Neuville lebt mit seiner zweiten Frau Koula und dem gemeinsamen Kind in Windberg. Er ist mit dem Hund unterwegs, geht einkaufen, ein Bier trinken, er besucht Kindergartenfeste und ist auch sonst ein recht normaler Bürger der Stadt. Nur eben einer, der 2006 dieses wichtige Tor geschossen hat bei der WM, die Deutschland verzückte.

Als nach dem letzten Spiel der Saison 2003/2004 im VIP-Zelt in den Höhenlagen des alten Bökelbergstadion bekannt wurde, dass Neuville Gladbacher wird, schauten nicht wenige skeptisch. Immerhin war der Stürmer schon 31 Jahre alt. Doch sechs Jahre, 153 Ligaspiele und 42 Tore später war klar, dass Neuville ein echter Borusse geworden ist. Darum hat er es sich auch verdient, in der Weisweiler Elf mitzumachen. "Olli ist lange genug im Verein, er passt zu uns", sagt Jörg Jung, einer der Chefs des Gladbacher Traditionsteams.

Nun hat der Wettpate Ante S. Vorwürfe gegen Neuville erhoben. Dieser habe angeboten, Spiele zu manipulieren. Neuville dementiert das energisch. Der im schweizerischen Locarno Geborene ist dem süßen Leben nicht abgeneigt. Als Borussia 2008 den Wiederaufstieg klar gemacht hatte, stieg die große Sause zum Event in der griechischen Taverne seines jetzigen Schwiegervaters. Am Schillerplatz wurde bis tief in die Nacht gesungen und auf den Tischen getanzt. Neuville war, natürlich, mitten drin.

Bei Borussia haben sie ihm Plakate gewidmet wie "Kick it like Neuville". Die Fans mochten den flotten Stürmer, nicht nur, weil er am 10. Mai 2009 einen der wichtigsten Pass in Borussias Vereinsgeschichte spielte: in der Nachspielzeit gegen Schalke auf Roberto Colautti, der den 1:0-Siegtreffer schaffte. Der Last-Minute-Triumph war die Versicherung gegen den Abstieg.

Am 8. Mai 2010 bereiteten ihm 54 057 Fans — Gladbacher und Leverkusener — einen Abschied von der Bundesliga-Bühne (es folgte noch ein halbes Jahr in der Zweiten Liga bei Bielefeld), der den Vize-Weltmeister zu Tränen rührte. 33 Minuten dauerte sein 334. und letzter Erstliga-Einsatz. Fast hätte er sein 92. Erstligator erzielt, "doch der Ball war schneller als ich". Es gab ein 1:1 gegen Leverkusen, für das er zuvor fünf Jahre gespielt hatte. "Ein solcher Abschied ist wie gemalt, wenn die beiden Mannschaften gegeneinander spielen, für die man am längsten gespielt hat", so Neuville. Und versicherte: "Ich bleibe Gladbacher.

(RP)
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