Mönchengladbach NEW federt ihr Kraftwerk-Debakel ab

Mönchengladbach · 20 Millionen Euro wurden bei der Investition in ein Kohlekraftwerk verbrannt. Weil rechtzeitig Rückstellungen gebildet wurden, ist der Verlust bilanziell aber bereits verarbeitet. Folgen für Kunden gibt es nicht - wohl aber für Stadt und Ausrichtung der NEW.

Weg, futsch, perdu - und schuld daran ist "Gekko". 20 Millionen Euro investierte die NEW, 2007/08 noch unter dem Namen NVV, unter Zustimmung des Stadtrats in das neue Steinkohlekraftwerk der RWE Power AG in Hamm. Weil sich das mittlerweile als Millionengrab erwiesen hat, hat RWE den beteiligten Stadtwerken und Versorgern aus 23 Kommunen den Projektausstieg angeboten - zu einem Kaufpreis von einem Euro für die kommunalen Anteile. "Das einzig richtige Szenario kann derzeit nur der Ausstieg sein", sagt NEW-Vorstand Frank Kindervatter.

Soweit die schlechte Nachricht. Doch es gibt auch eine halbwegs gute, selbst wenn das Kraftwerk-Debakel insgesamt "höchst ärgerlich" und "wirtschaftlich belastend" bleibe. Weil seit 2010 Rückstellungen gebildet worden seien, seien die 20 Millionen in den vergangenen fünf Jahresabschlüssen bereits "ratierlich verteilt" gewesen. Niemand guckt also nun urplötzlich in ein hässliches 20-Millionen-Euro-Loch, die Verluste sind bereits "zu 100 Prozent in den Ergebnissen der Vergangenheit verarbeitet", wie Kindervatter ausführt. Dazu komme: "Wir haben uns damals in einem Umfang beteiligt, der gut zur Unternehmensgröße passte, wenn er nicht sogar leicht unterdimensioniert war." Will sagen: Andere Stadtwerke und somit Kommunen sind proportional stärker betroffen. Während etwa Dortmund mit einem Leistungsanteil von 85 Megawatt (5,55 Prozent) an den beiden Kraftwerksblöcken beteiligt ist, ist die NEW nur mit rund einem Prozent (15 Megawatt) dabei. "Die Beteiligung wurde mit Augenmaß betrieben", sagt Kindervatter. Und er sagt auch dies: Aus damaliger Sicht und nach dem damaligen Kenntnisstand sei die Entscheidung, sich an dem Kraftwerk zu beteiligen, "richtig" gewesen.

Rückblende: Nach der Liberalisierung des Energiemarktes durch die EU seit 1998, die es den Verbrauchern ermöglichte, ihren Versorger frei zu wählen, brachen Stadtwerken und Versorgern die Einnahmen aus dem Kundengeschäft ein. Eine Neuausrichtung zur großen Ertragsquelle der Energieerzeugung sollte Abhilfe schaffen. Obwohl sich der Systemwechsel zu regenerativen Energien bereits abzeichnete, war klar, dass auch konventionelle Kraftwerke weiter gebraucht werden, besonders neue - nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Atomausstiegs. Unter anderem der Einbruch von Großhandelsstrompreisen habe das Kraftwerksprojekt dann aber wohl zum finanziellen Desaster werden lassen: "Wenn man sich die Preisentwicklung seit Fukushima anschaut, sind neue Kraftwerke heute nicht mehr zu refinanzieren."

Für die Kunden werde die Problematik keine Folgen haben, sagt Kindervatter; das Preisgefüge hänge nicht mit derlei Sondereffekten zusammen. Wohl aber wurde die eigene Investitionspolitik überdacht: Die 100 Millionen Euro, die man dafür einsetzt, werden in erneuerbare Energien wie Windkraft und Photovoltaik investiert, und das ausschließlich im Versorgungsgebiet. Und die Stadt? Muss sie, wie von einigen befürchtet, künftig auf die Ausschüttung der NEW verzichten? Mitnichten, sagt Kindervatter. "Trotz der Verluste zählen die Ergebnisse der letzten fünf Jahre zu den Spitzenergebnissen des Unternehmens. In all den Jahren bekam die Stadt gute Ausschüttungen. Wir sind und bleiben ertragsstark." Auch auf Kundenseite wachse man stark, im Gasmarkt im Jahr 2015 bisher um acht, im Strommarkt um sechs Prozent. Dass die Höhe der Ausschüttung an die Stadt im Sinken begriffen sei, sei anderen Effekten geschuldet - dem in Mönchengladbach hohen Anteil der verlustträchtigen Bäder- und Verkehrssparten etwa. Das bestätigt auch Wolfgang Speen, Pressesprecher der Stadt: "Die sinkende Ausschüttung hat mit Gekko nichts zu tun."

Auch räumt Kindervatter mit dem im Raum stehenden Vorwurf auf, Kommunen, an deren Stadtwerken RWE beteiligt ist - wie Gladbach -, seien seinerzeit "genötigt" worden, sich am Kraftwerk zu beteiligen. "Das Gegenteil ist der Fall. Damals waren alle krampfhaft auf der Suche nach Kraftwerksbeteiligungen, man lief denen hinterher." Der Essener Großkonzern habe in Sachen Gekko zweifelsohne den "größten Mühlstein am Hals". Dass die Gladbacher Grünen nun fordern, RWE solle verschuldete Verluste erstatten, indem es die Stadt durch die Übertragung seiner Beteiligungen an der NEW entschädigt, sei geradezu lachhaft. "Wofür sollte RWE die Stadt denn bitte entschädigen?", fragt Kindervatter. Nicht Entwicklungen des Marktes, sondern in erster Linie solche regulatorischer Natur hätten aus der richtigen Entscheidung von damals eine "im Rückblick unternehmerisch falsche" gemacht. "Aber um das damals wissen zu können, hätte es schon einer Kristallkugel bedurft."

(RP)
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