Serie Denkanstoss Ostern - Einsatz für das Leben

Mönchengladbach · Nicht wegschauen!, mahnt der ehemalige Regionaldekan Edmund Erlemann. In seinen Gedanken zur Karwoche und zu Ostern erinnert der Geistliche an die schlimmen Schicksale von Flüchtlingen.

Das ist ein Wort des Trostes, das der Prophet Jesaja (etwa 720 vor Christus) seinen Leuten sagt, die keine Heimat mehr haben und in der Verbannung leben: Du hast einen Namen. Und du bist keine Nummer...

Die Nummer 92 steht auf dem Sarg des Kindes. Mit vielen anderen Särgen mit Nummern wurde er nach dem Unglück von Lampedusa am 3. Oktober des vergangenen Jahres auf Lastwagen verladen. Die Angehörigen wissen nicht, wohin die Särge transportiert wurden. -

"Ich frage mich, wie sie dich genannt hat, deine geliebte Mama. Vielleicht rief sie dich ,Berhan' (mein Licht). Oder hat sie dich ,Haben' genannt (mein Stolz)? Sag mir, mein kleiner Engel, hat sie dich nach ihrer Hoffnung benannt? Hat sie dich nach der Wüste benannt, die sie durchquerte ... ? Oder nach dem Land, das sie hinter sich gelassen hat? Sag mir, mein Kleiner, wie hat dich deine liebende Mama genannt? Denn ich kann es nicht ertragen, dass du Nummer 92 genannt wirst ..." (Selam Kidane).

Nein, bitte, schauen Sie nicht weg! Muten Sie sich den Blick auf die Särge mit den Nummern zu: Das ist Karfreitag heute! "Sie brachten uns bis in die türkischen Gewässer und warfen uns, einen nach dem anderen, auf unser Boot. Sie warfen uns weg, als wären wir Abfall. Dann schnitten sie das Seil durch" (Bericht von Flüchtlingen).

Nicht wegschauen: Wir alle sitzen im gleichen Boot, das Rettung bringen soll, das aber auch Tausenden den Tod bringt: die EU. Sie ist Friedensnobelpreisträgerin - zu Unrecht, wie ich meine. Die Politiker/innen scheinen wegzusehen. Haben sie nicht die Ertrunkenen im Mittelmeer und auch die Vielen, die in Nordafrika in der Wüste schutzlos ausgesetzt werden, auf dem Gewissen? Und wir, die EU, finanzieren: mit Hunderten von Millionen an die nordafrikanischen Pufferstaaten. Das kann uns allen das Gewissen schwer machen.

Ostern ist dringend nötig! Ostern heute! Ostern 2014. Für die Auferstehung der Toten hier, diesseits der Todesgrenze, sind wir zuständig: Du und ich. Das heißt: Aufstehen gegen den Tod. Klar und deutlich Position beziehen: im Gespräch und bei der Europawahl. Organisationen beitreten, die für die Flüchtlinge aus Afrika kämpfen! Die evangelische Kirche in ihrer Arbeit für die Flüchtlinge in Marokko unterstützen. Am 4. Mai ins Münster zum Ökumenischen Friedensgebet um 17 Uhr kommen: Da wird eine Ökumenische "Plattform" zur Asyl- und Flüchtlings-Politik der evangelischen und katholischen Kirche der Niederlande, Belgiens und Deutschlands bekanntgegeben.

Jenseits der Todesgrenze ist der "Chef" verantwortlich für die Auferstehung der Toten. Das hat er an Jesus gezeigt. Das "Ver-rückte" an Ostern: Auch und besonders die Opfer der Todesmächte in unserer Welt haben eine Zukunft: als Menschen. Auch das tote Kind, der kleine Engel mit der Nummer 92, darf jenseits der Grenze leben! Wie der hingerichtete Jesus! Gott sei Dank!

Die Wirtschaftsforscher haben für 2015 ein sattes Wachstum des Reichtums in Deutschland angekündigt. Sollen wir nicht anfangen, diesen Reichtum gerechter zu verteilen? Im ehemaligen HQ wird das Land ein Durchgangslager für Flüchtlinge errichten. Dafür soll unsere Stadt von der Zuteilung weiterer Flüchtlinge, die auf Dauer hier bleiben, verschont werden. Brauchen wir etwa dieses "Privileg"? Ich sage: Nein! Sollen wir nicht lieber in menschlicher Offenheit und Solidarität, in einer Kultur des Willkommens, Flüchtlinge in unsere Stadt aufnehmen und ihnen ihr schweres Leben mit seiner belasteten Vergangenheit leichter machen?

Die erste Reise des neu gewählten Papstes führte ihn nach Lampedusa. Zu den fassungslosen Opfern. Eine Schande für die Welt, sagte er. Die Eine Kirche Christi stellt sich gemeinsam mit allen Menschen guten Willens an die Spitze der Bewegung gegen den Tod und für das Leben! Das ist Ostern 2014. Frohe Ostern!

EDMUND ERLEMANN, EHEMALIGER REGIONALDEKAN, IST MITBEGRÜNDER DES VOLKSVEREINS.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort