Mönchengladbach Pawliks Meisterwerk

Mönchengladbach · Er hat den früheren Ministerpräsidenten Franz Meyers mit einem Plattenspieler und einem Trick im Rheydter Ratssaal vom Rock'n'Roll überzeugt. Er hat Herbert Grönemeyer zum ersten großen Open-Air-Konzert nach Gladbach geholt und "Wallenstein" als Manager an die Spitze der Charts gebracht: RP-Kolumnist Horst Pawlik, Erfinder der "Flötentöne".

 Musikmanager Horst Pawlik in seinem Büro (undatiert).

Musikmanager Horst Pawlik in seinem Büro (undatiert).

Foto: Pawlik

Was für eine Mischung! Versicherungsagent, also grundsolide wie sonst höchstens noch ein Sparkassen-Angestellter. Rock'n'Roller mit jeder Faser, Veranstalter, Manager, Mentor, also pralles Leben pur. Jäger aus Leidenschaft. Und Wein-Liebhaber, was dafür sorgt, dass es daheim bei Pawliks nicht nur Schallplatten im Überfluss gibt (geschätzt 4000), sondern auch Weinflaschen in auskömmlicher Anzahl (Bestand tagesabhängig). So einen wie Horst Pawlik gibt es nicht noch einmal.

Und weit gebracht hat er es. Auch, weil er für Eitelkeit nie Zeit hatte. Gemacht hat er das meiste für andere. Die Mönchengladbacher Musikszene verdient diese Bezeichnung nur, weil Pawlik sie über Jahrzehnte gehegt und gepflegt hat. Anfang der 1970er gab es in der Stadt zwar Bands. Die genügten sich aber selbst. Die Bühnen gehörten den Jazzern. In die Kaiser-Friedrich-Halle etwa ließ die Stadt keine Rock-Bands mehr, seit bei einem Rock-Konzert nachher etwas gründlicher gereinigt werden musste. Pawlik, der mit 22 Jahren neben seiner Arbeit als Versicherungsmann angefangen hatte, Bands wie "The Cadillacs" oder "Stormy Monday" zu managen, sah das nicht ein. Er marschierte mit einem Plattenspieler in eine Ratssitzung im Rheydter Rathaus. Franz Meyers war damals kommissarischer Oberbürgermeister. Er spielte dem Rat "Sympathie for Bela Bartok" vor, ein Rock-Stück nur mit Klavier und Violine, komponiert von Jürgen Dollase in drei Sätzen wie ein klassisches Stück und von Joachim Reiser wie ein Kammermusik-Stück gespielt. Wenn so was Rock sei, dürfe das auch gerne in der KFH passieren, befand der Rat und genehmigte Pawlik dort seine "Pop-Meetings". Übrigens: Bei dem Konzert, nach dem das Rock-Verbot für die KFH ausgesprochen worden war, hatte Wallenstein genau dieses Stück gespielt.

 "Wir machen Theater für junge Leute": Horst Pawlik mit seiner Frau Birgit

"Wir machen Theater für junge Leute": Horst Pawlik mit seiner Frau Birgit

Foto: Pawlik

Wer mit Horst Pawlik durch die Mappen mit all den Fotos, Eintrittskarten, Set-Lists und Verträgen blättert, bleibt unweigerlich an den Prominenten hängen. Ist das nicht Ilja Richters Disco? Ja, da hat Pawlik "Wallenstein" hingebracht, als er aus den Krautrockern mit dem Hit "Charline" eine chartkompatible Pop-Band machte. Mit Herbert Grönemeyer steht er 1989 auf dem Gladbacher Flugplatz. 20.000 kamen damals zum Open Air. Neben Fritz Rau, dem großen Konzertveranstalter, sitzt Pawlik in Wegberg auf dem Podium bei einer Pressekonferenz, um ein Konzert mit "Deep Purple" anzukündigen. In der Rheydter Stadthalle charmiert er mit Margot Werner, deren Premierenkonzert mit großem Orchester er veranstaltete. BAP verpflichtete er, kurz bevor sie Nummer 1 der deutschen Charts wurden und musste daher für das Konzert in der KFH deutlich weniger Gage zahlen, als die Band inzwischen wert war. In seinem kleinen grünen Veranstalter-Notizbuch stehen heute noch Telefonnummern, die mittlere Staatsgeheimnisse sind.

All das blättert Pawlik zwar stolz, aber doch ein bisschen pflichtschuldig durch. Mehr leuchten seine Augen und länger werden seine Geschichten, wenn es um ganz andere Dinge geht. Um die Bühnen von früher. Das "Bügeleisen" zum Beispiel. Um die vielen, vielen Gladbacher Bands. Wer was konnte - und wer was nicht. Über Songs, Auftritte, Hoffnungen, Karrieren, die gelebten und die gescheiterten. Über kein Konzert spricht er so lange und empathisch wie über das Tribute-Konzert für Werner Odenkirchen nach dessen Tod. Alle zogen mit, alle waren da. Die Gladbacher Musikszene als bunte, starke, ein bisschen verrückte Familie - das ist Pawliks wahre Berufung. Und das ist sein Lebenswerk. 40 Jahre hat Pawlik diese Szene begleitet, als Treiber, Mentor und kritischer Freund. Jede Woche hat er in seinen "Flötentönen" diesen Bands in der Rheinischen Post eine Bühne abseits von bunten Scheinwerfern und Rauch (ja den gab es damals noch bei Konzerten) beschert. So liebevoll und an den entscheidenden Stellen so unnachgiebig wie ein Vater. Seine Kolumne war in der Regel keine klassische Kritik, sondern von einem Grundwohlwollen getragen. Er gab lieber Hinweise, wie es besser geht, als Schulnoten, die die Versetzung gefährden. Doch den hohen Qualitätsanspruch, den er selbst an jede seiner Arbeiten legt, ersparte er den Bands nie: Wer Eintritt nimmt, muss auch was dafür liefern.

 Zwei Macher von Wallenstein: Manager Horst Pawlik mit Jürgen Dollase (r.).

Zwei Macher von Wallenstein: Manager Horst Pawlik mit Jürgen Dollase (r.).

Foto: Pawlik / Norbert Herlet

Die RP-Party war sein Meisterstück. Eine Karnevalsparty ohne Karnevalsmusik, eine Leistungsschau für die Szene, eine Anlage für alle und ab die Post - das war eine Idee, wie sie außer Horst Pawlik niemand zu denken, geschweige denn umzusetzen vermag. Diese Idee trägt seit Jahrzehnten, nicht zuletzt, weil die Bands immer besser geworden sind.

Die Szene ist also da, wo Horst Pawlik sie immer haben wollte. Und anders als mancher Rock'n'Roller, der länger macht, als es ihm und dem Publikum guttut, tritt Pawlik ab, wenn es am schönsten ist. Er schreibt keine Flötentöne mehr. Die Tränen im Knopfloch sind echt.

Chapeau! Und: Fortsetzung unbedingt erwünscht.

(RP)
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