Mönchengladbach Rasante Springbogen-Partien bei Konzert im Schloss Rheydt

Mönchengladbach · Geiger russischer Herkunft zeichnen sich seit langem durch eine phänomenale Finger- und Bogentechnik aus, ebenso durch eine intensive Tonbildung. Künstler der Klasse Heifetz, Milstein, Oistrach oder Kogan sind bis heute unvergessen geblieben. Darf man also, wenn sich heute im Schloss Rheydt ein Geiger vorstellt, der 1988 in Sankt Petersburg geboren wurde, von vornherein Spitzenleistungen erwarten?

Offenbar ja. Jedenfalls gilt das für den jungen Sergey Dogadin, der im vierten Zykluskonzert mit einem französisch-russischen Programm großen Eindruck hinterließ. Ob er nun Doppelgriffe, höchste Lagen oder rasante Springbogen-Partien zu bewältigen hatte: Ihm war allem Anschein nach nichts zu schwer. Große Souveränität strahlte auch sein Klavierpartner aus, der in Riga ebenfalls 1988 geborene Gleb Koroleff.

Über den stupenden technischen Fertigkeiten kam die musikalische Gestaltung keineswegs zu kurz. Der Sinn fürs Leise und Dezente war sowohl in Maurice Ravels "Sonate posthume pour violon et piano" wie in César Francks Sonate für Violine und Klavier spürbar. Dieses Werk lässt sich zügig und nach vorn drängend interpretieren. Dogadin und Koroleff entschieden sich für einen anderen, ebenfalls überzeugenden Ansatz. Sie setzten musikalische Abschnitte erkennbar voneinander ab und bauten sie mit Spannung aus neuen Anfängen heraus auf. Deutlich setzten sie die Gegensätze voneinander ab; das Kraftvoll-Energische bekam ebenso sein Recht wie das Anmutig-Leichte.

Mit viel Virtuosität und Vitalität, mit hämmernder Motorik und fast mit Ekstase ging es auch im zweiten Teil zur Sache. Igor Strawinskys Ballettmusik "Le baiser de la fée" ist in der Fassung als Divertimento für Violine und Klavier mit äußerst schwierigen instrumentalen Anforderungen gespickt. Sie wurden jedoch mit bewundernswerter Souveränität wiedergegeben.

Atemberaubend virtuos endete das Programm mit Alexander Rosenblatts Fantasie über Bizets Carmen. Von den beliebten Sarasate- und Waxman-Bearbeitungen unterscheidet sich die Fassung des 1956 in Moskau geborenen Komponisten durch stärkere Abweichung von Bizets Original, vor allem in den Harmonien. Allerdings: Die Themen erkennt man immer noch sehr gut, und an pfiffigen Effekten fehlt es nicht.

Nach so viel Temperament durften die begeisterten Zuhörer als Zugabe noch Gesangliches hören, Jules Massenets Meditation aus seiner Oper Thaïs.

(-tr)
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