Serie Denkanstoss Raubbau an der Natur stoppen

Mönchengladbach · Pfarrer Martin Gohlke war schockiert, als er die Bilder vom Abriss der Kirche in Borschemich sah. Deshalb fordert er, die Bagger zu stoppen und das Projekt Garzweiler II zu beenden. Ein Appell zum Umdenken.

Als ich am Dienstagmorgen die Tageszeitung in die Hand nahm, stockte mir fast der Atem: Auf dem Titelbild sah ich einen Bagger, wie dieser begann, die Kirche in Borschemich abzureißen. Mit Wehmut las ich den dazugehörigen Artikel.

Die Braunkohlebagger rücken immer näher an Mönchengladbach heran. Man merkt das im Sommer allein schon am vermehrten Staub auf den Garten-Möbeln. Dieser lästige Umstand wird sich in den nächsten Jahren noch verstärken.

Das Bild von der Kirche in Borschemich hat mich sehr betroffen gemacht und mir gezeigt: Jetzt wird es ernst - die Bagger sind bei uns angekommen. Vor einigen Jahren bin ich noch mit dem Fahrrad durch den herrlichen Ort Borschemich gefahren. Jetzt gleicht er einer Geisterstadt, und bald wird er nicht mehr existieren. Die Menschen haben ihre Heimat verloren und müssen sich in ihrer völlig neuen Umgebung erst noch einfinden. Das wird nicht einfach werden.

Es tut weh, dass durch den Braunkohletagebau viele Mitglieder unserer Kirchengemeinde umgesiedelt werden müssen. Etliche von ihnen kenne ich, sie sind mir über die Jahre ans Herz gewachsen. Manche werden nach Wickrathberg oder nach Wickrath ziehen, die meisten aber werden der Umsiedlung nach Erkelenz folgen. Da wird man sich seltener sehen können, was sehr schade ist. Es ist, als ob unserer Kirchengemeinde ein Teil vom Körper abgeschnitten würde. Das Bild vom Abriss des Gotteshauses in Borschemich hat mir das wieder bewusstgemacht. Dabei ist es sehr fraglich, ob Garzweiler II überhaupt noch nötig ist. Beim Lesen des Artikels erfuhr ich nämlich, dass die Braunkohle-Kraftwerke inzwischen rote Zahlen schreiben und die Braunkohle subventioniert werden muss. 1,6 Milliarden Euro müssen wir, die Stromkunden, aufbringen, damit die Braunkohle-Kraftwerke weiter laufen können. Ich frage mich: Da stimmt doch was nicht!

Wir zahlen drauf und unterstützen etwas, was sich nicht mehr lohnt. Ist es nicht an der Zeit, die Bagger zu stoppen und Garzweiler II zu beenden? Ganz zu schweigen vom gewaltigen Eingriff in der Natur, deren Folgen nicht absehbar sind. Müssen wir nicht umdenken? Müssen wir nicht ganz neu denken in Bezug auf unser Verhältnis zur Energie und zum Strom? Haben wir uns nicht zu abhängig gemacht von strombetriebenen Geräten, Systemen und Techniken? Muss wirklich in jedem Zimmer ein Fernseher stehen? Ist es nötig, dass von morgens bis abends Fernseher, Radios oder Computer laufen? Hier ist jede und jeder von uns gefragt, wie wir unser Verhalten ändern können. Gott hat, als er die Welt schuf, nicht zum Menschen gesagt, dass er Raubbau mit der ihm anvertrauten Erde betreiben soll, sondern sie im Gegenteil beschützen und bewahren muss. Dieser Auftrag gilt bis heute.

DER AUTOR IST PFARRER DER EVANGELISCHEN KIRCHENGEMEINDE WICKRATHBERG.

(RP)
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