Mönchengladbach Rekord bei psychischen Erkrankungen

Mönchengladbach · Nie war der Krankenstand bei Depressionen und ähnlichen Erkrankungen unter Gladbachs Arbeitnehmern so groß wie 2016. Das geht aus den Arbeitsunfähigkeitsdaten der AOK hervor. Kassen und Betriebe müssten mehr in Prävention investieren.

 Ein Mann sitzt am Schreibtisch und stützt seinen Kopf mit den Händen ab. (Symbolbild)

Ein Mann sitzt am Schreibtisch und stützt seinen Kopf mit den Händen ab. (Symbolbild)

Foto: Shutterstock/dotshock

Mönchengladbachs Arbeitnehmer sind deutlich länger krank als die im gesamten Rheinland. Der Gesamt-Krankenstand lag in der Stadt im vergangenen Jahr bei 6,24 Prozent, das war geringfügig mehr als noch im Jahr zuvor (6,16 Prozent). Zum Vergleich dazu lag der Durchschnittswert im gesamten Rheinland nur bei 5,56 Prozent. In Gladbach gab es auch deutlich mehr Krankheits-Diagnosen als etwa im Kreis Viersen (immer hochgerechnet auf die Versicherten). Das geht aus der Statistik des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung hervor, die dafür die Daten von fast 35.000 bei der AOK versicherten Arbeitnehmern analysiert hat.

Bei den Arbeitnehmern sind vor allem die Langzeiterkrankungen gestiegen. Der Krankenstand mit Ausfallzeiten von weniger als 42 Tagen lag konstant bei 4,43 Prozent. "Das heißt, dass die örtlichen Arbeitgeber nicht mehr für die Lohnfortzahlung aufbringen mussten als bisher", sagte Gregor Mertens, stellvertretender Leiter des Instituts für Betriebliche Gesundheitsförderung, das die Daten aufbereitet hat. Die Erkrankungen mit längerer Ausfallzeit allerdings haben deutlich zugenommen auf nun 1,81 Prozent (2015: 1,72 Prozent).

Erstaunlich ist, dass der Anstieg der Krankheitstage in der Stadt ziemlich genau auf eine Krankheitsart zurückzuführen ist: die psychischen Erkrankungen. "Depressive Episoden, Reaktionen auf schwere Belastungen, Angststörungen, wiederholt auftretende Depressionen und Alkoholerkrankungen haben spürbar zugenommen", sagte Gregor Mertens. Je 100 ganzjährig Versicherte wurden 14,1 Diagnosen über psychische Erkrankungen gestellt, das ist zwar nur geringfügig höher als 2015. Aber die durchschnittliche Falldauer psychischer Erkrankungen hat im Jahresvergleich um fast zwei Tage auf nun 29,6 Tage zugenommen. K

eine andere Krankheitsart kommt auch nur annähernd auf so lange Ausfallzeiten. Die Ausfallzeit psychischer Erkrankungen hat sich seit 2006 verdoppelt, und sie liegt erstmals überhaupt auf Platz zwei (hinter Muskel/Skelett, siehe Grafik). Je 100 Versicherte lag der Krankenstand bei 416 Tagen. "Seit Beginn der Datenauswertung ist das der höchste Krankenstand bei psychischen Erkrankungen", so Mertens. Und dafür gebe es drei Erklärungen: "Ein verändertes Diagnoseverhalten der Ärzte, eine Enttabuisierung psychischer Erkrankungen bei den Patienten, und deutlich gestiegene Belastungen in der Arbeitswelt." Die Komplexität, die Verdichtung und das Arbeitspensum wachse immer weiter.

Krankenkassen und Betriebe seien gefordert, um diese Entwicklung in den Griff zu bekommen, sagte AOK-Regionaldirektor Heinz Frohn. "Prävention ist Sysiphos-Arbeit, viele kleine Bausteine tragen zu einer Verbesserung im Gesamtergebnis bei. Wir wollen mehr Geld ausgeben für Prävention in Kindertagesstätten, Schulen, Betrieben, Pflegeheimen und Jobcentern." Seit diesem Jahr seien die Kassen verpflichtet, sieben Euro pro Versichertem in die Prävention zu investieren. Bisher waren es zwei Euro.

Damit wird auch die betriebliche Gesundheitsförderung in Betrieben gefördert. Unternehmen erkennen das immer häufiger als Imagefaktor bei möglichen Mitarbeitern. "Jeder Arbeitgeber muss ein hohes Interesse an der Gesundheit seiner Mitarbeiter haben. Zufriedene Mitarbeiter sind seltener krank", sagte Mertens. Dazu gehörten ein gutes Betriebsklima, gute Führung und Kommunikation, nicht nur ergonomische Arbeitsplätze und Rückenkurse. Das Geld, das die AOK bereitstellt, werde zwar rege genutzt, auch Unternehmen investierten zunehmend. Aber nicht einmal zehn Prozent der Firmen haben die Gesundheitsförderung in ihrer Organisation institutionalisiert.

In die Statistik fließen übrigens keine Arbeitslosen ein. Doch gerade die seien am häufigsten krank, sagte AOK-Regionaldirektor Heinz Frohn: "Arbeitslosigkeit macht krank, und Krankheit macht arbeitslos."

(RP)
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