Mönchengladbach Riskantes Spiel mit Billig-Armaturen

Mönchengladbach · Ab 1. Dezember gilt eine verschärfte Trinkwasserverordnung. Experten warnen vor Wasch- und Spültischarmaturen, die teils weniger als 30 Euro kosten – sie vermuten, dass Discounter ihre vollen Lager bis dahin leerräumen wollen.

 Sieht gut aus, ist aber mit Vorsicht zu genießen: eine Discounter-Armatur für 30 Euro.

Sieht gut aus, ist aber mit Vorsicht zu genießen: eine Discounter-Armatur für 30 Euro.

Foto: Andreas Baum

Ab 1. Dezember gilt eine verschärfte Trinkwasserverordnung. Experten warnen vor Wasch- und Spültischarmaturen, die teils weniger als 30 Euro kosten — sie vermuten, dass Discounter ihre vollen Lager bis dahin leerräumen wollen.

Der Preis erscheint unschlagbar. 29,99 Euro für die Designer-Einhebelarmatur. Fünf Jahre Garantie. Material gemäß DIN-Norm ausgewiesen und mit einem Prüfsiegel versehen. Die optisch nahezu identische Armatur des namhaften Herstellers kostet hingegen das Drei- bis Vierfache.

Der Griff zum Schnäppchen beim Discounter liegt also nahe. Den großen Haken sieht aber meist nur ein Fachmann: Die Billig-Armaturen sind quasi nutzlos. Selbst-Installieren ist gesetzlich verboten und Profis lehnen einen Einbau ab. "Die können Sie sich zu Hause ins Regal stellen, aber an eine Trinkwasserleitung darf man die nicht anschließen", sagt Detlef Poullie, Dozent für Versorgungstechnik aus Mönchengladbach.

Die "No-Name-Hersteller" arbeiten mit einfachen Tricks. Das Prüfsiegel bezieht sich nur auf den Lärmschutz, und die Norm wird im Kleingedruckten einzig auf die zulässigen Mikroorganismen in den Schläuchen reduziert. Der entscheidende Satz, dass die "gesamte Armatur gemäß der aktuellen Trinkwasserverordnung genehmigt ist", wird vermieden. "Jeder Installateur, der solch eine Armatur einbaut, hätte einen Sockenschuss", erklärt ein vereidigter Sachverständiger der Düsseldorfer Sanitär- und Heizungstechnik-Innung, der namentlich nicht genannt werden will. Das Problem: Der Installateur haftet im Zweifel für eine nicht zulässige Armatur. Bei Wasserschäden geht der Schaden in einem Mehrfamilienhaus schnell in den sechsstelligen Euro-Bereich. "Ich muss mir zu hundert Prozent sicher sein, dass die Armatur den gesetzlichen Standards entspricht", sagt der Sachverständige.

Für Hobby-Handwerker sind die Trinkwasserleitungen ohnehin tabu. Auch dieser Hinweis fehlt meist in den Discounter-Katalogen. Laut Gesetz dürfen nur zertifizierte Installateure an den Leitungen arbeiten. Und bei den Handwerkern gibt es nur wenige schwarze Schafe, die aus Geldsorgen einen Einbau solcher Armaturen vornehmen, da im Schadensfall ein Verlust der Zulassung droht.

Selbst geprüfte Armaturen sorgen beim Fachmann aber nicht immer für ein reines Gewissen. Denn die Kosten für eine TÜV-Prüfung einer einzigen Armatur liegen bei 50 000 Euro. Zwielichtige Unternehmer trimmen aus diesem Grund häufig ein Einzelstück und vernachlässigen anschließend die Massenproduktion.

"Da liegt die große Gefahr. Selbst wenn ein Kunde mir das Prüfzeugnis zeigt, kann ich mir nicht hundertprozentig sicher sein. Wenn ich am Ende vor dem Kadi stehe, hafte ich trotzdem", sagt der Sachverständige. Aufgrund des hohen Risikos besorgen die Installateure deshalb die Ware selbst vom Großhändler. "Ich gehe ja auch nicht zum Bäcker und bringe mein eigenes Mehl mit", vergleicht der Experte aus Düsseldorf.

Neben der Gefahr von Wasserschäden steht für den Gladbacher Poullie vor allem die Gesundheit im Vordergrund. Testergebnisse von "Halbzeug"-Herstellern ergaben, dass die Vorgaben bei fast allen Armaturen von zwölf bis 30 Euro nicht eingehalten werden. Gerade bei den besonders problematischen Blei- und Nickelwerten gebe es teilweise sogar "massive Überschreitungen".

Vor dem Hintergrund der ab 1. Dezember 2013 nochmals verschärften Trinkwasserverordnung ist das ein bedenkliches Zeugnis. Dann darf der Bleigehalt statt 0,025 nur noch 0,01 Milligramm pro Liter betragen. "Meine Recherchen haben ergeben, dass die Discounter-Lager voll mit Billig-Armaturen sind. Diese wollen sie nun möglichst schnell noch an den Mann bringen", erklärt Poullie. "Für Verbraucher sieht das nach einem Schnäppchen aus, aber der Schuss geht nach hinten los. Es ist zu befürchten, dass sich jetzt viele Kunden als Handwerker betätigen und bleihaltige Armaturen einbauen. Gerade für Kinder ist das sehr gefährlich."

(RP)
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