Mönchengladbach Scharia als Machtmittel des Patriarchats

Mönchengladbach · Hochaktuell greift das Schauspiel "Hagel auf Zamfara" in die Diskussion über die Rolle der Frau in islamistisch regierten Staaten ein. Nicholas Monu inszeniert Sefi Attas Drama einer von Steinigung bedrohten Frau in Nigeria.

 Marianne Kittel befremdet in ihrem schwarzen Gewand mit Kopftuch. Sie spielt eine inhaftierte Frau, die wegen angeblicher Untreue mit dem Tod bedroht wird. Rechts Adrian Linke als ihr Mann, für den Frauen kaum Rechte haben.

Marianne Kittel befremdet in ihrem schwarzen Gewand mit Kopftuch. Sie spielt eine inhaftierte Frau, die wegen angeblicher Untreue mit dem Tod bedroht wird. Rechts Adrian Linke als ihr Mann, für den Frauen kaum Rechte haben.

Foto: M. Stutte

Aufrüttelnde Percussionklänge dringen aus einer Nische hinter dem neu bestuhlten Tribünenbereich im Theaterstudio. Dort traktiert Klaus Hackspiel hinter einem Perlenschnurvorhang westafrikanische Trommeln und metallische Idiophone — oft laut und drängend, manchmal dezent und ruhig. Die rechteckige Spielfläche hat Frank Hänig mit geheimnisvoll anmutenden Kettenvorhängen umgeben, hinter denen ein Teil des Publikums sitzt. So richten sich die Blicke der Zuschauer von allen vier Seiten auf die Spielfläche: ein Blick wie aus einem orientalischen Harem — in eine Gefängniszelle.

 Marianne Kittel befremdet in ihrem schwarzen Gewand mit Kopftuch. Sie spielt eine inhaftierte Frau, die wegen angeblicher Untreue mit dem Tod bedroht wird. Rechts Adrian Linke als ihr Mann, für den Frauen kaum Rechte haben.

Marianne Kittel befremdet in ihrem schwarzen Gewand mit Kopftuch. Sie spielt eine inhaftierte Frau, die wegen angeblicher Untreue mit dem Tod bedroht wird. Rechts Adrian Linke als ihr Mann, für den Frauen kaum Rechte haben.

Foto: M. Stutte

Dort hockt — in schwarzem Gewand mit Kopftuch — eine Frau. Eine unglückliche, verzweifelte Frau — denn sie wartet in der Zelle im Bundesstaat Zamfara im Norden Nigerias auf den Tod durch Steinigung. Arabische Ziffern auf dem Boden erinnern daran, dass die arabische Wissenschaft einst eine logische, vernunftgeleitete war — doch in Zamfara herrschen Unfreiheit, Intoleranz und Verfolgungswahn — weil dort Recht nach der Scharia gesprochen wird. Ein Unrechtssystem, so zeigt das Drama der nigerianischen Autorin Sefi Atta (49), in dem es um einen brutalen Gesellschaftskrieg geht. Davon erzählen die in Rückblenden geschilderten Episoden von "Hagel auf Zamfara", das am Theater Krefeld/Mönchengladbach uraufgeführt wurde.

Maryams Mann (Adrian Linke) steht links auf einem Podest — deutlich erhöht gegenüber der Frau auf dem Bühnenboden. In einem beklemmenden, krassen Monolog schildert Marianne Kittel ihre Situation in der Ehe mit dem Mann, dessen "Zorn wie ein Blitz über mich kam". Er nimmt sich eine Zweitfrau, kaum älter als ihre gemeinsame Tochter Fatima, und erwartet, dass seine Erstfrau sich auch um die Neue kümmert — als gäbe es ein weiteres Kind in der Familie zu versorgen. Helen Wendt, Schauspielerin mit afrikanischen Wurzeln, steht als Zweitfrau an der Rückwand des Zuschauerraums. So entfaltet der nigerianische Regisseur Nicholas Monu ein psychologisches Stationendrama im Raum, der ebenso fremd wirkt wie die Monologe der verzweifelten Frau. Als ihr Mann wegen Alkoholexzessen ausgepeitscht wird — eine Strafe, die nur Armen droht —, genießt sie kurz die Genugtuung, dass auch er, der sich sonst allmächtig Dünkende, einmal schwach und verletzlich ist. Doch postwendend folgt seine fürchterliche Rache: Der jähzornige Mann bezichtigt seine Frau der Untreue — und dafür sieht die Scharia die Todesstrafe vor.

Der Auftritt der westlich orientierten Radioreporterin Miriam Maliki (Helen Wendt), welche die Inhaftierte in der Zelle aufsucht, wirkt flach. Ihre unbeglaubigte Trostbotschaft, sie werde die Verurteilte wohl retten, erreicht die Todgeweihte nicht mehr.

Das packende, oft laute Spiel der drei Akteure tut alles, um die bestürzende Fremdheit einer Tradition hautnah zu vermitteln, die mit der Religion Islam kaum etwas zu schaffen hat. Die aber sehr beredt von dessen Missbrauch zum puren Machterhalt berichtet.

(RP/ac)
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