Dr. Uta Stürtzbecher Und Elvira Biallas Schmerzfreiheit bei wachem Verstand

Mönchengladbach · Dr. Uta Stürtzbecher-Gericke gehört dem Vorstand des Trägervereins am Hospiz St. Christophorus an. Elvira Biallas leitet die Einrichtung. Wir haben mit ihnen über Palliativmedizin, Hospize und das Leben im Sterbeprozess gesprochen.

 Die Interviewpartnerinnen: Elvira Biallas (li.), Leiterin des Hospiz St. Christophorus, und die Ärztin Dr. Uta Stürtzbecher-Gericke.

Die Interviewpartnerinnen: Elvira Biallas (li.), Leiterin des Hospiz St. Christophorus, und die Ärztin Dr. Uta Stürtzbecher-Gericke.

Foto: Isabella raupold

Frau Dr. Stürtzbecher, Sie sind Ärztin. Wie definiert man eigentlich Palliativmedizin?

Stürtzbecher Palliativmedizin ist eine Medizin für Menschen, die unheilbar erkrankt sind. Die Krankheit ist bereits weit fortgeschritten und schreitet weiter fort. Die Palliativmedizin lindert die Symptome und soll soweit wie möglich die Lebensqualität erhalten. Sie umfasst die ganzheitliche Betreuung im Zusammenwirken von Pflegenden und Medizinern.

Wie gut ist die palliative Versorgung in Mönchengladbach? Welche Möglichkeiten gibt es?

Stürtzbecher Es gibt verschiedene palliativmedizinische Angebote in der Stadt, sowohl ambulante als auch stationäre. Zum einen die Palliativstationen der Krankenhäuser, zum anderen die spezialisierte ambulante Palliativbetreuung durch qualifizierte Ärzte und Pfleger, die Patienten zu Hause versorgen. Dann gibt es die allgemeine palliative Betreuung durch die Hausärzte. Und schließlich das Hospiz für die stationäre Betreuung Schwerstkranker und Sterbender. Das Hospiz verfügt über zehn Betten und nimmt in erster Linie Patienten auf, die an Krebs oder Aids erkrankt sind. Die Versorgung in Mönchengladbach ist gut, wie in ganz NRW. Nordrhein-Westfalen hat, im Vergleich zu einigen anderen Bundesländern, ein gutes palliativmedizinisches Netz.

Wenn eine ambulante Palliativversorgung das Verbleiben im heimischen Umfeld ermöglicht, warum kommen Patienten dann überhaupt ins Hospiz?

Stürtzbecher Die Palliativbetreuung zu Hause ist dann gut möglich, wenn genügend Angehörige da sind, die sich kümmern können. Wenn das nicht der Fall ist und nur eine Bezugsperson sich um den Schwerkranken kümmert, stößt der Pflegende irgendwann an seine Grenzen. Das Hospiz nimmt die Patienten auf, bei denen die sozialen Ressourcen erschöpft sind, oder häufig auch Alleinlebende. Zwei Faktoren machen Sterbenden besonders Angst: die Einsamkeit und die Qual der Symptome. Beides können wir hier im Hospiz lindern.

Biallas Patienten kommen häufig ins Hospiz, um die Familie zu entlasten. Manchmal sind die Angehörigen völlig verzweifelt, weil sie die Pflege nicht mehr bewältigen können. Manche Patienten können das Hospiz wieder verlassen, wenn sich der Zustand stabilisiert hat und die Angehörigen sich erholt haben. Die meisten empfinden es als entlastend, hier zu sein. Wir machen ihnen deutlich: Wir orientieren uns an Ihren Bedürfnissen, Ihre empfundenen Defizite versuchen wir so weit wie möglich auszugleichen. Sie können Hilfe und Unterstützung annehmen.

Warum ist das Hospizangebot so wichtig?

Stürtzbecher Im Hospiz wird die Würde des Patienten nicht durch Erkrankung oder Zerstörung des Körpers in Frage gestellt. Der selbstverständliche Umgang mit der Erkrankung ist für Patienten entlastend. Sie signalisieren, wie viel Kontakt sie zulassen und wen sie am liebsten um sich haben. Unsere Mitarbeiter haben ein sicheres Gefühl für Nähe und Distanz zum Patienten. Unser Handeln ist den Bedürfnissen der Patienten untergeordnet.

Viele Menschen haben vor allem vor den Schmerzen Angst. Ist es möglich, die Patienten hundertprozentig von ihren Schmerzen zu befreien?

Stürtzbecher Es ist möglich, jeden Schmerz zu behandeln und die Beschwerden zu beherrschen, aber Schmerz hat viele Dimensionen. Wir können das Leiden reduzieren, aber das Leid können wir den Patienten nicht nehmen.

Wie geht man als Mitarbeitender mit der eigenen Arbeit um?

Biallas Wir haben ein Ziel: Wir wollen Schmerzfreiheit bei wachem Verstand gewährleisten. Wenn uns das gelingt, sind wir stolz, dieses Ziel erreicht zu haben. Und es geht ja hier keineswegs immer nur ums Sterben. Eigentlich geht es um das Leben, um das Leben im Sterben. Wir möchten dem Patienten auch ermöglichen, die Gestaltung des eigenen Lebens wiederzugewinnen.

ANGELA RIETDORF STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort