Serie Was macht eigentlich? Ellen Lohr ist Deutschlands schnellste Rennfahrerin

Mönchengladbach · Ellen Lohr hat sich mit Michael Schumacher und Heinz-Harald Frentzen heiße Duelle geliefert, sie hat als einzige Frau ein DTM-Rennen gewonnen, ist die berüchtigte Rallye Paris - Dakar gefahren. Und will jetzt, mit 49 Jahren, den EM-Titel der Riesen: im Truck-Racing.

Serie Was macht eigentlich?: Ellen Lohr ist Deutschlands schnellste Rennfahrerin
Foto: Ford

"Es ist immer noch eine brutale Macho-Welt", sagt Ellen Lohr. "Für Frauen ist es extrem schwer, hineinzukommen." Doch die fast zierlich wirkende, aber durchtrainierte Rheydterin (1.64 Meter, damals 52, heute 60 Kilogramm) hat den Kampf früh angenommen. Und sie hat sich durchgesetzt — auch wenn ihr ganz großer Traum nicht in Erfüllung gegangen ist: die Formel 1. "Dass ich seit 28 Jahren in diesem Business dabei bin und wirklich alles gefahren habe, was vier oder sechs Räder hat, und das auf höchstem Niveau — das ist mein größter Erfolg", sagt sie. Mit 48 ist sie immer noch im Rennsport aktiv. Und hat immer noch ehrgeizige Ziele.

Fast hätte es vor 20 Jahren ja sogar mit der Königsklasse, der Formel 1, geklappt. Es gab ein Angebot, ein Sauber-Mercedes für sie stand gewissermaßen schon auf Abruf. Aber dann passierte der schlimme Unfall in Monaco, als Karl Wendlinger beim Training zum Grand Prix in die Streckenbegrenzung raste. Der Österreicher lag wochenlang im Koma, das für Ellen Lohr vorgesehene Auto war nicht mehr zu gebrauchen, ihr Traum geplatzt. Eine neue Chance gab es nicht.

Der Spaß am extrem schnellen Autofahren ist bei Ellen Lohr sehr früh geweckt worden, daheim an der Römerstraße in Rheydt. Ihr Vater Alfred hatte dort eine Karosseriebau-Werkstatt, war selbst ambitionierter, durchaus erfolgreicher Hobby-Rennfahrer im Rheydter Club für Motorsport. "Ellen kam zuerst hinunter und guckte zu", erzählt der 76-Jährige. "Mit zwölf begann Ellen, an den Karts zu schrauben." Ob sie dann auch schon mal auf dem Betriebshof am Steuer eines richtigen Autos gesessen hat — dazu schweigen die Lohrs. Mit knapp 14 jedenfalls drehte die Tochter auf der Bahn in Schwalmtal-Raderberg ihre ersten Runden im Kart. Als sie 15 wurde, durfte sie laut Reglement in Rennen starten.

Harte Fights auf der Rennstrecke

Es war der Auftakt zu einer im doppelten Sinne rasanten Karriere. Erste Erfolge im Kart, mit 17 als erste Frau Deutsche Meisterin in der Formel Ford, 1988 Werksfahrerin bei VW in der Formel 3. Wo sie sich manches heiße Duell mit jungen Kollegen wie dem späteren Mönchengladbacher Formel-1-Vizeweltmeister Heinz-Harald Frentzen und dem am Ende alle überragenden Michael Schumacher lieferte. "Wir haben manch harten Fight auf der Rennstrecke ausgetragen. Am Schluss war Schumacher aber doch vorne", erzählt Ellen Lohr.

Immerhin: 1990 schaffte sie ihr bestes Ergebnis in der Formel 3: zweiter Platz beim Europameisterschafts-Finale in Monaco, das nach 14 Jahren beste Ergebnis eines Deutschen bei diesem prestigeträchtigen Rennen. Zwei Jahre später gewann die Mönchengladbacherin auf dem Hockenheimring als erste und bis heute einzige Frau ein DTM-Rennen auf einem Mercedes 190 E 2.5-16 Evo2.

Es war die Zeit, in der man Ellen Lohr das Etikett "schnellste Frau Deutschlands" anheftete. "Sie ist die Schnellste. Unglaublich, wie sie die Männer verheizt", haben die Formel-1-Piloten Hans-Joachim Stuck und Johnny Cecotto gesagt. Was sie nicht uneingeschränkt stehenlassen mag: "Sagen wir lieber, eine der schnellsten. Jutta Kleinschmidt und Claudia Hürtgen sind auch sehr schnell." Aber sie sind halt "nur Frauen" in diesem brutalen Geschäft. So half Ellen Lohr auch ihr DTM-Sieg nicht wirklich. 142 Rennen ist sie von 1987 bis 1996 in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft gefahren. Doch am Ende blieb die größte Enttäuschung ihrer Karriere: "In den letzten drei Jahren habe ich von Mercedes immer nur das Vorjahresauto bekommen. Wir Frauen haben in diesem Sport zwar ein Alleinstellungsmerkmal. Aber wir werden nicht wirklich wahrgenommen. Dabei halte ich es für ein Ammenmärchen, dass Frauen in unserem Sport psychisch und physisch nicht so viel Leistung bringen können wie die Männer."

"Geschwindigkeit, Geruch, Lärm"

Was macht die Faszination des Motor-Rennsports aus? "Eine Mischung aus vielen Faktoren", sagt Ellen Lohr: "Geschwindigkeit, Geruch, Lärm, die volle Konzentration auf die Situation und den Konkurrenten. Da wird man regelrecht zum Junkie." Doch bei allem Ehrgeiz und den extremen Situationen im Rennen hat sie stets kühlen Kopf bewahrt. "Ellen ist eine Ausnahme. Sie fährt genauso brutal wie die Männer", urteilte ihr DTM-Partner, der Däne Kurt Thiim, zwar. "Aber mit Herz und Hirn", betont sie. "Unfälle passieren, aber ich habe nie eine wirklich ernste Verletzung gehabt. Eine gebrochene Hand war das Schlimmste — beim Truck-Racing."

Abflug-Gefahr gibt es, vor allem nachts in der Wüste, bei der berüchtigten, bis zu drei Wochen dauernden Marathon-Rallye Paris — Dakar, die bereits 60 Menschenleben gefordert hat. Sechsmal war sie Teamchefin. Dreimal, von 2005 bis 2007, ist Ellen Lohr selbst gefahren, hat aber nie das Ziel erreicht. Ihr vierter Versuch wurde 2008 zu einer riesigen Enttäuschung: "Wir standen schon startklar in Lissabon, als das Rennen abgesagt wurde — wegen Terrordrohungen in Afrika."

Seither wird sie unter dem Namen Rallye Dakar in Südamerika ausgetragen. "Sie noch einmal zu fahren, bleibt mein Traum. Doch dazu müsste ich erst einmal entsprechende Sponsoren finden, denn sie ist superteuer. Und ich müsste mich ein ganzes Jahr lang vorbereiten, weil ich heute nur noch Halbprofi bin, nicht mehr jeden Tag mit 100 Prozent Einsatz trainiere. Denn diese Rallye ist extrem belastend, auch geistig."

(RP)
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