Serie Was macht eigentlich? Hans Pitz: Wenn der Vater mit der Tochter regiert

Mönchengladbach · Es war nicht geplant, sondern reiner Zufall, das doppelte Novum im hiesigen Karneval: Vater undTochter als Prinzenpaar. Das gab es 1965 gleichzeitig in Rheydt und Alt-Gladbach. Die beiden Pitz' und die beiden Heuers: Hans XIII. mit Anita I. und Ernst I. mit Sigrid-Niersia XX.

Da war Willi Kampmann, der Hofmarschall des Gladbacher Karnevals, erst einmal sauer. "Was gibt es denn da zu lachen", fragte er Hans Pitz, der völlig anders als erwartet auf seine Einladung zu einem Kennenlern-Treffen der Prinzenpaare aus Gladbach und Rheydt und die vermeintlich einmalige Neuigkeit reagierte: nämlich lachend statt staunend. "Unser Prinzenpaar sind Vater und Tochter", hatte Kampmann soeben stolz verkündet. "Bei uns auch", erklärte Hans Pitz, der neue Rheydter Prinz, schließlich sein Lachen: "Meine Prinzessin ist meine Tochter Anita. Und natürlich nehmen wir die Einladung gerne an."

Vater und Tochter auf dem närrischen Thron: Das war hier 1965 ein Novum. Und führte, zehn Jahre vor dem Zusammenschluss der beiden traditionell in herzlicher Abneigung verbundenen Städte zum neuen Mönchengladbach, schon mal zu einer Auflockerung des Verhältnisses auf närrischer Ebene, repräsentiert durch die beiden Pitz, Hans XIII. und Anita I. für Rheydt, sowie die beiden Heuers, Ernst I. und Sigrid-Niersia XX., für Gladbach. Hans Pitz war kaufmännischer Geschäftsführer eines Rheydter Bauunternehmens, seine Tochter Anita kaufmännische Angestellte, Ernst Heuer Inhaber eines renommierten Gladbacher Pelzhauses und Tochter Sigrid angehende Lehrerin. Hans Pitz erzählt: "Wir haben, was bis dahin keine Selbstverständlichkeit war, vieles gemeinsam gemacht. Wir waren zusammen im Gladbacher und im Rheydter Rathaus oder haben zum Beispiel Dülken besucht."

Hans Pitz, 1923 geboren, ist Rheydter Urgestein und lernte früh den Karneval kennen: Schon als 13-Jähriger war er Page in der Großen Rheydter Karnevalsgesellschaft. Es war der Auftakt zu einer "närrischen Karriere", die auch heute, mit 90, noch nicht ganz beendet ist: Er ist immer im Prinzenclub dabei, lebt weiter mit der von ihm gegründeten Kinderprinzengarde ("das wurde schnell mein großes Hobby") und besucht die Sitzungen der Gesellschaften, die ihn zum Ehrensenator ernannt haben.

Doch Hans Pitz hat nicht nur am Niederrhein Karneval vorgemacht, sondern auch im tiefen Ostbayern: in Regensburg, wo er von 1945 bis 1950 gelebt hat. Er war 1941, kaum dass er nach der Kaufmannsgehilfenprüfung sein Studium an der Höheren Handelsschule begonnen hatte, zur Wehrmacht eingezogen worden. Er machte den Russland-Feldzug vom ersten Tag an in einer Nachschubeinheit und später an der Front mit, lernte dabei in Warschau seine Frau Leni kennen, die im Fernamt arbeitete, und heiratete sie 1944 in Polen. Nach einer Verwundung landete er im selben Jahr als Ausbilder in Regensburg; Leni zog nach. Hans Pitz kam 1945 nach einer Woche in amerikanischer Gefangenschaft zurück. In Regensburg lebte er mit seiner jungen Familie, die bald auf vier Personen wuchs, darunter die 1946 geborene Anita, bis zur Heimkehr nach Rheydt 1951.

Talent als Büttenredner

Hans Pitz, der lustige Rheinländer, fand auch in der Hauptstadt der bayerischen Oberpfalz Gleichgesinnte: die "Rheinischen Karnevalsfreunde" — in Regensburg! Er entdeckte sein Talent als Büttenredner und wurde Sitzungspräsident im tiefen Bayern. Und setzte dies nach seiner Heimkehr nach Rheydt fort, mit großem Erfolg. "Damals bin ich als Büttenredner durchs ganze Rheinland gezogen", erzählt er: "Aus Spaß an der Freud, nicht fürs Geld. Denn für einen Auftritt gab es damals 20 Mark, und dann wurden 30 Mark an der Theke versoffen." Bald kam seine Laufbahn als Karnevals-Funktionär hinzu. Und im Herbst 1964 der Anruf von Willi Kampmann: Er solle der Prinz der kommenden Session werden. "Eigentlich wollte ich das erst 1966 machen, zum 100-Jährigen des Rheydter Karnevals", erzählt Hans Pitz. "Aber es gab keinen anderen. Und neunmal elf Jahre war ja auch etwas. Zumal Willi Beines versprochen hat, die Prinzengarde würde meine Roten Funken unterstützen." Hans Pitz sagte zu. Seine Frau Leni allerdings nicht: "Dass mein Mann immer weg ist, war ich ja schon lange gewohnt. Aber dann stand unser Sohn Norbert obendrein bereits für diese Session als Kinderprinz fest. Das wäre zu viel geworden."

Tochter Ilona war bereits 1960 Kinderprinzessin gewesen, wollte das große Amt nicht. So kam die Familie auf die Idee, Tochter Anita als Prinzessin zu gewinnen. Und trotz oder auch wegen des Altersunterschiedes (der Prinz war 41, die Prinzessin 19) begeisterte das Paar die Rheydter Karnevalisten ebenso wie die Bürger. "Es war eine schöne Zeit", sagt Leni Pitz noch heute.

Prinz Hans XIII. hat auch für etwas gesorgt, das zur Tradition bis in die heutige Zeit geworden ist. "Weil der Rosenmontagszug in Rheydt nicht mehr klappte, haben wir den Rathaussturm zu einer Großveranstaltung gemacht." Der Wochenmarkt wurde verlegt, ein bundesweit durchs Fernsehen mit der Sendung "Zirkus Armin Dahl" bekannter Kletterkünstler wurde als Attraktion verpflichtet. 10 000 Menschen kamen am Rosenmontag 1965 auf den Rheydter Markt und sahen zusammen mit Ernst I. und Sigrid-Niersia XX. begeistert, wie Armin Dahl aufs Dach der Stadthauptkasse kletterte, das Rheydter Prinzenpaar mit Gefolge das Rathaus "stürmte", Oberbürgermeister Wilhelm Schiffer sich kampflos geschlagen gab und den riesigen Rathausschlüssel überreichte.

Pitz kann jeck sein und ernsthaft

Feiern, sich und anderen Freude machen: Das gefällt Hans Pitz seit seiner Jugend. Er hat dies aber nicht nur als Karnevalist getan. Sondern auch als Zauberer "Compera" mit Auftritten im privaten oder öffentlichen Kreis — und auch bereits 1954 einmal vor dem großen Publikum an den Bildschirmen der Republik in Peter Frankenfelds Fernseh-Show "Wer will, der kann".

Hans Pitz kann eben vieles: jeck sein und ernsthaft, zaubern und unterhaltsam sein — ob als Büttenredner oder auch als Conférencier.

(RP)
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