Serie: Was macht eigentlich...? Mönchengladbachs einziger Bundesminister

Mönchengladbach · 24 Jahre im Deutschen Bundestag, Minister für Bildung und Wissenschaft in der Regierung von Helmut Kohl, allerdings nur für knapp neun Monate: Professor Karl-Hans Laermann war gewiss kein Hinterbänkler. Doch ins Rampenlicht hat der Wickrather sich nie gedrängt.

Karl-Hans Laermann: Mönchengladbachs einziger Bundesminister
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Eigentlich hatte Karl-Hans Laermann Ende 1993 schon beschlossen, sich aus der Politik zurückzuziehen. "20 Jahre Bundestag sind genug", verkündete der Hochschulprofessor Ende 1993: Er wolle im kommenden Jahr mit dann fast 64 nicht noch einmal kandidieren, sondern wieder mehr Zeit für die Familie, sich selbst und auch noch ein wenig für die Wissenschaft haben.

Doch da hatte der Wickrather die Rechnung ohne seinen Parteifreund Rainer Ortleb gemacht: Der Thüringer trat Anfang Februar 1994 aus gesundheitlichen Gründen zurück, und die FDP hatte plötzlich einen Ministerposten in der Regierung Helmut Kohl neu zu besetzen: den für Bildung und Wissenschaft. Und sie befand nach erfolglosem Gezerre des NRW-Landesvorsitzenden Jürgen Möllemann in einer knappen Stichwahl mit Bundes-Vize Dr. Wolfgang Gerhard den geeigneten Kandidaten: den Professor aus Mönchengladbach, der (unter anderem) schon seit 1977 stellvertretender Vorsitzender des Bundestags-Ausschusses für Forschung, Technologie und Technikfolgenabschätzung war.

Kein vergeistigter Wissenschaftler, trotz seiner vier Ehrendoktor-Titeln in Prag, Brasov (Rumänien), Kosice (Slowakei) und Magdeburg sowie Gastprofessuren in Kanada, Kuwait, Indien und China. Sondern er war einer, der als später Alt-1968er einst kräftig demonstriert, aber auch ein handfestes Fachgebiet an der Universität hatte: experimentelle Statik und Baustatik. Einer, der nach dem Studium als Diplom-Ingenieur eigentlich das Baugeschäft seines Vaters in Beckrath hatte übernehmen wollen, dann aber als Dozent an der Technischen Hochschule in Aachen gelandet war - und 1974 im Bundestag.

Und nun, 20 Jahre später, auf einmal am 4. Februar 1994 im Kabinett von Bundeskanzler Helmut Kohl. Mit dem in diesem "Geschäft" nun mal vorhandenen Risiko, vom Wähler nicht nur für eigene Fehler bestraft zu werden. So, wie die FDP 1994. Die verlor kräftig Stimmen und in der sich knapp behauptenden Koalition mit der CDU/CSU einen ihrer vier Ministerposten. Und das traf Professor Laermann: Er blieb zwar über seinen Listenplatz ("natürlich hatte ich als Minister doch wieder kandidiert") im Bundestag. Doch "sein" Ministerium ging auf im neuen "Zukunftsministerium" für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie unter Jürgen Rüttgers, dem späteren NRW-Ministerpräsidenten.

Am 17. November 1994, achteinhalb Monate nach seiner Berufung zum Minister, war Prof. Laermann wieder nur Bundestagabgeordneter. Mönchengladbach hatte seinen bis heute ersten und einzigen Bundesminister verloren. 1998 machte Karl-Hans Laermann dann wahr, was er schon vier Jahre früher vorgehabt hatte: Er kandidierte nicht mehr. 24 Jahre Bundestag waren nun wirklich genug. Ohne Groll.

Laermann hat sich "nie "kaufen lassen: Ich war durch die Universität finanziell unabhängig, konnte meine Meinung immer frei vertreten. Mir wäre auch kein Zacken aus der Krone gebrochen, wenn ich aus der Politik hätte ausscheiden müssen. Denn ich hätte jederzeit nahtlos wieder an der Uni anfangen können. Ich hätte ja einen anständigen Beruf: Damit habe ich manchmal die Kollegen in der Politik geärgert - anständig mit zwei möglichen Betonungen."

Und dieser Beruf war nicht nur anständig, er war von ihm überzeugt. Auch, ehe er 1974 einen ganz anderen Weg einschlug: den in die Politik. Professor Laermann war nach 17 Jahren an der RWTH Aachen 1974 gerade als Ordentlicher Professor an die neue Bergische Universität Wuppertal berufen worden, sah dort seine Zukunft. Dass er sich hatte breitschlagen lassen, 1972 bei der FDP für den Bundestag zu kandidieren, hatte er ausgeblendet. "Bis ich auf einmal im Frühjahr in Wuppertal einen Anruf von Wolfgang Mischnik bekam, dem Vorsitzenden der FDP-Bundestagsfraktion. Ich solle mich doch langsam mal in Bonn sehen lassen. Oder ob ich das Amt etwa nicht anträte."

Professor Laermann hatte zwar mitbekommen, dass Walter Scheel Bundespräsident würde, seine persönlichen Konsequenzen daraus aber nicht: "Ich war über die Reserveliste auf einmal Nachrücker in den Bundestag." Und dann hat er sich nach einigem Überlegen mit seiner Frau Hilde entschlossen, nach A nun auch B zu sagen: Er ging nach Bonn. Wo er sein Feld im Bereich Technologie, Bildung und Forschung sah. Auch angesichts der Frage, wie lange das mit Bonn dauern würde: "Ich will fachlich den Anschluss nicht verpassen, das kann ich mir nicht leisten", sagte er damals der RP.

Ein Berufspolitiker, der sich ganz von seiner Wiederwahl abhängig mache, wolle er jedenfalls nicht werden: "Ich will mich auch nicht in eine Abhängigkeit begeben, will nicht soviel in Politik machen, dass ich hinterher nicht mehr zurück kann", sagte er 1974. Daraus geworden sind 24 Jahre Bundestag mit viel Anerkennung, aber ohne das Rampenlicht, das er nicht wollte. Bis halt 1994 das Amt als Kohls Minister kam. "Doch auch da habe ich mir meine Unabhängigkeit bewahrt."

(RP)
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