Serie Was macht eigentlich? Moog: "Ich bin der Verrückte des Theaters"

Mönchengladbach · Er ist examinierter Opern- und Konzertsänger – und wurde Werbeleiter des Stadttheaters. Willi- Friedrich Moog hat hier 24 Jahre um Besucher und mit den Intendanten gekämpft. Bei seinen Benefizkonzerten kam eine Million Euro zusammen. Auch mit 77 Jahren macht er weiter.

Moog, der lyrische Tenor aus Mönchengladbach
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Er ist examinierter Opern- und Konzertsänger — und wurde Werbeleiter des Stadttheaters. Willi- Friedrich Moog hat hier 24 Jahre um Besucher und mit den Intendanten gekämpft. Bei seinen Benefizkonzerten kam eine Million Euro zusammen. Auch mit 77 Jahren macht er weiter.

Er kann auch schon mal anstrengend werden, sogar nerven. Aber abwimmeln lässt er sich nur schwer. Willi-Friedrich Moog (77) sagt über sich: "Ich war und bin immer noch ein Verrückter — ein Verrückter des Theaters." Einer, der in Mönchengladbach ab Mitte der 70er Jahre bekannt wurde wie der berühmte bunte Hund: zunächst als Werbeleiter des Stadttheaters. Und dann als der Mann, der bei mehr als 250 Benefizkonzerten und mit zahllosen Auftritten etwas für benachteiligte Menschen oder Senioren tat — und sich gleichzeitig so doch noch ein Stückchen seines eigenen Traums erfüllte: als Sänger zu erfreuen und gefeiert zu werden.

Willi-Friedrich Moog, hat ein Vierteljahrhundert, "meist 14 bis 16 Stunden am Tag, von montagmorgens bis sonntagabends", sagt er, für ein Ziel gearbeitet: dem Theater die Ränge zu füllen. Es war ein erfolgreicher Kampf, der aber zwischenzeitlich schwierig wurde: Die Besucherzahlen gingen Mitte der 80er Jahre in den Keller, "2000 Abonnenten kündigten." Wofür Willi-Friedrich Moog Intendant Eike Gramss mit seiner anspruchsvollen, "für das breite Publikum unattraktiven Programmauswahl" verantwortlich machte und sich mit ihm öffentlich anlegte, aber weiter für das Theater warb: "Ich bin hingegangen und habe die Leute nach der Vorstellung beschwichtigt."

Die Auseinandersetzung mit Gramss und dem städtischen Kulturdezernenten Dr. Busso Diekamp endete 1986 nach einjährigem Rechtsstreit durch zwei Instanzen vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf damit, dass die Moog erteilten Abmahnungen wegen angeblich schädigenden Verhaltens gegenüber dem Haus zurückgenommen wurden. Sein Rauswurf scheiterte. Das breite Publikum, das monatelang in zahllosen Leserbriefen auf Moogs Seite gekämpft hatte, applaudierte. "Die Besucher kamen wieder in Scharen. Bis zu meinem Ausscheiden im Herbst 1997 waren die Vorstellungen zu 90 bis 100 Prozent ausverkauft", sagt Moog.

Das Publikum applaudiert auch heute noch. Denn Willi-Friedrich Moog ist zum Entertainer geworden. Auftritte als Solosänger in Operetten und Opern sind ihm versagt geblieben. Zu mehr als einem dreivierteljährigen Engagement 1964 als Chorsänger am Rheydter Theater reichte es nicht — dann endete die Selbstständigkeit des Hauses, das bis zum Zusammenschluss mit Mönchengladbach-Krefeld von Aachen bespielt wurde. Moog stand auf der Straße und nahm sein abgebrochenes Studium an der Musikhochschule wieder auf, nun in Köln. 1971 bestand er sein Examen als Opern- und Konzertsänger.

Ein Engagement als Solosänger gab es aber auch dann nicht: "Damals kamen viele Amerikaner nach Deutschland. Das drückte auf die Preise." Moog erhielt schließlich auf Empfehlung des Gladbacher Musikschulleiters Karl Fegers und durch Vermittlung des Rheydter Oberbürgermeisters Heinz Rahmen ("Ihn kannte ich aus der CDU") den Job als Werbeleiter der Vereinigten Städtischen Bühnen Krefeld und Mönchengladbach.

Gladbach bekam einen manchmal schwierigen ("Ich habe meine Meinung stets offen gesagt"), aber sehr fleißigen und einfallsreichen "Klinkenputzer", wie er sich selbst nennt. Willi-Friedrich Moog besuchte alle Schulen, die Volkshochschule, fuhr ins Umland: nach Viersen, Meerbusch oder Grevenbroich. Ihn wegzuschicken, das half nicht. Er kam wieder: "Mich wird man nicht so schnell los." Sogar in Venlo und Roermond warb Moog Besucher: "Wo ich Leute fand, habe ich sie angesprochen. Und dann war das Theater voll. So viele Jugendliche waren noch nie da, dazu kamen sie zu den Jugendkonzerten." Einmal eiste er mithilfe von Sponsoren Karten für eine Sonderaktion los: "Da kamen 300 Schüler, zum Teil in Bussen — für zwei Mark pro Karte."

Neben dem Job als Werbeleiter begann Willi-Friedrich Moog seine zweite "Karriere", bei der er auch etwas für sein Ego tut: als lyrischer Tenor mit großer Gestik, der die Menschen abseits der Opernbühne begeistert. "Bei meinen mehr als 250 Benefizkonzerten kam etwa eine Million Euro zusammen: für Behinderte, krebskranke Kinder, Obdachlose, Blinde, Krankenhäuser, Seniorenheime, die Gladbacher Tafel und andere gemeinnützige Organisationen", zählt er auf. Für dieses Engagement, dazu zwei Jahrzehnte als Schöffe bei Gericht, hat er 1985 das Bundesverdienstkreuz am Bande und 1994 sogar das 1. Klasse erhalten. 1997, mit 60 Jahren und zwei Bypässen, hörte er auf Rat seines Arztes beim Theater auf.

Aber nicht mit dem Singen: "Das ist mein Leben, das mache ich, solange es irgendwie geht. Ich übe jeden Tag eine halbe Stunde, Gesang und auch am Klavier. Und spiele Saxofon." Der 77-Jährige hält sich fit: in der Herzsportgruppe, schwimmt dreimal in der Woche 500 Meter. Bis heute tritt Willi-Friedrich Moog ("Ich werde immer noch geholt") als gefeierter "Stargast" auf: in Seniorenheimen und Kirchenkonzerten, bei Hochzeiten, Betriebsfesten, bunten Abenden. Doch es wird weniger: "Weil gespart wird, sich Heime oder Kirchengemeinden die 100 oder 150 Euro für mein Honorar nicht mehr leisten können."

Moogs Repertoire: klassische und geistliche Lieder, Opern- und Operettenmelodien, Musicals, Volkslieder aus aller Welt und Evergreens. "Stücke, die alle kennen, mitsingen oder summen können." Einer seiner Favoriten: "Ob blond, ob braun, Ich liebe alle Frau'n". Da schmilzen manche glatt dahin.

(RP)
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