Mönchengladbach So robust ist der Arbeitsmarkt

Mönchengladbach · Weniger Arbeitslose, mehr sozialversicherungspflichtige Stellen, gesunkene Jugendarbeitslosigkeit: Das herausfordernde Jahr 2016 hat Mönchengladbach gut gemeistert. Wieder angestiegen ist hingegen die Zahl der Langzeitarbeitslosen.

 Agenturchefin Angela Schoofs stellte gestern die Arbeitsmarktbilanz für das Jahr 2016 vor.

Agenturchefin Angela Schoofs stellte gestern die Arbeitsmarktbilanz für das Jahr 2016 vor.

Foto: Detlef Ilgner

Jahrelang dümpelte der Mönchengladbacher Arbeitsmarkt vor sich hin. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg zwar sukzessive, doch die Zahl der Arbeitslosen schwankte stets nur marginal rauf und runter. Das hat sich spätestens 2016 geändert: Das Jahr wird in die Geschichte eingehen als dasjenige, in dem die Arbeitslosenquote erstmals nach 15 Jahren wieder unter die magische Zehn-Prozent-Marke fiel. Im Oktober war das. Dass die Quote im November und nun ganz aktuell im Dezember weiter gesunken ist, auf mittlerweile nur noch 9,4 Prozent, löst da schon kaum noch Begeisterungsstürme mehr aus, obwohl es alles andere als selbstverständlich ist - bundes- und landesweit sind die Zahlen gegenüber November nämlich leicht angestiegen. Doch auch an zahlreichen weiteren Punkten lässt sich festmachen, dass 2016 ein zwar herausforderndes, aber gutes Jahr für den Arbeitsmarkt war.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist weiter gestiegen. Ganz aktuell hat die Agentur die Zahl für den Stichtag 30. Juni 2016 veröffentlicht: 93.725 Menschen in Mönchengladbach waren da sozialversicherungspflichtig beschäftigt. 1,3 Prozent mehr als im Vorjahr - und mal eben 8000 mehr als vor fünf Jahren. Solche starken Zahlen gab es zuletzt rund um den Wiedervereinigungsboom Anfang der 90er. Noch vor zweieinhalb Jahren hoffte man darauf, die Marke von 90.000 zu knacken - jetzt dürften als nächstes, ehrgeiziges Ziel die 100.000 ausgegeben werden.

Logistik ist dabei keineswegs überproportional vertreten. Noch immer muss die Logistikbranche mit Vorurteilen kämpfen, die auch nicht immer ganz von der Hand zu weisen sind. Es ist aber definitiv mitnichten so, dass die neuen Stellen "nur" in der Logistik entstehen. Im Gegenteil: "Verkehr und Lagerei" ist in Gladbach nur der fünftstärkste Wirtschaftszweig (7309 Stellen) und war 2016 sogar leicht rückläufig (minus vier). Die stärksten Wirtschaftszweige sind Gesundheits- und Sozialwesen (16.452 Stellen), Verarbeitendes Gewerbe (15.869) und Handel (inklusive Instandhaltung und Reparatur von Kfz, 14.646). Die stärksten Zuwächse gab es 2016 im Gesundheits- und Sozialwesen (plus 502), bei den wirtschaftlichen Dienstleistungen (ohne Zeitarbeit; plus 236) und in der öffentlichen Verwaltung (plus 181). Für 2017 stellt Angela Schoofs, Geschäftsführerin der Arbeitsagentur, jedoch wieder Zuwächse bei der Logistik durch Einmaleffekte in Aussicht - etwa durch die Erweiterung von Esprit im Regiopark sowie Neuansiedlungen im Krefelder Hafen.

Alle Zielgruppen profitieren von der guten Entwicklung. So ist etwa die Quote der Jugendarbeitslosigkeit in der Stadt im Jahresdurchschnitt seit 2014 von 11,2 Prozent auf 8,6 Prozent in 2016 gefallen. Zwei Drittel der Betroffenen sind nach wie vor SGB-II-Empfänger. Der "Kärrnerarbeit, bei diesen Jugendlichen die lebenslange Grundsicherung als Lebensziel zu verhindern", habe sich die Arbeitsagentur, im Verbund mit ihren Netzwerkpartnern, in den letzten Jahren intensiv gewidmet, so Schoofs. Mit Erfolg, wie man sieht, auch wenn weiter viel Arbeit zu verrichten ist. Noch stärker als bisher will sich die Agentur 2017 der Gruppe der Langzeitarbeitlosen widmen. Denn hier kann sie zwar über ihre beiden Gebietskörperschaften hinweg - die Stadt Mönchengladbach und den Rhein-Kreis Neuss - einen stetigen Rückgang vermelden. Blickt man jedoch gesondert auf Gladbach, ist die Zahl 2016 wieder leicht gestiegen, von 5591 im Vorjahr auf 5712. Schoofs gibt zu, hier ein "wahnsinniges Problem" vor der Brust zu haben, verweist jedoch auf gute Aussichten für 2017: "Weil die Perspektiven besser werden, weil in den Betrieben der Wunsch nach erfahrenen Arbeitskräften wieder anzieht und weil auch die Bereitschaft steigt, Mitarbeiter fort- und weiterzubilden."

Der Stellenmarkt bewegt sich weiter auf gutem Niveau. 2016 wurden in Gladbach und im Rhein-Kreis 17.095 offene sozialversicherungspflichtige Stellen gemeldet - 500 weniger als 2015. "Weil der Kick durch eine große Neuansiedlung à la Zalando fehlte", sagt Schoofs. Die Kurve übers Jahr gesehen ist folgerichtig frei von Ausschlägen - aber bewegt sich auf gutem Niveau von meist um die 1500 Stellen.

Der Abbau der Arbeitslosigkeit spielt sich maßgeblich im Bereich SGB II ab. Es gab im Dezember in Gladbach 11,7 Prozent Arbeitslose weniger als vor Jahresfrist. Dieser Bomben-Wert verdient einer genauen Betrachtung. 12.686 Gladbacher galten im Dezember als arbeitslos, im Vorjahresmonat waren es noch 1679 mehr gewesen. Die Quote sank im selben Zeitraum von 10,7 auf 9,4. Erfreulicherweise, und entgegen der gängigen Vorurteile spielte sich der Abbau im oftmals als "verkrustet" angesehenen Bereich der Grundsicherung (SGB II) ab: Dort gibt es derzeit 1540 Arbeitslose als vor einem Jahr, die anteilige SGB-II-Arbeitslosenquote sank von 8,7 auf 7,5 Prozent. Indes: Noch immer sind 80 Prozent der Arbeitslosen in Mönchengladbach Hartz-IV-Empfänger, im Rhein-Kreis sind es nur 67 Prozent. "Das ist der Unterschied zwischen einem großstädtisch geprägten Bereich und einem eher ländlich geprägten Kreis", sagt Schoofs. Das zu bohrende Brett wird für die Arbeitsagentur diesbezüglich also auch 2017 sehr dick bleiben.

Auch die Unterbeschäftigungsquote ist (leicht) rückläufig. Es ist ein gängiges Argument: Mag die Arbeitslosigkeit auch sinken - dann werden die Betroffenen in den Arbeitsmarktberichten halt in irgendwelchen anderen Spalten versteckt. Doch auch die Jahresdurchschnitte der Quoten für die so genannte Unterbeschäftigung im Agenturbezirk sind rückläufig, von 10,2 Prozent in 2014 auf 9,6 (vorläufiger und hochgerechneter Wert) in 2016. Unter diesem Begriff zusammengefasst sind alle, die sich in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen befinden oder einen Sonderstatus haben, aber nicht im engeren Sinne als arbeitslos gelten. Rechnet man all diese Komponenten hinzu, werden aus 25.290 Arbeitslosen im Agenturbezirk (12.686 aus Gladbach, 12.604 aus dem Rhein-Kreis) schon 35.854 - und das sind dann 400 mehr als vor einem Jahr. Der Anteil der Arbeitslosigkeit an der Unterbeschäftigung ist deutlich, um zehn Prozent, gesunken. Das alles wiederum ist nicht zwangsläufig etwas Schlechtes. "Sondern nicht zuletzt Resultat unserer Qualifizierungsoffensive 2016", sagt Schoofs. Im vergangenen Jahr wurden demnach 45 Millionen Euro für 8706 Neueintritte in Förderungs- und Qualifizierungsmaßnahmen gesteckt, für 2017 werden 7700 weitere avisiert. "Da wird niemand in der Statistik verheimlicht, sondern da wird etwas gemacht, um verhärtete Arbeitslosigkeit aufzubrechen oder gar nicht erst entstehen zu lassen."

Flüchtlinge werden zunehmend fit für den Arbeitsmarkt. 5700 Flüchtlinge werden im Agenturbezirk betreut, davon sind nur 17 Prozent sofort für den Arbeitsmarkt verfügbar. Daher verwundert es nicht, dass 23,1 Prozent der 8706 Eintritte im Rahmen der Qualifizierungsoffensive auf geflüchtete Menschen entfielen - im Wesentlichen fachspezifische Qualifizierungen, vorbereitende Kurse und Bewerbungstrainings. Erfreulich: "Mit den 1600 Menschen, mit denen wir Ende 2015 in Sprachkursen starten, haben wir weitergearbeitet."

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort