Mönchengladbach So viel Textil steckt noch in Mönchengladbach

Mönchengladbach · Heute beginnt die textile Nachwuchsmesse "MG zieht an" auf dem Campus der Hochschule Niederrhein. Gladbach ist nach wie vor mehr eine Textil-Hochburg, als die meisten denken.

Fabrikverkäufe und Outlets in Mönchengladbach
Infos

Fabrikverkäufe und Outlets in Mönchengladbach

Infos
Foto: ddp, ddp

Ja, ja, früher war alles besser. . . und als Textil-Hochburg hat Gladbach doch längst ausgedient. Wirklich? Nun, sicher sind die Zeiten vorbei, als die Stadt als rheinisches Manchester galt, schwarzer Ruß über den allgegenwärtigen Schornsteinen waberte und Zehntausende in den Textil(maschinen)fabriken arbeiteten. Viele Firmen, zuletzt Oerlikon und somit Schlafhorst, haben der Stadt den Rücken gekehrt oder sind zugrunde gegangen, Arbeitsplätze gingen verloren. Doch diese Zeiten sind auch im echten Manchester längst passé und häufig nur noch dort — in negativer Form — aktuell, wo, wie jüngst in Bangladesch gesehen, die Arbeiter unter Einsatz ihres Lebens ausgebeutet werden.

Dass Mönchengladbach nach wie vor eine Textilstadt ist, nur mit einem frischeren und zukunftsträchtigeren Antlitz, zeigt nicht zuletzt die heute beginnende Recruiting- und Innovationsmesse "MG zieht an" an der Hochschule Niederrhein: Die Hochschule ist der europaweit wohl größte Ausbilder im Textilbereich, die Studenten sind auf dem Markt höchst gefragt, die Messe ist die bundesweit größte für den textilen Nachwuchs.

Bei ihrer mittlerweile achten Austragung hat sie sich durch hochkarätig besetzte Podiumsdiskussionen, Modenschauen, Workshops und Matchinggespräche zu einem veritablen textilen "Pfund" gemausert. Rund 7000 Besucher werden erwartet.

Doch auch anhand anderer Faktoren lässt sich unschwer ablesen, dass die Textil- und Modewirtschaft in Mönchengladbach durchaus eine Zukunft hat.

1328 Beschäftigte in der Textil- und Bekleidungsindustrie wurden 2012 in Gladbach laut Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittlerer Niederrhein noch gezählt, und vieles davon ist Marketing, Verwaltung, Einkauf. Es waren einmal rund 10 000 Arbeitsplätze. Doch: Mit einem so genannten Lokalisationsquotienten von 3,39 Prozent hat die Branche in der Stadt immer noch ein etwa viermal so starkes Gewicht wie in Gesamt-NRW. "Mönchengladbach ist also nach wie vor ein gefragter Textilstandort", sagt Rainer Növer, bei der IHK zuständig für Standortpolitik.

Große Namen

Als ihre "letzten Mohikaner" im Textilsektor bezeichnet die IG Metall gerne Trützschler und Aunde (Achter und Ebels). Doch auch andere Firmen, beispielsweise die Tuchfabrik Willy Schmitz und Nachfolgerunternehmen des früheren Monforts-Imperiums, dürfen dabei nicht vergessen werden. Zudem haben hoch angesehene Modemarken wie van Laack, Alberto, Gardeur und Cinque ihren Sitz in der Vitusstadt, Mexx knapp hinter der Stadtgrenze in Korschenbroich.

Neuansiedlungen

Esprit und das irische Modeunternehmen Primark haben sich im Regiopark angesiedelt und dort Großlager errichtet, von denen aus ganz Westeuropa beliefert wird. Auch das und die dadurch entstehenden Arbeitsplätze sind dem Status "Textilstadt" sicherlich nicht abträglich. Ebenfalls neu in Gladbach ist die türkische Firmengruppe Anka Textil. Atalay Nadirler, Geschäftsführer des Zusammenschlusses von elf türkischen Textilunternehmen, hat zunächst einen Showroom eröffnet, aber noch viel größere Pläne in petto: Er will Gladbach zum zentralen Umschlagplatz der türkischen Modeindustrie in Europa machen und eine permanente Messe für Hunderte kleiner Firmen einrichten.

Innovation

Wer nicht mit der Zeit geht, wird von der Zeit überholt — noch besser ist es, ihr ein bisschen voraus zu sein. Das haben etliche Gladbacher Unternehmen aus der Textilindustrie dankenswerterweise rechtzeitig verstanden. Junkers & Müllers etwa, das einst mit der Produktion von Stoffen für Regenschirme begann, fertigt heute etwa Media-Textilien für Werbebanner und zuletzt aus einem eigens dafür entwickelten Material den Stoff für Christos Kunstwerk "Big Air Package" am Oberhausener Gasometer. Die Glasweberei Klevers, als Seidenweberei gestartet, macht heute technische Textilien aus Glasfasern. Professor Rudolf Haug, Dekan des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik an der Hochschule, prophezeit, dass schon in Kürze Gegenstände aus Textilien sein werden, von denen sich das heute noch keiner vorstellen kann — wie Tische.

Nostalgie

Die Spuren der textilen Vergangenheit sind vielerorts, aber nicht überall verwischt: Das Textilmaschinendepot in den Fabrikhallen der Boetzelen-Höfe beherbergt 250 historische Webstühle und andere Maschinen. Im Gespräch ist ein Umzug in die Monforts-Halle, die der Event-Veranstalter "Noi!" betreibt — und somit ein Stück Industriegeschichte erlebbar macht. Auch das Wickrather Kunstwerk war einst übrigens eine Lederfabrik.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort