Mönchengladbach So wird das JHQ zum Geschenk für die Stadt

Mönchengladbach · Hochschule, Windanlagen, Freizeitpark, Festival-Gelände – für das 420 Hektar große Areal des Hauptquartiers hat es mehrere Nutzungsideen gegeben. Die anfängliche Skepsis ist gewichen, von Renaturierung ist kaum noch die Rede.

Abschied der Briten: Tag der offenen Tür im Hauptquartier
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Hochschule, Windanlagen, Freizeitpark, Festival-Gelände — für das 420 Hektar große Areal des Hauptquartiers hat es mehrere Nutzungsideen gegeben. Die anfängliche Skepsis ist gewichen, von Renaturierung ist kaum noch die Rede.

Es ist wie im Märchen, wenn sich anfängliche Tristesse zum Positiven wandelt und den Weg frei macht für neues Glück und andere Sichtweisen: Ähnlich ist die Situation im Joint-Headquarter (JHQ), als die Briten 2008 verkündeten, es ab 2010 in mehreren Etappen verlassen zu wollen. 2014, so hieß es damals, sollte das 420 Hektar große Areal verlassen sein — dies geschah dann sogar bereits einige Monate früher. Wo rund 6000 Menschen, darunter etwa 1000 Zivilisten, lebten und arbeiteten und heute noch fast 2000 Gebäude stehen, sollte wieder Wald wachsen? Dies erschien undenkbar.

Wer die Diskussionen anfangs verfolgte, erlebte eine fast schon depressive Stimmung in der Politik. Als neues Wohngebiet nicht nutzbar, weil zu weit weg vom Schuss. Als zusätzliches Gewerbegebiet kaum einzuplanen, weil die Bezirksregierung dies nicht genehmigen würde — da schien es keine andere Lösung zu geben, als das Gelände der Natur zu überlassen.

Den Vorschlag, das ganze Areal zu renaturieren, würden heute nur unverbesserliche Pessimisten äußern. Denn seit der Bekanntgabe der Abzugspläne hat sich viel getan. Dass eine europaweit agierende Konzertagentur ein Konzept vorgelegt hat, wie ein Teil des Geländes für mehrtägige Open-Air-Festivals genutzt werden kann, ist der beste Beweis, dass ein Umdenken stattgefunden hat. Das JHQ hat Zukunft — nur die Richtung ist noch unklar und hängt maßgeblich davon ab, was Stadt und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) wollen.

Der erste größere Aufschlag, das Gelände für eine Hochschule mit den speziellen Ausrichtungen "Energie" und "Sport" zu nutzen, war zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung schon wieder in der Schublade verschwunden. Denn das Land, das zwei neue Hochschul-Standorte suchte, hatte sich zu diesem Zeitpunkt zumindest hinter verschlossenen Türen für andere Lösungen entschieden. Mönchengladbach hatte von vornherein schlechte Karten, weil die Stadt bereits Hochschul-Standort ist. Auch ein Energie-Innovationspark war schnell vom Tisch.

Die städtische Wirtschaftsförderung reagierte schnell und schlug neue Projekte vor: ein Golfpark, in dem man Ferienhäuser und -wohnungen mieten kann. Und auch der in Mönchengladbach immer einmal wieder vorgetragene Wunsch, die Stadt für eine Bundesgartenschau in die Diskussion zu bringen, tauchte auf. Die Ideen kamen und blieben Seifenblasen: Es fand sich niemand, der so ein Vorhaben umsetzen wollte. Und unter der Überschrift "Das JHQ ist nichts mehr wert" fasste die RP den Stellenwert des 420-Hektar-Geschenks so zusammen: "Noch gibt es keine einzige realistische Idee für die Zeit nach dem Abzug der Briten. Selbst als Wald käme das Riesenareal die Stadt teuer zu stehen. Das Gelände kann zum Sicherheitsrisiko werden."

Dass schließlich nur noch von Insel-Lösungen inmitten eines renaturierten Geländes gesprochen wurde, spiegelte die Situation damals wider. Der mögliche Bau von mehreren Windkraftanlagen galt damals schon als bahnbrechend. Als Energieexpertin Claudia Kemfert vor der NRW-Landtagswahl — sie war im Schattenkabinett von Norbert Röttgen (CDU) als Ministerin für ein neues Energie- und Klimaministerium vorgesehen — das JHQ als Energiepark ins Spiel brachte, schien das Gelände eine Bestimmung zu bekommen. Eine Zukunft war dies nicht: Von höchstens sieben Windrädern war am Ende nur noch die Rede. Und auch die Idee von zwei Gladbachern, das Areal für Fünf-Sterne-Hotel, Kindertagesstätten, Privatschule, Wellnesskomplex, Erlebnisgastronomie, Akademie für Wissen und Weisheit, Künstlerateliers, Skaterhalle und einem 36-Loch-Golfplatz zu nutzen, wurde in der Politik ernsthaft nie verfolgt.

Dies änderte sich schlagartig im vergangenen Jahr. Zunächst kam die Hockeypark-Gesellschaft mit der Idee, ein Teil des Geländes für Open-Air-Konzerte zu nutzen. Weil das Vorhaben reizvoll ist, folgten Gespräche mit Stadt und Bima. Auch Gladbachs Politiker sicherten wohlwollende Prüfung zu. Einen Teil des Areals für eine Erstaufnahme-Stelle für Flüchtlinge zu nutzen, forcierten die rot-grüne Landesregierung und SPD-Oberbürgermeister Norbert Bude. Eine Umsetzung würde sich positiv im städtischen Etat niederschlagen, denn die Stadt könnte dann ihre eigenen Flüchtlingsheime schrittweise auflösen.

Als das saudi-arabische Königshaus schließlich Interesse anmeldete, auf 60 Hektar einen Vier-Jahreszeiten-Themenpark bauen zu lassen, war klar — jetzt denkt man nicht mehr im Kleinen, sondern im Großen. Der Vorstoß der Lieberberg Konzertagentur, die den geplanten Open-Air-Schauplatz konzeptionell entwickelte, passt da ins Bild. Von Renaturierung und versprenkelten Windrädern spricht niemand mehr.

Besonders interessant: Es sind auch Mehrfach-Nutzungen durchaus möglich. Freizeitpark, Festival-Gelände und Flüchtlings-Sammelstelle schließen sich nicht aus — das Gelände ist groß genug.

(RP)
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