Doppel-Interview Ronny Rogawska Und Kai Faltin "Frisches Blut hat auch seinen Reiz"

Mönchengladbach · Der Trainer und der Sportliche Leiter sprechen über den Umbruch, den Handball-Drittligist TV Korschenbroich vollziehen muss.

 Die Bank des TVK ist derzeit arg leer - viel Platz für Physiotherapeutin Daniela Offermanns, Trainer Ronny Rogawska und Manager Kai Faltin.

Die Bank des TVK ist derzeit arg leer - viel Platz für Physiotherapeutin Daniela Offermanns, Trainer Ronny Rogawska und Manager Kai Faltin.

Foto: Theo Titz

Herr Rogawska - Sie haben im vergangenen Februar Ihren Vertrag beim TV Korschenbroich bis Juni 2018 verlängert. Bereuen Sie es jetzt?

Rogawska Nein, ich bereue das definitiv nicht. Warum auch?

Weil sieben Spieler (siehe Info-Box) Ihre Mannschaft verlassen.

Rogawska (grinst) Ich spreche ja auch mit den Spielern und weiß, dass sie nicht wegen mir weggehen. Faltin Wir haben einen der besten Trainer der Dritten Liga, der mit jungen Spielern sehr gut arbeiten kann. Der sie so weiterentwickelt, dass andere Vereine sie haben wollen.

Aber fuchsen Sie die Abgänge nicht?

Faltin Natürlich hätten wir uns das anders gewünscht. Es ist traurig, dass wir eine komplett neue Mannschaft zusammenstellen müssen - aber das birgt auch Chancen für Neuanfänge. Rogawska Sicher ist es ärgerlich, dass so viele auf einmal gehen. Letztes Jahr haben wir bis auf zwei Torhüter den Kern zusammengehalten, aber der Kern bricht dann dieses Jahr weg. Was mich aber erfreut ist die Entwicklung, die bei dem ein oder anderen extrem nach oben gegangen ist. Wir haben eine super Zusammenarbeit und ich entwickle die jungen Spieler weiter. Max Zimmermann zum Beispiel kam von Krefeld zu uns, jetzt liegt er auf Platz eins der Torjägerliste in der Dritten Liga. Und Justin Müller geht zu TuSEM Essen in die Zweite Liga.

Er wurde vom Verein so zitiert, dass bei TuSEM gut mit jungen Spielern gearbeitet würde. Bei Ihnen nicht?

Rogawska Ich finde schon. Wir haben viele junge Spieler entwickelt. Justin ist doch ein gutes Beispiel. Er ist jetzt das dritte Jahr bei uns und hat eine super, super Entwicklung gemacht, so dass TuSEM ihn will. Faltin Außerdem war es von Anfang an Justins Wunsch, Zweite oder sogar Erste Liga zu spielen. Das hat er von Anfang an gesagt. TuSEM war schon letztes Jahr an ihm dran, und es bringt nichts, Spieler zu halten, die dann unzufrieden würden. Was stimmen muss, und das ist auch immer unsere erste Frage an mögliche neue Spieler, ist das Herzblut.

Vermissen Sie das bei den Abgängen?

Faltin Da liegen ja unterschiedliche Gründe vor. Justin können wir die sportliche Perspektive Zweite Liga nicht bieten. Bei anderen waren vielleicht andere Aspekte wichtiger. Gründe, die für uns schwer zu verbalisieren sind. Wenn mich einer Anfang/Mitte Oktober, da sind gerade mal fünf, sechs Spieltage um, fragt, wie denn die Mannschaft nächste Saison aussieht, weil er überlegt, woanders hinzugehen und bereits ein konkretes Angebot auf dem Tisch liegt, dann bin ich nicht mehr richtig mit Herzblut bei der Sache, sondern gedanklich schon beim Absprung. Dieser Zeitpunkt ist doch sehr verfrüht und hat mich insgesamt sehr überrascht. Und wenn ein Korschenbroicher Jung und Kapitän geht, müssen andere Sachen zugrundeliegen, die ihm wichtiger sind.

Sie meinen Zimmermann, der gleich zu einem Trio gehört, das zu Liga-Konkurrent Krefeld wechselt. . .

Rogawska Dass Krefeld drei Spieler von uns holt, ist legitim, aber ich würde das nicht machen. Ich hätte dann lieber frisches Blut, das hat auch seinen Reiz. Faltin (lacht) Insgesamt hat Krefeld jetzt zehn ehemalige TVKler geholt. Uns war nicht klar, dass wir eine Kooperation mit Krefeld haben . . .

Dafür aber mit Bayer Dormagen, von wo Sie Spieler, die es dort nicht in die Erste Mannschaft schaffen, bekommen sollen. Klappt das schon zur neuen Saison?

Faltin Es ist ein Agreement zwischen den Vereinen, um sich breiter aufzustellen. Jeder muss aber seine Hausaufgaben machen. Dormagen sieht viel Potenzial in den eigenen Reihen, kann aber nicht alle Spieler unterbringen. Deshalb haben sie einen vernünftigen Verein gesucht, wo diese Spieler dann Spielpraxis erhalten und im Training weiterentwickelt werden. Rogawska Wir reden schon darüber, wer infrage kommen könnte für uns. Gleichzeitig müssen wir aber auch selber neue Spieler finden. Wir können und werden uns nicht zurücklehnen und denken, Dormagen macht schon alles und wir machen nur die Hallentür auf und dann kommen zwölf Spieler reingelaufen.

Ist es gerade für die Dritte Liga schwer, neue Spieler zu finden, weil es zu professionell für ein Hobby, aber auch noch nicht Erste oder Zweite Liga ist?

Rogawska Das ist schon so, ja. Es sind aber noch andere Facetten dabei. Krefeld, Neuss, Dormagen, Ratingen und wir - das sind allein fünf Mannschaften, die quasi auf den gleichen Markt gucken. Und der ist auch sehr begrenzt. Und wir haben weniger Optionen, was wir den Leuten anbieten können. Faltin Man sucht natürlich sportliche Qualität, aber die Masse ist auch nicht mehr so da wie vor zehn Jahren. Und zur Qualität muss Mentalität da sein, und auch von der wirtschaftlichen Seite muss es passen. Wir sind sicher nicht die Krösusse der Liga, aber wir wollen, dass Aufwand vernünftig vergütet wird.

Sie haben gerade in Woldo Athletic einen neuen Partner vorgestellt. Haben Sie bald zu viel Geld für zu wenig Spieler?

Faltin (lacht) Nein, sicher nicht. Es ist ja hier in der Region so, dass sich viel auf Borussia konzentriert. Dass kurz vor den Toren von Mönchengladbach auch ein gepflegter Ballsport betrieben wird, wissen viele vielleicht gar nicht. Sponsoren können immer anklopfen, und wir finden dann das passende Paket. Und ein Besuch in der Halle zu einem unserer Heimspiel kann das Interesse sicher wecken.

Wo sehen Sie den TVK in fünf Jahren?

Rogawska Von jetzt in fünf Jahren zu blicken, ist sehr schwer. Der erste Schritt muss jetzt mit aller Macht der Klassenerhalt sein. Für nächstes Jahr müssen wir unsere Hausaufgaben machen und eine Mannschaft mit Qualität auf die Beine stellen. Dazu müssen wir uns als Verein weiterentwickeln, mit Sponsoren und allem drumherum. Und wenn man das Jahr für Jahr macht, kann man sich als vernünftiger Drittligist mit der Zielsetzung Mittelfeld mit Kontakt nach oben etablieren. Aber es wird schon ein steiniger Weg, weil wir diesen riesen Umbruch haben.

Das haben Sie ja nie selber erfahren. In Ihrer Vita stehen nur drei Vereine.

Rogawska Ich bin eine treue Seele. Ich habe aber auch das Glück gehabt, dass es drei super Vereine waren, bei denen ich mich sehr wohlgefühlt habe. Und wohlfühle.

GEORG AMEND FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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