Wolfgang Rombey Und Axel Tillmanns "Wir müssen Athleten fördern und hier halten"

Mönchengladbach · Der Präsident und der Geschäftsführer des Stadtsportbundes sprechen über die anstehenden Großereignisse wie Marathon, Tour de France und Big Air, neue Vereine, Fusionen und einen neuen Posten - den Beauftragten für Leistungssport.

 Stadtsportbund-Geschäftsführer Axel Tillmanns (links) und Präsident Wolfgang Rombey sehen die Sportstadt Mönchengladbach gut aufgestellt, wissen aber auch um die Bedeutung kommender Aufgaben.

Stadtsportbund-Geschäftsführer Axel Tillmanns (links) und Präsident Wolfgang Rombey sehen die Sportstadt Mönchengladbach gut aufgestellt, wissen aber auch um die Bedeutung kommender Aufgaben.

Foto: Georg Amend

Der Marathon am Samstag, die zweite Etappe der Tour de France am 2. Juli und das Big Air Anfang Dezember - wie profitiert Mönchengladbach von diesen Veranstaltungen?

 Die Rollbrett-Union hat mit dem Rollmarkt eine eigene Halle.

Die Rollbrett-Union hat mit dem Rollmarkt eine eigene Halle.

Foto: ikr (Archiv)

Rombey Aus Stadtmarketing-Gründen sind das alles gute Sachen. Natürlich fragen einige: So ein schnelles Ereignis wie die Tour de France - was nützt das? Aber wenn 20 Minuten der Tour aus Mönchengladbach in alle Welt übertragen werden, ist das unter Marketing-Gesichtspunkten unverzichtbar, unbezahlbar. Die Stadt kann sich mit schönen Bildern präsentieren und sich vermarkten. Allein aus dem Grund ist das ein wichtiges Ereignis.

 Im Grenzlandstadion ist die Laufbahn erneuert worden.

Im Grenzlandstadion ist die Laufbahn erneuert worden.

Foto: jkn (Archiv)

Aber bringt es nachhaltig etwas?

Rombey Wenn wir beim Radsport bleiben: Durch die Tour kann die Radsportbegeisterung geweckt werden. Mönchengladbach soll stärker zu einer Fahrradstadt ausgebaut werden. Im Moment stehen wir nach der neuesten Umfrage auf dem letzten Platz bei der Fahrradfreundlichkeit der Stadt. Mit so einem Ereignis kann man aber den Blick auf das Fahrrad auch als Fortbewegungsmittel lenken. Was den Sport angeht: Der Radsportverein Möwe kommt dabei groß raus, weil er auf der Strecke sein jährliches Radrennen ausrichten wird, was sonst in Lürrip ja fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet. Das ist schon mal ein großer Erfolg.

Wenn man auch Borussias Spiele als Zugpferd ansieht - ist es wichtig, immer wieder solche Großereignisse in die Stadt zu bekommen?

Rombey Das Big Air zum Beispiel wird auch ein Medienereignis. Wir sind zwar absolut keine Wintersportstadt, aber zum Beispiel die Rollbrett-Union, die es jetzt gerade einmal ein halbes Jahr gibt, hat da 2016 ihre Premiere gefeiert. Tillmanns Die Rollbrett-Union hat beim Big Air letztes Jahr einen guten Aufschlag und einen guten Zulauf gehabt. Die konnte sich da prima präsentieren, hat direkt viele neue Anmeldungen bekommen, obwohl sie erst wenige Tage vorher gegründet wurde. Sie hat den Flow super mitnehmen können und nun eine eigene Halle bekommen. Ohne dass das Interesse da wäre, hätte sie das sicher nicht geschafft.

Das ist also ein eher neuer Verein innerhalb des Stadtsportbundes. Was sagen Sie dazu?

Tillmanns Ich persönlich freue mich tierisch über diesen Verein. Skateboarder sind ja eigentlich als Individualisten unterwegs, auf die wir sonst nicht so einen Zugriff haben - ohne das negativ zu meinen. Die Szene wird für uns jetzt greifbarer durch diesen Verein, und ich hoffe sehr, dass es sich nicht um eine temporäre Geschichte handelt. Dass sie viel drauf haben, haben sie gezeigt, sie bringen super viel Engagement mit. Skateboarden wird ab 2020 Olympische Sportart sein, und wenn man sagt, dass Mönchengladbach eine Sportstadt ist, dann ist es doch schön, wenn auch andere Sportarten ins Rampenlicht rücken. Rombey In der kurzen Zeit eines halben Jahres hat die Rollbrett-Union mehr als 90 Mitglieder gesammelt. Tillmanns Wenn man die heute anruft, sind sie da weit drüber.

Was braucht es, damit Vereine von Großereignissen profitieren können?

Tillmanns Es braucht Vereine, die das zu nutzen wissen und dabei zeigen, dass sie selber ein aktives Angebot haben. Möwe weiß das bei der Tour zu nutzen, die Rollbrett-Union beim Big Air. Zugegeben: Bei Marathon und Triathlon wird es schwieriger, sich als Verein zu präsentieren. Rombey Es ist auch schwierig bei Veranstaltungen, die von Agenturen durchgeführt werden. Die kommen dann zu uns und sagen, sie bräuchten Volunteers. Für uns ist es aber schwierig, solche ehrenamtlichen Helfer zu finden. Das ist ein Problem, wo wir die Erwartungshaltung der Veranstalter oft nicht erfüllen können. Generell sind solche Veranstaltungen aber wichtig, um das Interesse am Sport zu wecken, zum Beispiel bei denen, die das sonst nur aus dem Fernsehen kennen. Die können dann sehen, dass das keine irreale Welt ist. Das kann auch für manche der Impuls sein, bei sowas in Zukunft mitzumachen.

Die Stadt bietet ja nicht nur Großereignisse. Wie sieht es in der sonstigen sportlichen Infrastruktur aus?

Rombey Insgesamt sind jetzt 13 Kunstrasenplätze fertig und drei im Bau. Das war eine große Anstrengung der Stadt und der Vereine, die teilweise selber 100.000 Euro aufgebracht haben. Für den Fußball-Sport ist das eine sehr gute Entwicklung. Außerdem ist im Grenzlandstadion die Laufbahn gemacht worden. Wir haben jüngst mit einem Vertreter des Olympia Stützpunktes Rhein-Ruhr zusammengesessen, und der hat uns bestätigt, dass die Leichtathletik hier mit LAZ und LGM sowie dem Grenzlandstadion ein großes Plus ist. Deswegen wollen wir dem Trägerverein des OSP Rhein-Ruhr beitreten, um Unterstützungsleistungen für unsere Vereine abrufen zu können. Bei den Außensportanlagen ist auf jeden Fall unheimlich viel passiert.

Wie steht es um die Sporthallen?

Rombey Ich habe selber ja im Sportausschuss moniert, dass auch mehr für die Hallen getan werden muss. Daraufhin habe ich von der Verwaltung eine Vorlage erhalten, auf der zu erkennen ist, dass hier in den letzten zehn Jahren 15 Millionen Euro investiert worden sind und 2017/18 weitere 1,3 Millionen vorgesehen sind. Da hat sich also deutlich was verbessert. Insofern muss ich der Stadt ein Kompliment machen. Tillmanns Das stimmt, die Sportverwaltung ist sehr kreativ auf ihren Wegen, wie sie Mittel einwirbt. Für den Umbau der Radrennbahn wurden etwa Mittel aus dem Integrationstopf mit dazu genommen. Bei den Hallen besteht sicher weiterhin Verbesserungsbedarf, die Turngeräte sind zum Beispiel stellenweise in keinem guten Zustand. Da muss was passieren, aber das wird es auch. Und bei den Außenanlagen ist wirklich viel erledigt worden.

Müssten Vereine eine ähnliche Kreativität wie die Stadt aufbringen?

Tillmanns Was Räumlichkeiten angeht, würde ich mir teilweise wirklich mehr Kreativität seitens der Vereine wünschen. In anderen Gemeinden gibt es das. Da macht Bäcker Schmitz zu, und ein Verein kann die Räumlichkeiten dort für Yoga oder Pilates nutzen. Dafür wollen die Vereine gar keine städtischen Turnhallen, sondern eher einen kleineren Ort, an dem es warm und sauber ist. Es ist natürlich auch viel verlangt, zu einem Ehrenamtler in einem Sportverein zu gehen und zu sagen: Da vorne steht eine Immobilie leer, guck mal, ob ihr die nicht für einen sechsstelligen Betrag herrichten und dann nutzen könnt. Da bindet man einem wirklich viel ans Bein. Aber diese Beispiele gibt es, und es funktioniert. Den Mut dazu muss man aber erstmal mitbringen.

Zumal es noch das Problem gibt, dass Gladbach viele kleine Vereine hat . . .

Rombey Richtig. Wir haben unheimlich viele Vereine mit wenigen Mitgliedern - rund 100 mit unter 100 Mitgliedern und nur sechs mit über 1000. Auf Sitzungen des Landessportbundes werden uns immer wieder Beispiele vorgeführt von großen Vereinen, wie sie gewisse Sachen angehen. Diese Struktur haben wir in Mönchengladbach nicht. Das ist ein Problem. Der Altersschnitt der Vereine wird höher, und die Bevölkerungsgruppen, die wir sozusagen in Reserve haben, Migranten und Hartz-IV-Empfänger, haben oft die größten Bewegungsdefizite. Da haben wir als Stadtsportbund auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Sport ist eine integrative Kraft, im Fußball sieht man das.

Sind bei so vielen kleinen Vereinen nicht Fusionen angebracht?

Tillmanns Wickrathhahn und Wickrathberg, die sich eine Anlage teilen, haben das gut vorgelebt. Aber im Tagesgeschäft ist das mit Fusionen nicht so einfach. Das scheitert dann zum Beispiel schon daran, wie der neue Verein heißen soll oder an persönlichen Dingen, weil keiner der beiden Präsidenten seine Position aufgeben will. Das ist dann unsere Aufgabe, das als Mediator hinzukriegen. Das ist aber nicht immer ganz einfach.

Muss man nicht Eitelkeiten außen vorlassen und Kräfte bündeln?

Tillmanns Wir sind der festen Überzeugung, dass Fusionen ein adäquates Mittel für die Zukunft sein können. Man muss sich als Verein doch nur die eigene Entwicklung angucken. Wenn ich eine Jugendabteilung zumache, muss mir klar sein, dass der nächste Schritt ist, den Verein zuzumachen. Wenn ich sehe, dass die Mitgliederzahlen zurückgehen und die Jugendzahlen auch, dann muss es zumindest mal ein Gedankenkonstrukt sein, sich mit einem anderen Verein an einen Tisch zu setzen und zu sagen: Wir lieben unseren Sport so sehr, und den für uns zu erhalten, muss unser Ziel sein. Im Tischtennis tut sich in der Beziehung aktuell viel, da werden viele Gespräche geführt.

Tischtennis boomt ja auch nicht gerade in Mönchengladbach. . .

Tillmanns Tischtennis kann attraktiv sein, man muss es aber auch verkaufen können. Rombey Ein Problem ist doch: Wir haben keine Vorbilder mehr. Tischtennis lebte doch auch von Vorbildern wie Jörg Roßkopf und Steffen Fetzner. Danach hat es einen Einbruch gegeben, wie auch im Tennis nach Boris Becker und Steffi Graf. Es fehlt oft an Vorbildern. Wenn Deutschland bei Olympischen Spielen gut abschneidet, ist der Zulauf in den Vereinen auch da.

Also braucht es für den Erfolg von lokalen Vereinen erfolgreiche Großturniere für Deutschland?

Tillmanns Es ist eine Kombination aus Leuchtturmprojekten, erfolgreichen Jahren und der notwendigen Struktur. Wenn du die nicht hast, bringt dir auch alles andere nichts. Wenn du in manchen Sportarten gar keine Vereinslandschaft hast und den Eltern erklären musst, dass ihr Kind, um sein Talent zu fördern, nun nach Essen oder Leverkusen fahren muss, ist das schon eine Sackgasse. Rombey Deswegen wollen wir jetzt auch den Posten eines Beauftragten für den Leistungssport schaffen. Wir sind mit einem renommierten Sportwissenschaftler, der seit 20 Jahren in dem Bereich Trainingsanalyse arbeitet, im Gespräch. Tillmanns Von ihm versprechen wir uns, dass er Trainer und Ausbilder auf eine höhere Ebene führt. Das muss unser Ziel sein. Wenn wir eben von fehlenden Vorbildern geredet haben - auch die Trainer in Sportvereinen können ein Vorbild sein. Wenn wir das befeuern können, haben wir gewonnen.

Inwieweit hilft dabei der neue Posten des Leistungssportbeauftragten?

Rombey Unsere Aufgabe ist es, den Vereinen Hilfestellungen bei ihren Aufgaben zu geben. Mit einem Beauftragten für Leistungssport wollen wir dem Leistungssport eine zusätzliche Möglichkeit zur Beratung an die Hand geben. Dafür haben wir eine qualifizierte Person gefunden, die bei den letzten vier Olympischen Spielen als Betreuer dabei war. Das ist ein Gewinn für uns. Wir wollen aber nicht den Verbänden das Wasser abgraben. Tillmanns Wobei der Verband im Regelfall ohnehin nicht in Mönchengladbach vor Ort ist. Und der Sportler, der sich hier hervorhebt, landet sowieso irgendwann beim Verband. Aber wir können das Ganze von unten befeuern. Rombey Dazu gehört, dass wir die Angebote mit den zwei Sportschulen und dem Teil-Internat erweitern wollen. Eine Sportstadt lebt nicht nur von großen Veranstaltungen. Wir müssen versuchen, Athleten zu fördern und sie hier zu halten.

Zum Stadtsportbund selber. Es wird geprüft, auf dem Campus in Rheydt ein Haus des Sports einzubinden, in das Sie ziehen können. Geht das voran?

Rombey Wir hoffen, dass das realisiert wird. Wir können uns vorstellen, dort ein Haus des Sports zu etablieren. Die Stadt will das prüfen, und wir würden es gerne übernehmen. Das wäre ein guter Standort. Tillmanns Wenn du die Sportanlagen vor der Tür hast, hast du ganz andere Möglichkeiten. Rombey Zudem zieht die GWSG zum 1. Januar 2018 aus unseren Gebäude am Berliner Platz aus. Wir könnten den Vereinen dann anbieten, unsere Infrastruktur hier zu nutzen.

Zum Beispiel mit einem Ansprechpartner für zwei Vereine, die keine Fusion eingehen wollen?

Tillmanns Ja, dann könnte man sagen, sie teilen sich eine Verwaltungskraft. Dann könnten diese Vereine hier sogar Geschäftszeiten anbieten.

Zusammenfassend könnte man sagen: In Gladbach finden einige Großveranstaltungen statt - die Bewerbung zur EM 2024 steht da ja auch noch an -, der Stadtsportbund stellt sich breiter auf, es kommen neue Vereine dazu. Insgesamt ist also etwas in Bewegung im Gladbacher Sport.

Tillmanns Ja, aber man muss auch sagen: Die Anstrengungen, das Level zu halten, werden auch immer größer. Gesamt gesehen haben wir einen Zuwachs an Mitgliedern, aber rechnet man Borussia raus, ist es weniger. Sportvereine müssen verstärkt mit kommerziellen Anbietern konkurrieren - da wäre es zum Beispiel schön, wenn mehr Vereine etwa Reha-Sport anbieten könnten und dafür zertifiziert wären. Außerdem werden mit dem Offenen Ganztag an Schulen auch Chancen eröffnet, sich dort zu engagieren. Aber das ist kein einfaches Geschäft, weil Übungsleiter fehlen und letzten Endes mit der weniger werdenden Freizeit der Kinder die Konkurrenz mit anderen Angeboten größer wird. Rombey Andererseits ist der Trend zur Ganztagsschule in Deutschland nicht mehr aufzuhalten, weil immer öfter beide Eltern berufstätig sind. Insofern bin ich froh, dass wir von der Stadt beauftragt wurden, die Bewegungsabgebote in der OGATA zu koordinieren. Wir können mit guten Angeboten Anreize schaffen, Sport im Verein weiterzumachen.

Zum Abschluss: Welche Schulnote geben Sie der Sportstadt Mönchengladbach?

Rombey Wir verteilen keine Schulnoten. Wir sind Berater und Unterstützer - keine Besserwisser.

GEORG AMEND UND KARSTEN KELLERMANN FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

(RP)
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