Mönchengladbach Stadt wehrt sich gegen Inklusionspläne

Mönchengladbach · Oberbürgermeister Norbert Bude und Schuldezernent Dr. Gert Fischer schlagen Alarm. Die Pläne des Landes, behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam unterrichten zu lassen, halten sie für unausgegoren und chaotisch.

Mönchengladbach: Stadt wehrt sich gegen Inklusionspläne
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Das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen soll in Nordrhein-Westfalen ausgebaut werden. Das ist das Ziel eines Referentenentwurfs des Schulministeriums, der das Gesetz zur Schulrechtsänderung vorbereitet. Inklusion heißt das Zauberwort. Und im Prinzip sind alle dafür. Dennoch gibt es schon vor der ersten Lesung des Entwurfs Klärungsbedarf — und es hagelt Kritik. "Wir stellen das Ziel nicht in Frage", sagt Oberbürgermeister Norbert Bude, der gleichzeitig dem Nordrhein-Westfälischen Städtetag vorsitzt. Sein Vorwurf: "Das Land will die Inklusion umsetzen, verweigert den Kommunen aber jegliche Konnexität." Das heißt, die Umsetzung obliegt den Kommunen. "Wir müssen die räumlichen und personellen Voraussetzungen schaffen, die es uns auf Dauer möglich machen, den Rechtsanspruch auf eine gemeinsame Schule für Kinder und Jugendliche ohne und mit Handicap zu gewährleisten." Und dazu sei die klamme Stadt Mönchengladbach nicht in der Lage.

Das Gesetz soll bereits im Schuljahr 2013/2014 gelten. Die Regelschulen müssen entsprechend barrierefrei umgebaut und personell aufgestockt werden. Die Zahl der Förderschulen wird sich zwangsläufig verringern. "Allein, um die richtigen und sinnvollen Entscheidungen zu treffen, brauchen wir Zeit", sagt Schuldezernent Dr. Gert Fischer. Er wolle das Thema nicht auf die finanzielle Umsetzung verkürzen. "Es geht um jedes einzelne Kind — und darum, wie es am besten gefördert werden kann." Er hält die Diskussionen zum Thema Inklusion derzeit für chaotisch. "Der Referentenentwurf regelt nicht das, was er regeln sollte." Und er sagt: "Ich halte den Entwurf für Etikettenschwindel. Hier wird der Eindruck erweckt, alles wäre gut. Ist es aber nicht." Der Dezernent ist sicher, dass Inklusion nur funktionieren kann, wenn die allgemeinen Schulen entsprechend vorbereitet und ausgestattet sind. "Dann können behinderte und nichtbehinderte Schüler gemeinsam unterrichtet werden."

Dagmar Rudy ist skeptisch. Sie ist die Leiterin des Josefshauses der Vinzentinerinnen in Hardt, in dem etwa 200 Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen leben. "Der Entwurf ist nicht wirklich durchdacht", sagt sie. Beim Thema Inklusion gehe jeder von scheinbarer Normalität aus. "Es gibt aber Menschen, die wegen ihrer besonderen Behinderung genau das nicht sein können."

Sie habe den Eindruck, die Gesellschaft wolle sich nicht an die Behinderten, sondern die Behinderten sollen sich an die Gesellschaft anpassen. "Wir haben sehr viele Bewohner, die nur in Förderschulen und nur in Begleitung unterrichtet werden", sagt Dagmar Rudy. "Mit großen Systemen können unsere Kinder und Jugendlichen nicht umgehen." Sie könne sich nicht des Eindrucks erwehren, sagt sie, dass diejenigen, die die Gesetze entscheiden, nicht wirklich Einblick in die Welt der Behinderten haben.

Das sieht Gaby Obeloer ähnlich. Die Leiterin der James-Krüss-Förderschule für Sprachbehinderungen an der Kabelstraße meint: "Die Beteiligten sollten mit an den Tisch. Ich bedaure sehr, dass wir unsere Erfahrung nicht einbringen können." Es sei auch nicht klar, in welchem Umfang Förderschulen abgebaut werden. "Wenn ein Großteil der Förderplätze entfällt, haben die Eltern keine wirkliche Chance mehr auf freie Schulwahl für ihre Kinder." Der Elternwille scheine nicht mehr maßgeblich zu sein. Viele ihrer Schüler verlassen nach angemessener Zeit die Sprachförderschule und wechseln auf die Regelschule. "Das ist so, weil wir sie mit unserem besonderen pädagogischen Konzept darauf vorbereiten."

Der Geschäftsführer des Städtetages Nordrhein-Westfalen, Dr. Stephan Articus, reagierte so auf den Gesetzesentwurf des Schulministeriums: "Die Städte sehen sich in der Mitverantwortung, eine gemeinsame Bildung für behinderte und nichtbehinderte Menschen zu ermöglichen. Inklusion braucht Qualität — und Qualität ist nicht ohne zusätzliche bauliche Ausstattungen und zusätzliches Personal in den Schulen zu haben. Die Städte haben deshalb kein Verständnis dafür, dass das Land das Prinzip der Konnexität — wer bestellt, bezahlt — in dem Gesetzentwurf verletzt."

(RP)
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