Mönchengladbach Stadtbibliothek am Wendepunkt

Mönchengladbach · Interview Fachbereichsleiter Guido Weyer über Platzprobleme, Aussichten und Hoffnungen bei Stadtbibliothek und Stadtarchiv. Der Chef der Bildungs- und Kultureinrichtung möchte die Bibliothek als Treffpunkt und Kommunikationszentrum ausbauen.

Die Zentralbücherei ist ein Kind der 1960er Jahre. Und somit für eine Stadt der Größenordnung von Neuss ausgelegt. Doch seit 1975 muss das Haus die medialen Bedürfnisse von 265 000 Einwohnern befriedigen. Wir fragten Guido Weyer (51), als Fachbereichsleiter für die städtischen Bibliothekshäuser und das Stadtarchiv zuständig, nach seinen Sorgen, Wünschen und den Aussichten der Bibliothek.

Vor dem Kulturausschuss haben Sie zuletzt von "baulichen Defiziten" der Zentralbibliothek gesprochen. Worum handelt es sich dabei?

Guido Weyer Es geht zum einen um technische Probleme: Das Haus muss brandschutztechnisch auf den Stand der gesetzlichen Vorschriften gebracht werden, und auch eine energetische Sanierung steht an. Wir haben viel zu viel Kosten für Heizung und Strom. Und die Elektrotechnik im Turm, wo unter anderem die historische Bibliothek des Volksvereins untergebracht ist, muss erneuert werden.

Klingt nach einer saftigen Investition – Geld, das die Stadt gegenwärtig nicht hat. Und wo drückt der Schuh außerdem?

Weyer Zum andern müssen die räumlichen Strukturen gründlich überarbeitet werden. Als dieses Haus gebaut wurde, bestand die Aufgabe einer öffentlichen Bibliothek, die in unserem Fall auch als wissenschaftliche Bibliothek dient, überwiegend im Verleih von Büchern. Heute spielen auch andere Medien eine große Rolle – CD, DVD, Video und PC –, die aus unserer Bibliothek längst ein Medienzentrum gemacht haben.

Wären Sie zufrieden, wenn der Rat im nächsten Jahr eine Sanierung der Zentralbibliothek beschlösse?

Weyer Eine reine Sanierung brächte uns keinen Quadratzentimeter mehr. Sie müssen wissen, dass 60 Prozent unserer Kunden zu uns kommen, ohne etwas auszuleihen. Wir haben allein im Haus Blücherstraße täglich 1000 Nutzer, in Rheydt sogar 1100.

Was tun die denn alle dort?

Weyer Es sind Zeitungsleser, Schüler, die Referate erarbeiten müssen, Texte ausdrucken wollen. Manche lassen sich auch Hefte der Stiftung Warentest reichen, um sich über aktuelle Produkt-Tests zu informieren. Und auch als Treffpunkt sind wir bei jungen Leuten beliebt. Darin sehe ich übrigens eine zunehmend wichtige Aufgabe.

Ist die Bibliothek auf diese Klientel eingerichtet?

Weyer Unzureichend. Unsere vornehmste Aufgabe ist es, als Medienzentrum Bildung für alle zu ermöglichen, nicht nur für drei Prozent der Bevölkerung. Angesichts von vier Millionen Analphabeten in Deutschland ist eines ganz wichtig: Lesen ermöglichen. Für mich ist Lesen wirklich die zentrale Kulturtechnik. Ohne Lesen läuft nichts, auch nicht am PC. Und dazu brauchen wir nicht nur Platz in Regalen, sondern Räume wie in Schulen, mit Tischen und Stühlen. Dafür reicht eine Sanierung nicht aus.

Soll heißen, die Stadtbibliothek sucht nach einer neuen Bleibe. Was kommt für Sie infrage?

Weyer Wir wollen auf jeden Fall zentral bleiben, vielleicht noch mehr ins Zentrum rücken. Doch um nicht an unseren wachsenden Beständen zu ersticken, brauchen wir ein Depot. Ich könnte mir vorstellen, dass Teile der Bestände aus der Bibliothek und dem Stadtarchiv ab 2011 im Theater im Nordpark, dem TiN, untergebracht werden.

Was bietet die Stadtbibliothek im neuen Jahr? Gibt es Neues?

Weyer Wir haben bereits Paket-Angebote für Kinder ab drei Jahren, so den "Anpfiff zum Lesestart". An I-Dötzchen wendet sich die "Aktion Lesezeichen". Ganz neu hinzu kommt die so genannte "Bücher-Flatrate" für die fünften Schuljahre an weiterführenden Schulen. Die Schulen ordern klassenweise Leseausweise für die Stadtbibliothek. Die kosten im Klassensatz pro Kind drei Euro für ein ganzes Jahr. Außerdem wird es wieder einen Sommerlese-Club geben, und auch der Literarische Sommer wird wieder in Mönchengladbach zu Gast sein.

Dirk Richerdt führte das Gespräch.

(RP)
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