Redaktionsgespräch Susanne Titz, Gregor Bonin Und Gert Fischer Stadtplanung ist Intendanz, Kultur die Regie

Mönchengladbach · Die Direktorin des Museums Abteiberg, der Planungs- und der Kulturdezernent sprechen über Kunst im öffentlichen Raum, den Durchstich vom Museum zur Hindenburgstraße und darüber, weshalb man die Marke MG nicht erfinden kann.

 Kultur trifft Stadtplanung - und das passt gut (von liniks): Kulturdezernent Gert Fischer, Museumsdirektorin Susanne Titz und Planungsdezernent Gregor Bonin in der aktuellen Ausstellung im Museum Abteiberg.

Kultur trifft Stadtplanung - und das passt gut (von liniks): Kulturdezernent Gert Fischer, Museumsdirektorin Susanne Titz und Planungsdezernent Gregor Bonin in der aktuellen Ausstellung im Museum Abteiberg.

Foto: Detlef Ilgner

Das Museum Abteiberg hat gerade eine wunderbare Auszeichnung bekommen: Es ist zum "Museum des Jahres" gewählt worden. Wie haben Sie diese Bestätigung Ihrer Arbeit erlebt, Frau Titz?

Susanne Titz Ich freue mich sehr darüber. Das ist eine Auszeichnung, die jedes Museum will. Das Museum Abteiberg hat im historischen Kontext eine ungeheure Bedeutung, jetzt zeigt sich, dass auch die gegenwärtige Arbeit geschätzt und anerkannt wird. Das ist besonders wichtig, weil wir immer auf eine anspruchsvolle Programmatik gesetzt haben. Jetzt fällt das positiv auf. Die Betrachtungsweise hat sich gewandelt: Es geht darum, das breite Publikum zu erreichen, ja, aber auch darum, es mit anspruchsvollen Inhalten zu erreichen.

Was bedeutet eine solche Auszeichnung, für ein solches Museum und für das Image der Stadt?

Gregor Bonin Das ist ungeheuer wichtig. Das Konzept der wachsenden Stadt "MG+" will ja mehr als quantitatives Wachstum. Es setzt auf Qualität. Ein Museum mit einer solchen Auszeichnung ist ein wesentlicher Punkt für die Strahlkraft und das Image einer Stadt.

Frau Titz, Sie waren Kuratorin für die Benefiz-Auktion "Artist against Aids" für die Deutsche Aids-Stiftung in der Bundeskunsthalle in Bonn, die 103.000 Euro erbrachte. Die Mönchengladbacher Museumsdirektorin ist offenbar sehr gefragt...

Titz Die Generation, die in den 90er Jahren sozialisiert wurde, ist jetzt in eine gestaltende Rolle hineingewachsen und leitet Häuser dieser Größe und Bedeutung. Es gibt viele, auch internationale Kooperationen.

GERT Fischer Die Außen- und die Innenwirkung des Museums und seiner Direktorin kann man auch nicht gleichsetzen. Von außen wird das Profil oft noch viel stärker wahrgenommen.

Das Museum Abteiberg und die Innenstadt haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr angenähert - nicht zuletzt durch Aktionen mit Kunst im öffentlichen Raum wie beispielsweise "Ein ahnungsloser Traum vom Park". Welche Wirkung hatte das? Und wie geht es weiter?

Fischer Das war ein Prozess. Das Museum ist hinausgegangen in die Stadt, hat sich eingebracht in Stadtentwicklung und -planung. Es ist erkennbar geworden bis hinein in den Sonnenhausplatz.

Titz Begonnen hat es mit dem Museum X, als während der Sanierung des Museums 2006 das damals noch existierende Stadttheater temporär in ein Museum umgewandelt wurde. Da merkten die Gladbacher, dass etwas passiert. Auch das Programm "Erster Sonntag", der erste Sonntag im Monat, an dem der Eintritt jeweils frei ist, hat sehr viel dazu beigetragen, dass das Museum anders wahrgenommen wird. Diese Aktion hat sich zum Dauerbrenner entwickelt, das Museum ist dann Treffpunkt für Freunde und Familien.

Auch wenn der Kämmerer diese Frage jetzt nicht hören darf: Sollte der Eintritt ins Museum nicht immer kostenfrei sein? In England geht das doch auch.

Titz In England ist der Besuch der Sammlungen kostenlos, nicht der Ausstellungen. Das können wir im Museum Abteiberg aber gar nicht trennen. Den kostenfreien ersten Sonntag ermöglichen wir mit Fördermitteln der Stadtsparkasse. Im Übrigen müssen wir im Museum Abteiberg andere Mittel zur Schaffung von Offenheit einsetzen.

Fischer Freier Eintritt wäre sicher wünschenswert, weil sich die Nutzung der Kulturinstitutionen in den letzten Jahren geändert hat. Das sehen wir ja an den Bibliotheken, die sich zu Treffpunkten entwickeln. Aber flächendeckend lässt sich das finanziell nicht durchsetzen.

Bonin Ich halte es trotzdem für verkehrt, immer gleich an den Kämmerer zu denken. Wir müssen darüber nachdenken, wie wir Menschen in die Stadt holen. Das funktioniert mit Angeboten. Und zu solchen Angeboten gehört auch das Museum und unter Umständen ein kostenloser Eintritt. Das signalisiert Bürgern und Gästen, willkommen zu sein.

Hans Hollein hat ursprünglich einen separaten Ausstellungsraum geplant. Wird es jemals diesen zweiten Bauabschnitt geben?

Titz Bei manchen Museen haben sich Erweiterungen als Problem erwiesen, weil sie den Charakter des Hauses geändert haben. Andererseits gibt es hier im Haus die Notwendigkeit, bestimmte Aktivitäten auszulagern. Wie man das tut - in einem fliegenden Bau, in einem am Hollein-Bau orientierten Gebäude oder in einer utopisch geprägten Architektur - das müsste man sehen. Das sind Zukunftsvisionen.

Und die engere Anbindung des Museum an die Innenstadt? Der Durchstich zur Hindenburgstraße? Sind das auch nur Zukunftsvisionen oder bekommen wir in den nächsten fünf Jahren etwas Konkretes zu sehen?

Bonin Ich gehe fest davon aus, dass in fünf Jahren etwas sichtbar sein wird. Ich bin optimistisch, dass wir noch 2017 die städtischen Flächen an der oberen Hindenburgstraße arrondieren können. Nur die Fläche des Hotels Oberstadt wäre für einen Durchstich zu schmal. Für eine optimale Gestaltung brauchen wir mehr Grundstücke und wir sind in Gesprächen. Das wird richtig gut.

Titz Ich werde Sie jedes Mal daran erinnern, wenn wir uns sehen. Es war immer das größte Problem dieses Museums, dass es eine herausragende Architektur hat, aber eine extrem schlechte Hinterhoflage.

Fischer Das war immer so, Hollein hat das nicht zu Ende gedacht.

Titz Dahinter stand eine Utopie von Stadt. Das Museum sollte Auslöser für Entwicklungen sein.

Bonin Ich bin froh, dass wir es heute machen können. Es geht ja nicht nur um den Durchstich zur Hindenburgstraße. Jetzt können wir auch den Geroweiher verändern, die Parkplätze unter einer Wasserfläche verschwinden lassen und so den Aufgang Richtung Münster und Museum anders gestalten. Auch das werden wir 2017 anpacken.

Dafür werden Parkplätze verschwinden. Schon jetzt ist es sonntags fast unmöglich, bei einer Ausstellungseröffnung sein Auto ortsnah abzustellen, weil die Parkhäuser geschlossen haben.

Titz Das ist seit zwei Wochen anders. Der Museumsverein hat den Betreiber angerufen. Ein Parkhaus ist jetzt auch sonntags geöffnet.

Bonin Es geht nicht ums Parken, sondern um die Belebung der Innenstadt. Das Museum allein genügt nicht zur Belebung. Das ganze Umfeld muss gestaltet sein. In Düsseldorf kann ich auch nirgends vor der Tür parken, aber wenn ich entfernt parke und laufen muss, bewege ich mich durch ein gestaltetes Umfeld. Genau das brauchen wir in Mönchengladbach. Wenn die Parkplätze beispielsweise unter einer Wasserfläche am Geroweiher liegen, dann laufe ich auf dem Weg zum Museum durch den Skulpturengarten. Oder ich gehe am Münster vorbei und passiere das geplante neue Café. Oder das Haus Erholung, neben dem statt des alten Hauses Zoar ein Hotel mit etwa 120 Betten entstehen könnte. Die Tagungsräume ständen im Haus Erholung zur Verfügung. Allerdings muss da die Mauer weg, die den Garten Richtung Hans-Jonas-Park begrenzt.

Fischer Ja, jetzt wo der Sonnenhausplatz fertig und der untere Teil des Hans-Jonas-Parks aufgeräumt ist, ist es Zeit, sich um andere Bereiche zu kümmern. Dazu gehört ganz bestimmt diese Mauer.

In diesem Jahr gibt es eine "Revival-Ausstellung" im alten Museum an der Bismarckstraße 97. Dieses Haus wird schon seit langem nur noch partiell genutzt. Wie wird die Ausstellung ermöglicht? Und wann wird endlich saniert?

Titz Man wird vermutlich Schlange stehen müssen, denn es werden immer nur wenige Besucher in die obere Etage können. Dadurch wird es auch zu einem besonderen Erlebnis der Intimität - wie bei Gregor Schneiders END. Wir bewegen uns da auf historischen Spuren, wollen an den aufsehenerregenden Ort der Avantgarde erinnern: Es riecht dort noch immer nach Beuys.

Bonin Und nach der Ausstellung wird saniert. Das Geld ist im Haushalt eingestellt. Wir befinden uns im Ausschreibungsprozess.

Fischer Anschließend wird der Raum wieder für Ausstellungen genutzt. Wie, das entscheidet das BIS in Abstimmung mit der Stadt.

Wie kann Mönchengladbach zur Marke werden? Kommen da auch Kunst und Kultur in Frage?

Fischer Marken kann man nicht einfach erfinden. Was da ist, ist da. Man muss überzeugend darstellen, was man hat. Als Berlin plötzlich "arm, aber sexy" war, hat das keine Agentur erfunden, aber die halbe Republik hat "wow" gesagt.

Bonin Kunst im öffentlichen Raum ist sicher ein wichtiger imagebildender Faktor. Die Gestaltung des öffentlichen Raums auch durch die Bürger selbst müssen wir vorantreiben. Dabei beanspruchen wir als Stadtplanung die Intendanz. Regie führen können auch andere.

Zum Beispiel die Kreativen. Ihren positiven Einfluss spürt man überall.

Titz Ja, die Zusammenarbeit zwischen der freien und der institutionellen Kunst- und Kulturszene funktioniert. Man ergänzt sich. Die Lampen auf der Traumstraße zum Beispiel und die auf der Waldhausener Straße sind genial. Die Energien verstärken sich gegenseitig.

Fischer Man muss Geld in solche Prozesse stecken, aber zu viel Geld kann auch zum Scheitern führen, weil dann oft die Kreativen vor Ort nicht mitgenommen werden. In einer ärmeren Stadt kann der Prozess ausgeprägter sein. Mönchengladbach ist eine raue Stadt und wird es bleiben. Aber eine raue Stadt mit besten Chancen.

DAS GESPRÄCH FÜHRTEN DENISA RICHTERS, ANGELA RIETDORF UND INGE SCHNETTLER.

(arie)
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