Mönchengladbach Studenten weniger reif und selbstständig

Mönchengladbach · Sie haben immer bessere Schulnoten, sind aber unreifer und wenig selbstständig - die Uni bedeutet oft einen Kulturschock. Die Professoren der Hochschule Niederrhein stellt das vor neue Herausforderungen in der Lehre.

Mönchengladbach: Studenten weniger reif und selbstständig
Foto: Carlos Albuquerque

Die Studenten an der Hochschule Niederrhein kommen immer jünger und mit immer besseren Schulnoten an die Hochschule - und doch fallen Fähigkeiten und Reifegrad so unterschiedlich aus, dass die Hochschule vor erheblichen Problemen steht: "Die Eingangsgruppen sind sehr, sehr heterogen, was die Vorqualifikationen angeht, und das macht die Lehre sehr, sehr schwierig", sagt Professor Berthold Stegemerten, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Hochschule Niederrhein. "Wir müssen mittlerweile sehr viel tun, damit die Studienanfänger auch an der Hochschule ankommen und studierfähig werden."

Dabei haben sich die Schulnoten der Erstsemester in den vergangenen zehn Jahren um knapp sechs Prozent verbessert, teilt die Hochschule Niederrhein mit. Um etwa denselben Wert habe sich zwischen 2006 und 2012 die Abschlussnote der Abiturienten in Nordrhein-Westfalen verbessert. Aus Sicht der Hochschule gibt es aber keine Korrelation zwischen besseren Noten und besseren Leistungen an der Hochschule.

Neben dem Trend beim fachlichen Können beobachten die Hochschullehrer auch mit Sorge das schwindende methodische Können der jungen Leute: "Vielen Erstsemestern ist nicht klar: Wie studiere ich eigentlich? Sie glauben, es geht wie in der Schule zu, wo sie noch sehr eng geführt werden. Für sie ist es dann ein Kulturschock, wenn sie an der Hochschule mit viel größerer Selbstständigkeit arbeiten und sich organisieren müssen", sagt Stegemerten.

Für ihn spielt dabei auch der Reifegrad der Studenten eine Rolle: "Neu ist, dass heute bei Informationsveranstaltungen auch Eltern dabei sind. Das häufigste Alter, in dem junge Menschen ihr Studium an der Hochschule Niederrhein anfangen, ist heute 19 Jahre; früher war dies 21. Heute machen Studierende zum Teil mit 22 ihr Examen, also in einem Alter, in dem viele vor zehn Jahren angefangen haben zu studieren", berichtet Stegemerten. Eine gravierende Folge aus Sicht der Hochschule: Sie muss insbesondere in der Studieneingangsphase die jungen Leute nicht nur fachlich ausbilden, sondern auch methodisch schulen und sie dabei unterstützen, eine selbstständige Arbeitsweise zu entwickeln.

Die unterschiedlichen Leistungsstände bei den Erstsemestern führt Stegemerten auch darauf zurück, dass schlicht sehr viel mehr junge Leute studieren. Wer vor zehn Jahren ein Studium an der Hochschule Niederrhein anfing, hatte in den meisten Fällen Fachabitur (51 Prozent) - heute überwiegt die Allgemeine Hochschulreife (56 Prozent).

Die Zahl der Gymnasiasten, die an die Hochschule Niederrhein kommen, ist in diesem Zeitraum um 69 Prozent gestiegen, die der Gesamtschüler mit allgemeiner Hochschulreife sogar um 247 Prozent. "Wenn 60 Prozent eines Jahrgangs an die Hochschule, drängen, dann ist klar, dass darunter auch Schüler mit schwächeren Leistungen sind", sagt Berthold Stegemerten dazu.

Offensichtlich für die Hochschullehrer ist auch der Trend, ein Studium quasi anzutesten: "Wir stellen fest, dass Studenten im Dualen Studium, wo Studium und Berufsausbildung verbunden sind, deutlich ernsthafter studieren." Die Bereitschaft, bei Problemen ein Fach abzubrechen, ist demnach bei nicht-dualen Studenten gewachsen.

Deutliche Schwächen auf breiter Ebene verzeichnen der Professor und seine Kollegen beim Fach Mathematik. "Wir müssen da von sehr, sehr viel niedrigeren Ausgangsvoraussetzungen ausgehen als noch vor zehn, 15 Jahren", sagt Stegemerten. Das ist ein existenzielles Thema für die Hochschule Niederrhein und für die Studenten, weil Mathematik in vielen Fächern wesentliche Grundvoraussetzung ist. Hier hat die Hochschule ihre Basiskurse zum Einstieg ins Studium deutlich ausgeweitet - "und das ist zum Teil Mathematik auf Mittelstufenniveau, das wir in diesen Kursen vermitteln", sagt Stegemerten.

(RP)
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