Mensch Gladbach Süßer der Haushalt nie klingelt

Mönchengladbach · Sting. Bryan Adams. Karl Sasserath. Die großen, alten Männer können von Gladbach nicht genug bekommen. Und das kann man ja gut verstehen. Denn hier ist es jetzt wie in der DDR nach der Wende. Es gibt plötzlich alles. Sogar Geld.

Anderer Leute Geld auszugeben, macht ja besonders Spaß, wenn keines da ist. Insofern endet gerade ein goldenes Zeitalter. Pahlkebad, Totenhalle Holt - all das haben die Politiker uns Bürgern ja gegönnt, als der Schuldenberg Tag für Tag gen Himalaya wuchs. Und einige dieser Prestigeprojekte werden ja jetzt auch tatsächlich genutzt. Von einigen wenigen. Da ja bekanntlich der liebe Gott, wenn er jemanden bestrafen will, Wünsche erfüllt, droht jetzt eine gänzlich neue Herausforderung: Geld ausgeben ohne schlechtes Gewissen. Zwar hat Mönchengladbach immer noch reichlich Nullen. Nicht mehr an jeder entscheidenden Stelle. Aber in der Bilanz. Denn es ist ja immer noch eine satte Milliarde an Schulden übrig. 2017 kommen aber zum ersten Mal seit CDU-Gedenken nur wenige Millionen oben drauf.

Zeit für neue Wolkenkuckucksheim-Projekte, wie FDP und Linke (die wahrscheinlich bald als Pi-Pa-Papperlapapp eine neue Listenverbindung eingehen) im erstaunlichen Gleichklang anprangern? Jein. Die neue Stadttochter Mags, die neuerdings für Schlaglöcher, verlottertes Grün und leere Friedhöfe zuständig ist, also für alles, was die Stadtverwaltung seit Jahrzehnten nicht gebacken bekommen hat, ist nicht so üppig ausgestattet, wie die Opposition glauben machen will. Wer an seinem Haus lange gar nix macht, muss irgendwann auf einen Schlag alles renovieren. Und das ist dann richtig teuer. Um Mönchengladbach nur auf das Level einer stinknormalen Großstadt zu hieven, braucht es gerade einiges Geld.

Bislang haben sich CDU und SPD für eine Mehrheit dieser Größenordnung recht gut im Griff gehabt: Sie haben zwar Geld für die definierten Ziele ausgegeben, aber keine Monopoly-Spielchen nach dem Motto "Bekomme ich mehr für Sicherheit, darfst du dafür beim Sozialen und den Gesamtschulplätzen ein Schäufelchen drauf legen" gespielt. Dafür gibt es auch weiter null Spielraum. Genau genommen hat ja nur das Geld vom Land für Schulen die Gladbacher XXL-Koalition gerettet. Sonst hätte schon dieser Haushalt kaum funktioniert. Der Puffer für den nächsten, wenn zum ersten Mal ein paar Euro fuffzich auf der Habenseite übrig bleiben sollen, ist ungefähr so groß wie der verbliebene Kredit von Borussen-Trainer André Schubert bei vielen Fans. Drum ist die Warnung von FDP, Linken und Sasseraths Grünen richtig: CDU und SPD sollten gerade jetzt bei jedem Euro lange überlegen, wofür sie ihn ausgeben. Wenn die Große Koalition nicht nur so heißen will, sondern auch wirklich eine sein will, hört sie in der zweiten Hälfte dieser Legislatur genauer hin, was da von den drei anderen Parteien kommt. Das ist längst nicht alles Frontal-Oppositions-Geschwurbel. An den Stellen, wo FDP, Grüne und Linke konstruktiv sind, sollten CDU und SPD weniger die Zacken in der Krone zählen, als die bedenkenswerten Vorschläge anderer ernst zu nehmen.

Aber es ist ja auch verdammt schwer, die Nerven zu behalten. Gerade jetzt, wo schon der simple Versuch, eine der zahlreichen Mönchengladbacher Innenstädte zu betreten, mindestens so viel Langmut und Gelassenheit verlangt, wie eineinhalb Stunden Haushaltsreden mit zusammenklaubten Weltliteratur-Zitaten zu lauschen. Halten Sie durch! Die paar Tage noch.

(RP)
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