Mönchengladbach Szenen der Hoffnung in Neuwerk

Mönchengladbach · Hunde, die Kinderaugen zum Lachen bringen, Telefongespräche in die Heimat: Viele Gladbacher wollen Flüchtlingen helfen. Aber: "Begegnen Sie ihnen auf Augenhöhe", fordert der Leiter des Katholischen Forums, Franz-Josef Umland.

Mönchengladbach: Szenen der Hoffnung in Neuwerk
Foto: Kilian Treß

"Hallo Mama. Hallo Papa. Ich lebe. Ich bin in Sicherheit. Ich liebe euch." Es sind nur wenige Worte, die über etwa 4000 Kilometer Entfernung wenigstens für einen Augenblick Hoffnung geben. Hoffnung, dass sich die Familie irgendwann wieder in den Armen liegen wird; Hoffnung auf Frieden.

Das Telefonat führte die Syrerin Warda Buir. Die 20-Jährige ist vorgestern in Neuwerk völlig erschöpft als Flüchtling angekommen. Drei Monate lang blieb sie im Unklaren über das Wohlergehen ihrer Familie. Dass sie ihren Eltern nun diese Worte sagen konnte, ist einer jungen Frau zu verdanken. "Möchten Sie zuhause anrufen?", fragte die 18-jährige Ines aus Mönchengladbach Warda und überreichte ihr ohne Bedenken das teure Smartphone. Zwei Minuten später strahlte Warda und bedankte sich. "Ich bin so froh, die Stimmen meiner Eltern gehört zu haben. Wir konnten nicht schlafen, ich wusste nicht, ob meine Eltern noch leben", sagt Warda. Dabei hält sie ihren Baby-Bauch, ihr Mann Amran nimmt sie in den Arm, drückt sie. Die letzten Wochen haben sie beide mitgenommen.

Im Mai eroberte der Islamische Staat (IS) die Provinz Idleb im Nord-Westen Syriens, Wardas Heimat. Die Bevölkerung besteht aus Sunniten und Minderheiten verschiedener christlicher Religionsgruppen; erklärte Todfeinde der Anhänger des Islamischen Staats.

Warda, damals in dritten Monat schwanger, floh vor dem Terrorregime mitten in der Nacht mit ihrem 24-jährigen Ehemann. Während sie unbeschadet die etwa 20 Kilometer entfernte Grenze zur Türkei erreichten, zog sich das syrische Militär aus der Region nahezu vollständig zurück und flog lediglich Luftangriffe. Am 8. Juni wurden bei einem dieser Manöver 50 Zivilisten getötet: "Ich befürchtete, das Haus meiner Eltern ist getroffen worden." Die letzten Worte, die Warda von ihrer Familie hörte, waren: "Pass auf dich, deinen Mann und dein Baby auf. Wir freuen uns, dass du endlich in Deutschland in Sicherheit bist!"

Flüchtlinge: Große Hilfsbereitschaft in Dortmund
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Große Hilfsbereitschaft am Dortmunder Hauptbahnhof

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Foto: dpa, mjh

Die Sorgen sind zwar nicht verschwunden. Der Bürgerkrieg hält wohl noch auf Dauer an. Aber etwas Hoffnung ist wieder da. Bei Warda. Und vielen anderen Ankömmlingen in Mönchengladbach. Viele Gladbacher wollen nun weiter spenden oder ihre Hilfe anbieten.

Statt Nahrung und Kleidung haben sich nun einige überlegt, Prepaid-Karten für die Neuankömmlinge zur Verfügung stellen, um möglichst vielen einen Anruf in die Heimat zu ermöglichen. Jeder kann sich einbringen. Ein Spaziergänger ließ beispielsweise die Flüchtlingskinder vor der Krahnendonkhalle mit seinen Hunden spielen (Bild). Eine willkommene Abwechslung für die Kleinen.

Andere Gladbacher schrieben per Hand eine Art Not-Wörterbuch mit einfachen deutschen Begriffen auf ein Blatt Papier und lehrten erste Begriffe. "Vielen Dank" und "Auf Wiedersehen" waren schnell gelernt. Andere möchten gerne auch Gespräche anbieten, damit Flüchtlinge mit Einwohnern in Kontakt kommen, sich austauschen können und ein Willkommensgefühl entsteht. Franz-Josef Umland, Leiter des Katholischen Forums, mahnt aber auch zur Vorsicht: "Es sollte immer bedacht werden, keine hierarchische Abhängigkeit herzustellen", sagt er. "Statt den Menschen einfach irgendwas zu geben - eine Spende überzustülpen - ist es besser, auf sie zu zugehen und zu fragen, was sie brauchen", sagt Umland. "Das sorgt für einen Kontakt auf Augenhöhe."

Zudem bittet er, nicht einfach in die Flüchtlingsheime zu gehen. "Das geht leider nicht. Aber wenn die Menschen vor der Tür auf sie zukommen, ihnen signalisieren, dass sie reden möchten, ist das okay." Am besten sei aber immer noch, seine Hilfe über die Internetseite www.asyl-in-mg.de anzubieten. "Dort kann jeder angeben, was er tun will und in welchem Umfang, das hilft bei der Koordination", sagt Umland.

(RP)
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