Kinderärztin Dr. Renate Harnacke "Tagesmütter bieten U3-Kindern eine feste Bezugsperson"

Mönchengladbach · Die Kinderärztin Dr. Renate Harnacke ist davon überzeugt, dass Kinder unter drei Jahren bei einer Tagesmutter besser aufgehoben sind als in der Kita. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt sie, warum. Dazu erklärt sie, was Eltern bei der Betreuung beachten müssen.

Das sind die Betreuungsquoten für unter Dreijährige
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Foto: dpa, Patrick Pleul

Frau Dr. Harnacke, Sie sagen, die Betreuung durch eine Tagesmutter sei für unter Dreijährige besser als die Betreuung in einer Kindertagesstätte. Warum?

Renate Harnacke Entwicklungsneurologisch ist seit langem bekannt, dass bei Kindern bis zum Alter von drei Jahren eine feste Bezugsperson keinesfalls mehr als fünf Kinder betreuen sollte. Dieser " Personalschlüssel" ist in Kindertagesstätten in MG praktisch nie gegeben, weil in die Berechnungen für Erzieherinnen deren Urlaubs-, Fortbildungs- und ggfs. Krankheitszeiten nie vollumfänglich mitgerechnet sind, so dass sich de facto immer die Konstellation ergibt, dass eine Erzieherin für mehr als fünf Kinder Bezugsperson sein soll. Bei einer Betreuung durch eine Tagesmutter sind es immer höchstens fünf Kinder, was für die Entwicklung der Kinder unter drei Jahren besser ist.

Was kann passieren, wenn Kinder keine Bezugsperson haben?

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Foto: Reichartz,Hans-Peter

Harnacke Bei einer unzureichenden Bindung kommt es zu Folgen, die mit dem Überbegriff "frühkindliche Deprivation" bezeichnet werden. Es kommt fast regelhaft zu sprachlichen Defiziten, die gesamte Entwicklung der Kinder verläuft ungünstiger, wobei eine der schwersten Folgen oft lebenslänglich ein fehlendes Vertrauen zu anderen ist und eine mangelnde Bindungsfähigkeit. Psychische Störungen wie z.B. Depressionen und aggressives Fehlverhalten sind sehr viel häufiger als bei Menschen, die in ihrer frühesten Kindheit sichere Bindungen, auch z.B. im Kindergarten, hatten.

Macht sich das schon in den Kinder- und Jugendarztpraxen bemerkbar?

Harnacke Die Kinder- und Jugendärzte in Mönchengladbach bemerken leider eine ständige Zunahme von Störungsbildern der genannten Formen bei Kindern.

Worauf sollten Eltern achten, wenn sie eine Betreuung für ihr unter dreijähriges Kind brauchen?

Harnacke Eltern, die eine Betreuung für ihre unter dreijährigen Kinder benötigen, sollten sich sehr frühzeitig mit der Frage beschäftigen, wie sie diese in die Tat umsetzen wollen. Bei einer Tagesmutter, die Ihre Qualifikation immer nachweisen muss, können sie sich sicher sein, dass diese nie mehr als fünf Kinder gleichzeitig betreut, wodurch die Problematik der frühkindlichen Bindungsstörung während der außerfamiliären Zeit "gebannt" ist. Auch wenn eine sich anbietende Kindertagesstätte angibt, in den Gruppen der unter Dreijährigen sei der Personalschlüssel stimmig, sollten Eltern explizit fragen, wo der " Puffer" für Urlaub, Fortbildung und Krankheit ist. Da in diesem Bereich bedauerlicherweise am völlig falschen Ende gespart wird, ist eine Antwort darauf aus Sicht der Kinder- und Jugendärzte leider regelmäßig unbefriedigend.

GABI PETERS STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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