Ehrentag Tanzend um die ganze Welt
Mönchengladbach · Annemarie Köhler feiert heute ihren 100. Geburtstag.
Stadtteile Als Annemarie Köhler am letzten Januartag des Jahres 1917 in Aachen geboren wurde, regierte in Berlin noch Kaiser Wilhelm II., und der Erste Weltkrieg sollte noch fast zwei Jahre andauern. Es war der Krieg, der ihren Vater, den damaligen Hauptmann Friedrich Nemnich, nach Aachen verschlagen hatte, wo ihre Mutter lebte. Und wo es zur Kaiserzeit noch Bälle gegeben hatte, auf denen die Damen Herren kennenlernen und ihnen näher kommen konnten. So war es auch bei Annemarie Köhlers Eltern.
Weil der Vater aber in Friedenszeiten Buchhändler war und eine Verlagsbuchhandlung in Mannheim betrieb, wuchsen die kleine Annemarie und ihre beiden Brüder in Mannheim auf. Sie besuchte das Gymnasium und anschließend das Fröbelseminar, wo sie alles lernte, was eine Kindergärtnerin brauchte. Ihren Abschluss machte sie allerdings wieder in Aachen und ging dann nach Norddeutschland, wo sie neue Kindergärten er- und einrichtete. 1945 kam sie schließlich nach Mönchengladbach und blieb. Hier traf sie ihren Mann, hier wurden ihre beiden Söhne Fritz und Walter geboren. Und hier sorgten sie und ihr Mann Friedrich dafür, dass die Textilfabrik E. Sempell in der Humboldtstraße im Herzen der Stadt sich wieder aus den Trümmern erhob und Kleidung produzierte, vor allem Mäntel und Hosen. Zu Hoch-Zeiten arbeiteten hundert Näherinnen in dem Betrieb. "Meine Mutter hat viel zum Betrieb beigetragen, sie war für alle Verwaltungsaufgaben zuständig", sagt ihr Sohn Walter.
Ihren Mann Friedrich verlor sie bereits vor mehr als 40 Jahren. "Er starb in der Silvesternacht von 1975 auf 1976", erinnert sie sich. Zuvor aber hatten beide die Kreuzfahrten entdeckt, eine Art zu reisen, die Annemarie Köhler seitdem nicht mehr losließ. "Unsere erste Kreuzfahrt haben wir 1968 auf der MS Europa gemacht, es war eine Nordlandreise", sagt sie. Seitdem hat sie sagenhafte 150 Kreuzfahrten unternommen, nach Grönland und Norwegen, rund um Südamerika oder durchs Mittelmeer. Vor anderthalb Jahren noch war sie das letzte Mal unterwegs, rund ums westliche Mittelmeer ging die Reise. Da sie Stammgast ist, wird sie natürlich stets herzlichst begrüßt. "Ich liebe das Meer und am schönsten waren die Fahrten in den Norden", sagt die begeisterte Reisende.
Aber genauso wichtig wie die Seereise selbst war für sie immer die Möglichkeit, an Bord zu tanzen. "Ich tanze sehr gern, am liebsten Wiener Walzer." Diese Leidenschaft muss erblich sein, schließlich haben auch ihre Eltern sich auf einem Ball kennengelernt. Aber nicht nur das Tanzen, auch die Langlebigkeit liegt in der Familie. "Meine Großmutter ist ebenfalls hundert Jahre alt geworden", sagt Köhler, die immer noch in ihrer Wohnung lebt, unterstützt von einer Haushaltshilfe und ihrer Familie. Und wenn der Begriff rüstig je auf eine Hundertjährige passte, dann auf die gebürtige Aachenerin. Ja, sie verwendet zur Sicherheit einen Rollator, aber wer sie erlebt, kann kaum glauben, dass sie nun ein Jahrhundert vollendet.
