Mönchengladbach Umarmt von David Garrett

Mönchengladbach · Der Star-Geiger hat seine Open-Air-Tournee im Sparkassenpark mit großer Show begonnen. Sein "Classic Revolution"-Programm ist ein Überwältigungs-Mix aus Pop, Rock, Klassik - und alles klingt nach Garrett.

Mönchengladbach: David Garrett spielt im Sparkassenpark
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Mönchengladbach: David Garrett spielt im Sparkassenpark

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Foto: Ilgner

Auf der Bühne taucht die Erde auf. Das Orchester spielt Strauss' "Zarathustra", auf den Leinwänden schiebt sich die blaue Kugel ins Bild, Schöpfungstag, ganz großer Pomp. Und plötzlich ist da dieser Geigenklang: Doppelgriffe, satter Strich. David Garrett ist mitten unter den Leuten aufgetaucht. Robbie Williams' "Let Me Entertain You" spielt er und wandelt dabei nach vorn zur Bühne. Die Leute stehen längst, machen Fotos vom Star, der ihnen gleich zu Beginn so nahe gekommen ist. Dann ist Garrett schon oben bei seiner Band, bei seinem Orchester. "Hallo Mönchengladbach", ruft er. Die Leute jubeln. Maximale Ouvertüre. Der Teufelsgeiger beginnt sein Werk.

David Garrett – Der Geigenrebell
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Das ist David Garrett

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Foto: dpa, pse fdt

Mit Garretts "Classic Revolution" hat am Wochenende der Open-Air-Sommer im Sparkassenpark begonnen. 7900 Zuschauer nahm der Geiger mit auf seinen Ritt durch die Musikepochen. Bruce Springsteen, Abba, Carl Orff, Deep Purple, Verdi, Nirwana — Garrett schert sich nicht um die Grenzen zwischen U- und E-Musik, er hängt aneinander, was ihm gefällt, was maximalen Effekt verspricht, und macht das so gekonnt, so überzeugt von seiner Sache, dass die Übergänge nicht wehtun. Er spielt ja seine Version der Leckerbissen der Musikgeschichte, und wenn er mit "Babuschka" russische Volksmusik anstimmt, dann lässt er eben Balkan-Beats hämmern, und wenn er aus Mozarts Requiem das "Lacrimosa" spielt, dann inszeniert er eine Grufti-Rockoper.

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Jedes Stück ein Höhepunkt, darum maximale Kontraste: Auf Klassik folgt Heavy Metal, folgt Pop. Und alles hört sich nach Garrett an, ob er nun zu Bon Jovis "Livin' on a Prayer" mit maximalem Saitendruck gegen die Bässe angeigt oder sich im virtuellen Duett mit Andrea Bocelli in den Schnulzenhimmel schraubt, stets gehört der Geige der Triumph. Garrett will bezirzen, verführen, überwältigen, darum ist er gut. Darum kann man bei ihm mal einen Abend alle Vorbehalte des guten Geschmacks sausen lassen und sich dieser Lust am Schwelgen hingeben. Beethovens Fünfte als bombastischer Schicksalsschlager? Ach, warum nicht!

Zwischendurch plaudert der Geiger aus dem Tourleben. Zeigt Schnappschüsse, Garrett schlafend im Wagen mit Kissen auf dem Bauch. Oder er erzählt Anekdoten, wie seine Mutter in seinem New Yorker Appartement abgelaufene Butter im Kühlschrank findet und dem Sohn besorgte Sms schreibt. Das klingt ein bisschen auswendig gelernt, aber natürlich ist das auch sympathisch. Garrett ist eben gut, wenn er geigt, wenn er Verdis "Requiem" in eine James-Bond-Musik verwandelt und dabei seine Virtuosität ausspielt. Bei ihm hat das nichts Vergeistigtes, Weichliches. Garrett trägt schwere Schuhe, Jeans, T-shirt mit Tigerkopf. Wenn er geigt, sieht man die wuchtigen Silberringe an seinen Fingern, die Tattoos auf seinem Arm. Das ist alles männlich, markig, Geigen als Muskelspiel.

Aber er mag eben auch den Schmelz, kennt keine Scheu vor Kitsch. Und er kann flirten. Als sein Tourchef eine junge Spanierin aus dem Publikum zu ihm auf die Bühne führt, umarmt er sie beim Geigen. Und die hübsche Carla spielt mit, himmelt den Geiger an mit roten Wangen. Das Publikum schmachtet mit. "Das Mädchen in Dortmund war viel schüchterner", sagt eine Frau zu ihrer Nachbarin. Dann klatschen sie unter ihren Regenponchos, die sie für alle Fälle gekauft haben, doch dann bleibt es fast trocken. Sie klatschen für Carla. Und für David, der keinen Dünkel kennt, der bis 22.45 Uhr eine große Show liefert mit Band und Orchester und Tänzern aus dem deutschen Fernsehballett. Und dann ist schon Coldplay an der Reihe, vor der Bühne schießen Konfettikanonen gelbe Papierstreifen in den Himmel. Salven für den Teufelsgeiger. Das Werk ist vollbracht.

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