Was macht eigentlich...? Urwalddoktor unter Steinzeitmenschen und Paradiesvögeln

Mönchengladbach · Tagelange Gewalttouren durch den Dschungel, Leben mit einem Volk, in dem es noch Kopfjäger und Kannibalen gibt: Ein Stück Abenteurer ist Professor Gunter Konrad schon. Doch der Arzt hat vor allem die Menschen in Papua-Neuguinea lieben gelernt und vielen das Leben gerettet.

Urwalddoktor unter Steinzeitmenschen und Paradiesvögeln
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Es waren die Paradiesvögel, die Gunter Konrad in den Urwald und Dschungel von Papua-Neuguinea lockten. Er war 21 Jahre jung, Konservator an der Zoologie in Heidelberg und machte mit einigen Kommilitonen "Jagd" auf Paradiesvögel. Mit der Kamera und für die Wissenschaft: um Lebensumstände und das vielfältige Balzverhalten der so wunderbar vielfarbigen Tiere mit ihren 42 Arten zu erforschen, die vor allem auf Neuguinea leben.

14 Monate lang war Gunter Konrad 1962/63 im flächenmäßig drittgrößten Inselstaat der Welt, im Pazifik zwischen Südostasien und Australien. "Die Museen hier waren begeistert von dem, was wir mitbrachten. Seit Ende des Ersten Weltkriegs hatten sie nichts mehr von den Paradiesvögeln aus der ehemaligen deutschen Kolonie Kaiser-Wilhelms-Land und dem Bismarck-Archipel bekommen", erzählt Konrad, damals Tier-Konservator.

73 ist Professor Konrad heute, seit acht Jahren im Ruhestand als Urologie-Chefarzt und ärztlicher Direktor des Mönchengladbacher Krankenhauses Maria Hilf. Seine Laufbahn in der Zoologie und Ornithologie war nur kurz gewesen. Bei der Jagd nach den Paradiesvögeln hatte er 1962/63 entdeckt, dass er den Menschen, die in Papua-Neuguinea noch wie in der Steinzeit lebten, bei denen es noch Kopfjäger und Kannibalismus gab, helfen konnte: "Schon mit den simplen Mitteln der Medizin, die wir als Zoologie-Studenten dabei hatten, konnten wir viel bewirken, zum Beispiel bei Malaria. Und Penicillin wirkte rasch gegen die beim Menschen gefürchtete Himbeerkrankheit."

1967 schloss er seine Tätigkeit an der Zoologie ab - und begann ein zweites Studium: diesmal Medizin. Im Schnelldurchgang absolvierte er es jedoch nicht. Denn es zog ihn erneut zu den Paradiesvögeln und Menschen in Papua-Neuguinea. 1971 reiste Gunter Konrad für ein knappes Jahr, um unter anderem, den berühmten blauen Paradiesvogel (Paradisornis rudolphi - genannt nach Kronprinz Rudolf von Österreich-Ungarn) zu suchen. Im Osten des Inselreichs (heute PapuaNeuguinea) hatte er ihn schon 1963 gefunden. Nun suchte er im Westteil (heute Papua, östlichste Provinz Indonesiens) - leider erfolglos. Erfolgreicher waren hingegen die parallel zur Paradiesvogelsuche anlaufenden Bemühungen des Medizin-Studenten um schwerkranke Menschen.

Die Mehrheit der Papuas mit ihren über 700 Volksgruppen, mit jeweils eigener Sprache und Kultur, lebt im unwegsamen Bergland. Die jungen Wissenschaftler aus Deutschland fanden 1971 unerforschte Gebiete und Menschen am Brazza-Fluss des südlichen Fußgebirges, die noch ohne jedes Zeichen von Zivilisation steinzeitlich lebten; wie auch die auf mehr als 2000 Metern Höhe lebenden Bewohner des Bime-Tales: Pygmäen, um die 1,40 Meter groß.

An der Südküste Neuguineas leben 60 000 Asmat mit zwölf unterschiedlichen Kulturgruppen. Zu ihnen entwickelte Gunter Konrad bei wissenschaftlichen Forschungsreisen und vielen späteren Besuchen eine besonders enge Beziehung: "Wir waren 1971 eine der ersten ausländischen Gruppen, die bei den Asmat einreisen durften." Die Konrads und seine Kollegen wurden wochenlang in Indonesiens Hauptstadt Djakarta festgehalten, ehe sie die Einreiseerlaubnis bekamen.

Einfach ist zum Teil bis heute wenig in diesem Land. Die Verständigung klappte anfänglich nur mit Händen und Füßen. 1976, zu Beginn des Forschungsprojektes der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) in den Bergen, konnten sie ein halbes Jahr lang nur mit Paketabwürfen aus Flugzeugen versorgt werden, ehe eine einigermaßen brauchbare Landepiste angelegt war. Straßen gab es nicht - zum Großteil bis heute. Fünf bis sieben Tage dauert eine Anreise aus Deutschland immer noch: mehrere Stationen mit Flugzeugen, am Ende Fahrten auf primitiven Einbäumen durch den Urwald oder Dschungel und lange Märsche, begleitet von Trägern.

Die meist von Missionaren gebauten "Krankenhäuser" sind auch heute oft kaum mehr als Bretterverschläge auf Pfählen im Sumpfgebiet - in denen operiert wird unter schwierigsten Verhältnissen. Etwa bei 100 Prozent Luftfeuchtigkeit, 37-41 Grad Celsius, ohne dass ein Lüftchen weht. Licht liefern Taschen- und Schreibtischlampen, um die sich Moskitoschwärme sammeln. Die aus Deutschland mitgebrachten Instrumente können nur notdürftig in Jodlösung sterilisiert werden. Narkosegeräte gibt es nicht, da muss eben eine Rückenmark-Anästhesie oder eine Spritze reichen.

Und es sind oft komplizierte, aber zur Lebensrettung notwendige chirurgische Eingriffe - Alternativen gibt es ja nicht. Doch bei den an die 350 Operationen, die Konrad im Lauf der Jahrzehnte gemacht hat, ist nur eine alte Krebspatientin verstorben - weil ihr Herz versagte. Konrad selbst hatte "nur sechs- oder sieben Mal" Malaria, die aber immer schnell im Griff.

"Ich bin eben gesundheitlich topfit, auch heute noch", sagt der 73-Jährige. So fit, dass er nach einjähriger Pause 2015 seine nächste Reise nach Neuguinea machen will und wieder auf Unterstützung angewiesen ist. Das Krankenhaus Maria Hilf mit Leih-Instrumentarium und Arzneien, Pharma-Hersteller, Rotarier haben stets geholfen, er selbst hat erhebliche Summen beigesteuert.

Das gilt auch für die bemerkenswerte Asmat-Galerie, die seine Frau Ursula, die ihn schon 1971 nach Neuguinea begleitete, ab 1998 an der Lürriper Straße aufgebaut hat. Mehr als tausend Exponate kamen im Lauf der Jahre nach Mönchengladbach. Da die Asmat Geld nicht kannten, gab es einen regen Tauschhandel: Kunsthandwerk gegen Messer, Äxte, Angelhaken, Tabak und was noch die Dschungelleute so brauchten.

2009 ist die Asmat-Galerie mit dem Umzug Ursula Konrads in Berlin gelandet und wird nun von ihrer Tochter Carolina Winkelmann betreut. Das beeindruckende "Männerhaus", das aus Neuguinea nach Deutschland gebracht und an der Lürriper Straße zu sehen war, ist jetzt im Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum zu bewundern.

(RP)
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