Mönchengladbach Verloren im Dschungel der Pflege

Mönchengladbach · Wenn Menschen zum Pflegefall werden, sind Angehörige oft überfordert. Das Netzwerk pflegend Beschäftigter hilft.

Das ist Stress pur. "Das Krankenhaus hat uns informiert, dass unsere Mutter am nächsten Tag entlassen werden soll", erzählt Gisela Hollendung. "In 24 Stunden sollte alles organisiert sein, vom Pflegebett über die Betreuung bis hin zu den ambulanten Dienstleistungen." Gisela Hollendung ist berufstätig, beschäftigt bei der Stadtverwaltung Mönchengladbach. Immer wieder muss sie bei der Arbeit alles stehen und liegen lassen, um ins Krankenhaus zu eilen, zu organisieren, zu recherchieren. Ihre Mutter ist nach einem Sturz nicht mehr in der Lage, die Beine zu bewegen - sie ist ein Pflegefall. Aber sie will nach Hause.

Wenn Gisela Hollendung von dieser Zeit erzählt, alle Schwierigkeiten schildert, auf mangelnde Unterstützung durch das Krankenhaus und dessen Sozialdienst zu sprechen kommt und den finanziellen Rahmen beschreibt, den die Pflegekasse vorgibt, merkt man, wie sehr sie das alles belastet hat. Da klappte die Kommunikation mit den Ärzten nicht, die Familie wurde nicht rechtzeitig über die Entlassung informiert, nirgends gab es Hilfe. "Im Gegenteil", sagt Gisela Hollendung, "oft kriegt man nur dumme Sprüche zu hören, sogar von den Kollegen." Die Aussagen verschiedener Einrichtungen stimmen nicht überein, die Betroffenen sind allein im Dschungel der Pflege. "Ich wusste zum Beispiel nicht, dass mir laut Gesetz in einem Fall wie bei meiner Mutter zehn Tage zustehen, in denen ich mich um die Organisation der heimischen Pflege kümmern kann", sagt die Tochter. Doch dann der Glücksfall: Die Stadt Mönchengladbach hat sich dem Netzwerk pflegend Beschäftigter angeschlossen und bietet damit ihren Mitarbeitern einen besonderen Service rund um die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. "Ich wusste das", sagt Gisela Hollendung, "aber ich dachte nicht, dass die Hilfe von dort so schnell und so praxisorientiert ist." Nachdem sie sich mit dem Netzwerk in Verbindung gesetzt hat, wird alles so viel einfacher. "Sie haben dort innerhalb einer Stunde einen Platz in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung organisiert", erzählt die Tochter. Fünfzehn Tage konnte die Mutter dort bleiben, in der Zwischenzeit hatte die Familie, unterstützt von den Beraterinnen des Netzwerks, die Möglichkeit, alles vorzubereiten. Das Pflegebett kam, der ambulante Dienst wurde gefunden, innerhalb der Familie konnten die Betreuungszeiten abgesprochen werden. Als Ernestine Hollendung nach Hause entlassen wurde, war alles bereit. Aber das medizinische Gutachten, das für die Gewährung der benötigten Pflegestufe zwei notwendig war, stand noch aus. Auch hier leistete das Netzwerk praktische Hilfe. Beraterin Petra Sieben besuchte die Hollendungs zu Hause, bereitete sie auf das Gutachten vor und war auch beim Besuch der Gutachterin dabei. "Das war sehr entlastend", sagt Gisela Hollendung. "Auch weil sie uns versichert hat, dass bei einer Ablehnung der Pflegestufe das Netzwerk für uns in den Widerspruch gegangen wäre." Das war beruhigend, aber letztendlich nicht nötig. Die Pflegestufe zwei wurde bewilligt, Ernestine Hollendung kann in ihrer Wohnung bleiben, in der sie zwanzig Jahre mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann gelebt hat. Die ambulante Versorgung und die Betreuung durch die Familie klappen. Ein Happy End nach viel Chaos und Stress. "Es war so wichtig, einen Ansprechpartner zu haben, der sich auskennt", lobt Gisela Hollendung das Netzwerk pflegend Beschäftigter. "Das war eine ungeheure Entlastung."

Das Netzwerk pflegend Beschäftigter war ursprünglich ein Projekt, das von der Sozialholding umgesetzt und vom Land finanziert wurde. Seit dem Sommer ist die Landesfinanzierung ausgelaufen, die Arbeit des Netzwerkes wird aber fortgesetzt. Die darin zusammengeschlossenen 30 Unternehmen zahlen einen Mitgliedsbeitrag und sorgen so dafür, dass ihre Mitarbeiter mit der Organisation der häuslichen Pflege nicht allein gelassen werden. Etwa zehn Prozent der Beschäftigten sind mit Doppelbelastung Beruf und Pflege konfrontiert. Eine Doppelbelastung, die schnell zu viel werden kann, wenn es keinerlei Unterstützung gibt.

(RP)
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