Mönchengladbach Verrückt vor Liebe, erdrückt von Schuld

Mönchengladbach · Claus Grünberg hat durch einen Unfall Frau und Tochter verloren. Er landet in der Irrenanstalt, leidet an multiplen Persönlichkeitsstörungen. Die Premiere der Oper "Der seltsame Fall des Claus Grünberg" wurde begeistert gefeiert.

 James Park, Agnes Thorsteins, Andrew Nolen, Panagiota Sofroniadou und Alexander Kalina (v.l.) in einer Szene der Oper "Der seltsame Fall des Claus Grünberg.

James Park, Agnes Thorsteins, Andrew Nolen, Panagiota Sofroniadou und Alexander Kalina (v.l.) in einer Szene der Oper "Der seltsame Fall des Claus Grünberg.

Foto: Matthias Stutte

Diese Oper geht unter die Haut. Diese Oper ist wie keine andere. Diese Oper weckt extreme Emotionen, die den Zuschauer ziemlich mitnehmen können. Diese Oper ist geprägt von der Musik Claudio Monteverdis, der genau das wollte: dass wir ordentlich mitleiden, uns intensiv mitfreuen können, gelegentlich herzhaft lachen - und unablässig hoffen. Dass die Liebe siegt, dass alles gut wird, dass es ein Happy End gibt. Die Liebe siegt tatsächlich, aber anders, als im Kitschroman. Die Liebe zu seiner toten Frau Claudia ist so übermächtig, dass Claus Grünberg, der sie und die gemeinsame Tochter Arianna bei einem Autounfall verlor, bei dem er selbst am Steuer saß, ihr in den Tod folgt. Und da müssen wir es irgendwie ertragen, dass er sich die Unterarme aufschlitzt, dass hinter ihm auf der Leinwand strudelndes Blut, das aus seinem Körper herausläuft, projiziert wird.

Der ausgesprochen facettenreiche Sänger Andrew Nolen ist der Verzweifelte, der in der Irrenanstalt gelandet ist, mit Medikamenten ruhiggestellt, in der Zwangsjacke gefesselt, umsorgt von fragwürdigem Krankenhauspersonal. Doktor Bardi (James Park) will ihn mit positiven Gedanken aus seiner Apathie erwecken. Er erinnert ihn an die tollen Erlebnisse, die er als gefeierter, erfolgreicher Opernkomponist hatte. Die Parallele zum Leben Monteverdis ist evident, auch der Komponist verlor seine Frau und seinen Sohn auf tragische Weise.

Andrew Nolen singt und spielt so überzeugend und eindringlich, dass sich jeder einzelne im kleinen Studioraum des Theaters persönlich von ihm angesprochen fühlen muss. Seinem intensiven Blick kann niemand ausweichen. Und wenn er in höchsten Tönen und in allertiefstem Bass über seine Vergänglichkeit, seine Liebe, seine Hoffnungen singt, ist das einfach nur atemberaubend. Mal hält er sich für Monteverdi, mal identifiziert er sich mit Opernfiguren wie Pluto, dem Gott der Unterwelt. In seiner Fantasiewelt nimmt er die Besucher und das Klinikpersonal abwechselnd als Gestalten der Unterwelt wahr oder sieht in ihnen Musiker aus Monteverdis Umfeld aus Mantua und Venedig. Die Rolle, möchte man meinen, ist für Andrew Nolen erfunden worden.

Der südafrikanische Opernsänger und -regisseur Kobie van Rensburg, der nach eigener Aussage "verrückt nach Monteverdi ist", hat wieder einmal eine atemberaubende multimediale Oper für das Theater inszeniert und mit großartiger Besetzung auf die Studiobühne gebracht. Neben Nolen und dem überaus klangvoll auftretenden, feinen James Park als Psychiater, ist da Susanne Seefing, die als Claudios Frau immer wieder zu ihm kommt, ihn tröstet, ihn beruhigt, um ihn dann wieder in der sterilen Krankehausatmosphäre allein zu lassen. Ihre Stimme, ihr Spiel drücken ihre Seelenqual aus, wie sie liebevoll ihren Mann umsorgt, den Abschiedsschmerz heraus singt - das ist fesselnd, das berührt.

Phantastisch auch die neuen Stipendiaten des Opernstudios, Panagiota Sofroniadou (Musica, Amor und Krankenschwester) und Alexander Kalina (Mercurio und Krankenpfleger). Tolle Stimmen, tolle Ausstrahlung. Das gilt ebenso für die bereits erfahrene Opernstipendiatin Agnes Thorsteins (Fortuna und Pallas Athene). Es macht viel Freude, diesen Sängern zuzuhören, ihre Spielfreude und ihre Begeisterung für diese außergewöhnliche Operninszenierung zu erleben.

Und dann sind da noch die jungen Musiker von den Niederrheinischen Sinfonikern, die unter der Leitung des temperamentvollen Griechen Yorgos Ziavras die wundervolle Musik Monteverdis virtuos und gefühlvoll umsetzen.

Die Begeisterung des Publikums äußert sich ohrenbetäubend: Riesenapplaus, trampelnde Füße erzeugen Donnergetöse, dazu laute "Bravo-Rufe". Zu Recht!

Termine: 7. und 15. Oktober, 7. und 19. November, 20 Uhr; Karten: Telefon 02166 6151100, online auf www.theater-kr-mg.de.

(isch)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort