Redaktionsgespräch Mathis Wiesselmann Vertrauen in die Arbeit der Polizei steigt

Mönchengladbach · Der Polizeipräsident spricht über die Einsätze zu Silvester und Karneval sowie den sozialen Zusammenhalt in den Stadtteilen. Und er sagt, warum beschleunigte Verfahren das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken können.

Wie sind Sie ins neue Jahr gekommen? Konnten Sie entspannt feiern?

Mathis Wiesselmann Ja, ganz entspannt. Ich war in Bonn mit meiner Frau im Theater, war aber telefonisch erreichbar. Ich habe natürlich nach Mitternacht mit dem Einsatzleiter telefoniert. Die Signale waren erfreulich, alles war ruhig, eine ganz normale Nacht. Die Polizei war auf alles vorbereitet und mit doppelter Personalstärke im Einsatz, aber es gab keine Probleme. Nur einmal haben wir genauer hingesehen, als sich etwa 120 arabisch oder nordafrikanisch aussehende Männer am Mönchengladbacher Hauptbahnhof sammelten. Sie fuhren aber schnell nach Düsseldorf weiter.

Haben Sie Erkenntnisse, um was für eine Gruppe es sich da gehandelt hat?

Wiesselmann Nein, es liegen keine definitiven Erkenntnisse vor, sie waren zu schnell wieder verschwunden. Vermutlich wollten sie dort feiern. In den Flüchtlingsunterkünften ist ab 22 Uhr Schluss, auch Silvester. Deshalb zieht es junge Männer zwischen 16 und 30 Jahren in die großen Zentren, nach Düsseldorf oder Köln.

Die Polizei war mit vielen Einsatzkräften unterwegs. Wie sieht es eigentlich mit den Überstunden aus?

Wiesselmann Die Überstundenkonten sind prall gefüllt, besonders bei der Bereitschaftspolizei, die bundesweit im Einsatz ist. In Mönchengladbach ist Bereitschaftspolizei stationiert, aber sie kommt hier nicht so häufig zum Einsatz. Mönchengladbach ist im landesweiten Vergleich kein Kriminalitätsschwerpunkt. Aber natürlich gibt es auch immer wieder Situationen, in denen wir die Bereitschaftspolizei in Mönchengladbach einsetzen.

Nordafrikaner sind angeblich häufiger straffällig und treten aggressiv auf. Wie sind hier die Erfahrungen? Handelt es sich um Asylsuchende?

Wiesselmann Wir haben in der Altstadt Erfahrungen mit der Antänzerszene gemacht. Die meisten Antänzer stammen aus den Maghrebstaaten und es gibt Widerstand bei den Kontrollen. Beim Umgang mit dieser Klientel interessiert mich der Flüchtlingsstatus nicht. Wir müssen da sauber trennen. Es handelt sich um eine Gruppe junger Männer, denen es nicht um Asyl geht, sondern um ein kriminelles Geschäftsmodell. Da müssen wir eingreifen. Insgesamt ist die Kriminalität unter Asylbewerbern nicht höher als im bundesdeutschen Durchschnitt.

Gibt es eigentlich Gefährder mit Bezug zu Mönchengladbach?

Wiesselmann Ja, eine ganz kleine Zahl, weniger als ein Dutzend. Davon sind die meisten in Kampfgebieten des IS, zwei sitzen in Haft. Aber wir behalten das im Auge. Mönchengladbach ist in dieser Hinsicht aber kein Hotspot. Wir müssen unterscheiden zwischen Salafisten und gewaltbereiten Islamisten. Nicht jeder Salafist ist gewaltbereit, aber jeder gewaltbereite Islamist hat einen salafistischen Hintergrund.

Die Karnevalstage stehen vor der Tür. Wie sieht der Polizei-Einsatzplan aus?

Wiesselmann Wir überarbeiten das Konzept. Im letzten Jahr verlief der Karneval absolut ruhig. Es gibt auch in diesem Jahr keine konkreten Hinweise auf besondere Gefahrenlagen. Die Erfahrung zeigt, dass uns eher ausgelassen feiernde junge Menschen beschäftigen. Alkoholisierte Jugendliche sind in diesem Zusammenhang ein sehr gängiges Phänomen. Wir werden stark aufgestellt sein und mit dem Ordnungsamt der Stadt zusammenarbeiten.

Reicht die Videobeobachtung in der Altstadt, oder wird sie an Karneval auch tagsüber eingeschaltet?

Wiesselmann Die Kameras sind freitags, samstags und vor Feiertagen von 22 Uhr bis 8 Uhr aktiviert. Es hat sich als sinnvoll herausgestellt, die Videobeobachtung in den Morgen hinein zu verlängern. Auch während des Weihnachtsmarktes lief die Überwachung, und während der Karnevalstage wird das auch so sein. Das ist ausreichend. Während ereignisärmerer Zeiten wäre eine Videobeobachtung nicht verhältnismäßig und würde nur Personal binden.

Können auch andere Plätze videoüberwacht werden?

Wiesselmann Videobeobachtung ist nur an Kriminalitätsschwerpunkten erlaubt, und sie ist auch nur dann sinnvoll, wenn die Kriminalität nicht einfach in die Nebenstraßen verdrängt und verlagert wird.

Was halten Sie von dem Vorstoß der GroKo, in der Stadt Live-Webcams zu installieren?

Wiesselmann Die Stadt kann den Einsatz prüfen, aber so etwas hat nichts mit Polizeiarbeit zu tun.

Ist geplant, die Gladbacher Polizei mit Schulterkameras auszurüsten?

Wiesselmann Es gibt in Nordrhein-Westfalen Feldversuche, und die werden erst einmal ausgewertet. Ich halte diese Kameras für eine gute Idee. Wenn das Gegenüber von der Kamera weiß, werden Widerstände gegen Polizeibeamte nachlassen, und Straftaten aller Art können beweissicher dokumentiert und verfolgt werden.

Ist Gewalt gegen Polizeibeamte auch in Gladbach ein Thema?

Wiesselmann Die Zahlen steigen, und das ist bedrückend. Es gibt eine generelle Tendenz, die sich breit macht und auch Lehrer, Rettungskräfte oder Mitarbeiter bei der Arbeitsagentur betrifft. Meine Kollegen sorgen für Sicherheit und sie haben Respekt für ihre Arbeit verdient und keine Anfeindungen. Aber es kommt auch sehr viel Zuspruch aus der Bevölkerung. Das Vertrauen in die Polizei ist groß und wächst noch. 88 Prozent der Bürger in Deutschland haben Vertrauen in die Arbeit der Polizei, das hat eine Umfrage von Infratest-Dimap gerade ergeben. Auch die Reaktionen auf unsere Posts bei Facebook und Twitter sind meist sehr positiv. Da kommt viel Dank, und das kommt bei den Kollegen gut an.

Sie sind jetzt seit über einem Jahr im Amt. Mögen Sie Mönchengladbach eigentlich?

Wiesselmann Ja, ich mag die Stadt sehr. Ich habe festgestellt, dass Mönchengladbach in seinen Stadtteilen lebt. Sie machen die Stadt eigentlich aus. Dort gibt es ein reges Vereinsleben, die Leute sind auch im Brauchtum aktiv, in Parteien oder Kirchen. Sie kümmern sich gemeinsam um die Dinge und das schafft sozialen Zusammenhalt, was wiederum zu weniger Kriminalität führt. Als Polizeipräsident kann ich nur allen Ehrenamtlern Dank sagen, sie stärken unsere Arbeit ungemein.

Wann werden Sie in das neue Polizeipräsidium ziehen?

Wiesselmann Ich bin optimistisch, dass der Einzug Anfang 2018 stattfinden kann. Ich habe kürzlich den Rohbau besichtigt. Es ist ein großartiges Gebäude, hell und freundlich. Wir werden auch nach dem Umzug in Rheydt an der Vierhausstraße präsent bleiben.

Was steht sonst noch auf Ihrer To-do-Liste für das neue Jahr?

Wiesselmann: Wir denken weiter darüber nach, wie wir noch mehr Präsenz erreichen können. Ich muss aber beachten, dass die Kollegen schon sehr belastet sind. Außerdem dreht sich ein hausinternes Projekt um die Einbruchsproblematik. Wir setzen einerseits auf Prävention, andererseits wird die Tatortarbeit intensiviert und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit gestärkt.

In der Altstadt haben Sie ein neues Schichtdienstmodell umgesetzt.

Wiesselmann: Ja, wir haben unsere Präsenz am Wochenende um das Vierfache gesteigert. Unsere Maßnahmen, wie Festnahmen, Ingewahrsamnahmen, Platzverweise, und Gefährderansprachen haben wir auch um ein Vielfaches gesteigert. Wir sind verstärkt die Antänzerszene angegangen. In der ersten Nacht war unser Polizeigewahrsam überfüllt, am nächsten Wochenende war er immer noch sehr voll, aber jetzt ist in den meisten Nächten Ruhe eingekehrt. Wir haben viel bewirkt, das Geschehen in der Altstadt hat sich aus polizeilicher Sicht normalisiert.

Wie schätzen Sie die Sicherheitslage in Mönchengladbach ein?

Wiesselmann Mönchengladbach ist eine sichere Großstadt, wir liegen unter den 39 Großstädten mit mehr als 200.000 Einwohnern im bundesweiten Vergleich auf dem sechsten Platz. Die Gewaltdelikte sind rückläufig. Auch die Einbrüche gehen leicht zurück, wenn auch jeder einzelne einer zu viel ist. Sie beeinträchtigen das Sicherheitsgefühl der Menschen nachhaltig.

Ist die Polizei personell noch in der Lage, alle Aufgaben zu bewältigen?

Wiesselmann Ja. Wir priorisieren natürlich. Ein Einsatz wegen eines Einbruchs, häuslicher Gewalt oder ein Verkehrsunfall mit Personenschaden geht vor. Einer wegen Ruhestörung, für den in erster Linie der KOS zuständig ist, muss dann warten. Der KOS arbeitet ja nicht rund um die Uhr, was aber schön wäre.

Hat die Polizei Probleme, Nachwuchs zu finden?

Wiesselmann Seit einigen Jahren gibt es im Land eine Einstellungsoffensive: Jedes Jahr werden landesweit 2000 Anwärter eingestellt. Die Bewerberzahlen liegen bei 9000. Das heißt, es gibt genügend junge Menschen, die den Beruf interessant finden. Die Laufbahn bei der Polizei ist ja auch überaus vielseitig und hat Perspektiven. Es ist ein Beruf für Menschen, die sich für die Sicherheit in ihrer Stadt einsetzen wollen, Teamplayer sind und jedem Arbeitstag einen Sinn abverlangen.

In der Zusammenarbeit mit der Justiz setzen Sie große Hoffnungen auf das besonders beschleunigte Verfahren. Was ist darunter zu verstehen?

Wiesselmann Das besonders beschleunigte Verfahren kommt bei erwachsenen Tätern zum Einsatz, wenn es eine klare Beweislage gibt. Dann kann die Hauptverhandlung vor Gericht innerhalb einer Woche stattfinden, der Täter bleibt solange in Haft. Gerade wurde beispielsweise eine Ladendiebin im Rahmen eines solchen Verfahrens zu fünf Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Hier zeigt der Rechtsstaat, dass er schnell handeln kann. Das ist ein klares Signal an die Bürger und auch gut für die Motivation der Kollegen. Es ist schon frustrierend, Ladendiebe mehrfach in einer Woche aufzugreifen und immer wieder auf freien Fuß zu setzen. Hier hilft das besonders beschleunigte Verfahren, dass wir gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft und den Amtsgerichten verstärkt etablieren wollen.

DAS INTERVIEW FÜHRTEN GABI PETERS, ANGELA RIETDORF UND DIETER WEBER.

(RP)
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