Serie Denkanstoss Von der Sprache lernen

Mönchengladbach · Pfarrer Klaus Hurtz weist in einer Rückschau auf die Diskussionen um die Hilfen für Griechenland darauf hin, dass ihm eine Frage dabei viel zu kurz kam: Welches Wertesystem haben wir?

Vielleicht ist es kein Thema für die Ferienzeit. Aber auf der anderen Seite haben sich die Wogen medialer Berichterstattung endlich etwas geglättet, so dass ein ruhigeres Nachdenken über die Griechenlanddebatte möglich wird. Denn immerhin geht es um den Euro, also unsere gemeinsame Währung, und beim Geld, das wissen wir, hört jede Freundschaft auf. Oder ist gerade die Währung die Bewährungsprobe des Ernstfalls?

Auf alle Fälle ist es immer die Krise, die die Belastbarkeit einer Beziehung und damit ihre eigentlichen Grundlagen offenlegt, denn wirkliche Schwierigkeiten können nur mit solidarischem Verhalten gemeistert werden. Das Wort "solidarisch" (gemeinsam, füreinander einstehend, eng verbunden) ist erst im 19. Jahrhundert aus dem Französischen "solidaire" in unsere Sprache gekommen; dieses wiederum ist eine juristensprachliche Neubildung von dem lateinischen "solidus" (gediegen, echt; fest, unerschütterlich; ganz) gewesen. Und daraus ist eine weitgefächerte Wortfamilie gewachsen, dazu zählen neben dem Begriff Solidarität auch Sold und Soldat, genauso wie Saldo und konsolidieren.

Allein dieser Befund zeigt mir einmal mehr die geheimnisvollen Verweise der Sprache, doch wirklich spannend wird es, wenn man realisiert, dass "solidus" mit "salvus" (heil, gesund) eng verwandt ist. So sagt uns die Sprache, dass solidarisches Handeln heile, gesunde Beziehungen voraussetzt, wie auch diese wiederum gleichsam von selbst zu solidarischem Verhalten führen. Haben wir in unserer europäischen Großfamilie diese heilen Beziehungen? Und wenn nicht, wie können wir sie erreichen?

Schon der Volksmund weiß, dass Liebe sich nicht erkaufen lässt; generöse materielle Geschenke können bestenfalls das Herz eines Menschen beeindrucken, aber nie gewinnen. Natürlich stimmt der Einwand, dass es zwischen Völkern nicht unbedingt um Liebe geht, aber gewiss immer um Werte. Hier hat in unserer Gesellschaft eine seltsame Wortverwirrung stattgefunden; Geld besitzt immer irgendeinen materiellen Wert, und insofern kann es dazu beitragen, Lebens-Werte zu verwirklichen, aber es ist nie selber einer. Doch solide Beziehungen können nur auf Grundwerte gebaut werden. Deshalb muss zunächst eine Wertedebatte geführt werden, und diese kann wiederum nur gelingen, wenn man sich über die eigenen im Klaren ist. Eigentlich geht es um die Frage, worauf sich unser Leben gründet.

So zeigt uns die Sprache, dass die Griechenlanddebatte nicht nur ein Thema für Diskussionsrunden im fernen Berlin, Brüssel oder Athen ist, auch nicht nur für die nahen Stammtische, sondern mit uns selbst verwoben ist wie die meisten aktuellen (Welt-) Probleme. Welches Wertesystem haben wir? Worauf gründet das Leben? Damit ist letztlich die Gretchenfrage gestellt, denn bei der Suche nach einer aufrichtigen und ehrlichen Antwort muss immer die eigene Beziehung zu Gott mitbedacht werden. Und Gott nachzuspüren, dazu bietet doch gerade die Ferienzeit die beste Gelegenheit.

DER AUTOR DES DENKANSTOSSES IST PFARRER VON ST. MARIEN RHEYDT.

(RP)
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