Mensch Gladbach Von wahrlich Großem und relativ Kurzem

Meinung | Mönchengladbach · Manches ist nur eine Frage der Perspektive. Zum Beispiel, ob sich eine Stadt Investoren auf einer Messe als Solistin präsentieren muss. Oder ist nicht doch ein größeres Ski-Event wirkungsvoller? Vieles ist relativ, besonders die Zeit. Wenn es etwa darum geht, bei Grün über eine Fußgängerampel zu spurten. Noch unberechenbarer sind nur Prognosen - wie die für die richtige Zahl an Kita-Plätzen.

Wettbewerb ist schon etwas Feines. Zumindest, solange man auf der Siegerseite steht. Meist ist es ja doch ein Auf und Ab. Das Kräftemessen lässt einen im Idealfall in beiden Phasen am Ball bleiben. Aber denken Sie jetzt nicht nur an Fußball.

Denn es gibt so vieles, bei dem man zum Konkurrenten schielt, um auszuloten, wo man selber steht oder stehen möchte. So ist es auch zwischen Kommunen. Eine internatonale Bühne für das breitbrüstige Schaulaufen der Städte ist alljährlich die Immobilienmesse Mipim in Cannes. Dort wird heftig um Investoren gebuhlt. Es ist wichtig, präsent zu sein, um wahrgenommen zu werden. Trotz des teuren südfranzösischen Pflasters.

Mönchengladbach war auch wieder dabei. Allerdings nicht mit einem eigenen Stand wie Düsseldorf, sondern an einem Gemeinschaftsstand mit anderen Städten - zum Beispiel Köln oder Aachen. Das mag mancher Landeshauptstädter belächeln. Aber der Unterschied ist: Mönchengladbach ist in der Haushaltssicherung - da verbietet es sich von selbst, allzu sehr zu prassen. Wie viel Geschäft unter der südfranzösischen Sonne tatsächlich gemacht wird und wie viel Show dabei ist, steht ohnehin auf einem anderen Blatt.

Und die grundsätzliche Frage ist, woran sich Größe wirklich bemisst. Mönchengladbach ist im Aufschwung, für Investoren attraktiv, weil immer noch bezahlbar. Bezahlbar ist es auch für die Mönchengladbacher, hier zu leben. Noch. Das ist in Düsseldorf schon anders.

Muskeln spielen lassen kann Mönchengladbach also durchaus. Auch ein bisschen protzen. Beispiel gefällig? "Big Air" heißt zu Recht ein spektakuläres Ski-Event, das vergangenen Dezember erfolgreiche Premiere hatte und dieses Jahr wiederholt wird. Dass in der Landeshauptstadt jetzt auch in der Vorweihnachtszeit ein Ski-Rämpchen aufgebaut werden soll, lässt den stolzen Gladbacher nur müde lächeln.

Es ist eben alles eine Frage der Perspektive. Das relativiert vieles. Bekanntermaßen auch die Zeit. Von der gibt es meist zu wenig. In Mönchengladbach besonders, wenn man als Fußgänger an Ampeln unterwegs ist. Bei manchen, wie der an der Kreuzung Stepgesstraße/Lüpertzender Straße, dauert die Grünphase nur wenige Sekunden. Da muss man schon Sprinterqualitäten haben, um legal auf der anderen Seite anzukommen. Wir wollen aber heute nicht klagen, sondern positiv denken. Vermutlich ist das relativ kurze Grün von den Verantwortlichen im Rathaus als Ansporn gedacht: So muss man sich in der alternden Gesellschaft fit halten.

Überhaupt wird der demografische Wandel in Mönchengladbach abgefedert. Denn die Zahl der Geburten steigt seit Jahren, allein zwischen 2013 und 2016 um mehr als 30 Prozent. Das ist eine gute Nachricht, stellt die Stadt allerdings auch vor Herausforderungen. Denn die unerwartete Geburtenfreude wirft die Prognose für die Kita-Plätze über den Haufen. 20 neue Kindergärten müssten gebaut werden, um den ermittelten Bedarf an Betreuung der lieben Kleinen zu stillen. Das ist ein Kraftakt für eine finanziell nicht üppig ausgestattete Kommune.

Da sind Kreativität und Engagement gefragt. Und davon hat Mönchengladbach relativ viel.

(RP)
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