Mönchengladbach Warum Namen für Straßen reifen müssen

Mönchengladbach · Bei einer Diskussion ging es um Straßen, die nach historisch belasteten Personen benannt sind.

 Immer wieder Stein des Anstoßes in der Diskussion um Straßennamen: die Lettow-Vorbeck-Straße am Bunten Garten.

Immer wieder Stein des Anstoßes in der Diskussion um Straßennamen: die Lettow-Vorbeck-Straße am Bunten Garten.

Foto: Detlef Ilgner

Ob und wie im Geist ihrer Zeit gewählte Straßennamen zum Problem für nachfolgende Generationen werden können, war Thema der Podiumsdiskussion "Historisch gewachsen oder historisch belastet? (Um-)Benennung öffentlicher Straßen und Gebäude". Im Rittersaal von Schloss Rheydt moderierte Museumsdirektor Dr. Karlheinz Wiegmann das Thema begleitend zur Ausstellung, die dem Gladbacher Dichter Heinrich Lersch gewidmet ist. Der war NSDAP-Mitglied.

Die Gesprächspartner Dr. Gert Fischer (Kulturdezernent), Reinhold Schiffers (Vorsitzender des Kulturausschusses) und Hans Schürings (Geschichtswerkstatt Mönchengladbach) sind in politischer und beruflicher Funktion oft mit Fragen der Benennung und Umbenennung konfrontiert. Schürings formulierte bewusst spitz zur Heinrich-Lersch-Straße: "Heute wäre es nicht mehr denkbar, nach ihm eine Straße zu benennen." Er räumte allerdings ein, dass bei jeder Umbenennung der Einzelfall betrachtet werden müsse und kommentierte nicht, ob dies im Fall besagter Mönchengladbacher Straße nötig sei. Fischer und Schiffers betonten entschieden, dass Lersch nicht auf eine Stufe zu stellen sei mit Namenspatronen vom Kaliber eines Generals Lettow-Vorbeck. Sie sahen deswegen im Fall Heinrich Lersch keinen Handlungsbedarf.

Einigkeit herrschte darin, dass Namensgebungen immer auch Wertespiegel ihrer Zeit seien. Schiffers unterschied explizit zwischen Benennung und Umbenennung. Er mahnte mehrfach die Bedeutung von Diskussionen an, stellte aber auch fest: "Bestimmte Dinge sollte man wissen und muss sie in einer bestimmten Bandbreite ertragen."

Gert Fischer verwies auf Kuriositäten, die oftmals entstünden, wenn ein politisches Spektrum und Gleichgewicht der Geschlechter in der Straßenbenennung erreicht werden sollen. Oft scheitere eine Umbenennung schon am Widerstand der Anwohner oder werde politisch instrumentalisiert, "um einem anderen eine Schelle ans Bein zu binden", so der Kulturdezernent.

Einig waren sich alle, dass die Beschränkung auf unverfängliche Flur- und Blumennamen keine Lösung seien. Doch sollten Namen einerseits mit Bedacht gewählt und sollte andererseits kein Lebenswerk vorschnell beurteilt werden.

Zum Ende hin brachte das Publikum wieder konkret den Namen Heinrich Lersch ein. Ein Besucher zitierte textsicher aus dessen Schaffen und bat, über die titelgebende Verszeile ("Deutschland muss leben - und wenn wir sterben müssen") nicht den Wandel des Dichters zu übersehen.

Lerschs Enkel, der Künstler Martin Lersch, hatte, abgesehen von einer Korrektur, während der gesamten Diskussion geschwiegen. Doch er formulierte das passende Schlusswort: "Vielleicht sollte eine Stadt wie Mönchengladbach erst einen Namen wählen, wenn die Person bereits länger tot ist, damit der Name reifen kann. Sich mäßigen und beruhigen - das täte dem Ganzen gut".

(anw)
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