Mönchengladbach Wenn Bücher das Sprechen lernen

Mönchengladbach · In der interkulturellen Familienbibliothek erzählen im Januar Menschen als "lebendige Bücher" ihre Geschichten. Das Projekt in der Stadteilbibliothek Rheydt haben zwei Studentinnen der Hochschule Niederrhein initiiert.

 Henriette Gerstenberger und Pia Baisch haben das Projekt in der interkulturellen Familienbibliothek organisiert und wollen damit die Erzählkultur in Mönchengladbach stärken.

Henriette Gerstenberger und Pia Baisch haben das Projekt in der interkulturellen Familienbibliothek organisiert und wollen damit die Erzählkultur in Mönchengladbach stärken.

Foto: Jörg Knappe

In der Ecke der Bibliothek steht ein Buch und spricht. Es erzählt davon, wie es war, in den 50er Jahren aufzuwachsen. In einer anderen Ecke spricht ein Buch von seiner Reise auf die Färöer Inseln, von Wind und salziger Luft. Die können die Zuhörer beinahe auf ihren Lippen schmecken. Auf der ganzen Etage der interkulturellen Familienbibliothek sitzen die Bücher verteilt, jedes erzählt seine eigene Geschichte.

Und die können so unterschiedlich sein, wie das Leben eben ist: Lustig, traurig, zum Schmunzeln, rührend. So soll es ablaufen, wenn am Samstag, den 17. Januar, Menschen als lebendige Bücher in der interkulturellen Familienbibliothek Rheydt von ihren Geschichten, Erfahrungen und Begegnungen erzählen.

Zwei Kulturpädagogik-Studentinnen der Hochschule Niederrhein haben die Idee initiiert. "Eine Freundin von mir hat das in Russland schon gemacht", sagt Pia Baisch, Studentin im fünften Semester. Diese hat dort Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, ihre Geschichten erzählen lassen. In Rheydt soll aber jeder, der möchte, einfach aus seinen Lebensgeschichten erzählen können.Auch in Wuppertal gibt es schon ein ähnliches Projekt. "Wir haben das Konzept entwickelt und dann entdeckt, dass es das schon woanders gibt", sagt Henriette Gerstenberger. In der Bibliothek im Zentrum von Rheydt soll jeder die Möglichkeit bekommen, seine Geschichte zu erzählen, egal welchen Alters oder Herkunft. "Wir wollen einfach Gespräche zwischen Menschen anregen." Zehn lebendige Bücher haben die beiden Studentinnen der Hochschule Niederrhein schon gefunden, wer möchte, kann sich dafür noch anmelden. Die Menschen haben sich für ihre Geschichte einen Buchtitel ausgedacht. "Wir wollen eine kommunikative Plattform schaffen und die Erzählkultur beleben", sagt Pia Baisch. Vielen Leuten sehe man ihre lustigen, traurigen und spannenden Geschichten nicht an. Und: "Man kommt ja nicht einfach ins Gespräch." Der Besucher kann sich zu Beginn der Ausstellung über die verschiedenen Bücher infomieren, in die ersten Seiten reinlesen und dann zu den lebendigen Büchern hingehen. Einige der Menschen lesen ein Manuskript vor, andere erzählen frei.

Die Besucher können genauer nachfragen und das Buch mit den Fragen in eine Erzählrichtung lenken. "Bücher stellen eine bestimmte Welt dar. Wenn man liest, kann man nur einen Ausschnitt dieser Welt betrachten", sagt Pia Baisch. Bei den lebendigen Büchern kann man eben nachbohren, den Ausschnitt vergrößern. Die Menschen, die ihre Geschichte erzählen wollen, haben die beiden Studentinnen überall in der Stadt gesucht. Ganz speziell im Erzählcafé, einem Kurs für kreatives Schreiben an der VHS oder bei der Stadtteilkonferenz. Die Bücher erzählen von 14 bis 18 Uhr ihre Geschichten. "Ich denke, dieses Authentische, dieses Reale, das fasziniert die Menschen", sagt Guido Weber, Fachbereichsleiter der Stadt und für die Stadtbücherei zuständig.

(RP)
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