Serie Was Macht Eigentlich? Wenn Hobby und Beruf verschmelzen

Mönchengladbach · Manfred Schmelzer ist Gladbacher Jazz-Urgestein. 1955 begann er - und ist fast 60 Jahre später immer noch aktiv dabei. Er wollte nie Profimusiker werden, doch er lebt mit und von der Musik: Er spielt und baut mit 73 Jahren Posaunen - die weltweit gefragten "Schmelzer-Trombones".

 Der Mann an der Posaune beim 7. NVV-Jazzsommer am 7. August 2005: Manfred Schmelzer mit "Mr. Feelgood's Happy Jazz".

Der Mann an der Posaune beim 7. NVV-Jazzsommer am 7. August 2005: Manfred Schmelzer mit "Mr. Feelgood's Happy Jazz".

Foto: Dieter Bongartz

Wer in dieser Stadt Jazz liebt, kommt an Manfred Schmelzer nicht vorbei. "Manni ist ein Mönchengladbacher Jazz-Urgestein. Ein Mann, der als Musiker und auch als Mensch bei allen anerkannt und beliebt ist", sagt Szenekenner Horst Pawlik.

"Manni" Schmelzer, 1,90 Meter groß und breitschultrig, ist nicht zu übersehen und mit seiner Posaune auch schwer zu überhören. Doch er drängt sich nicht in den Vordergrund, nicht im Leben und auch nicht auf der Bühne, auf der er heute, mit 73 Jahren, immer noch drei- bis viermal im Monat Musik macht. Im Gespräch unterstreicht er seine Worte mit freundlichen Augen und sanften Gesten der Hände, die Kohlen- schaufeln ähneln.

Hände, die zupacken, aber auch feine Arbeit leisten, streicheln oder sanft zupfen können. Etwa die Saiten eines Banjos, mit dem 1958 sein Einstieg in den Jazz begann. "Es war die Zeit der Skiffle-Welle mit Waschbrettern als Vorläufer des Rock. Ich hatte als Kind Klavierunterricht gehabt, was eine gute Basis war, mich aber nicht auf Dauer begeisterte", erzählt Schmelzer. "Dann habe ich mit Klarinette begonnen. Doch mein Spiel war grauenhaft, ein Gejaule, das man sich nicht anhören konnte." Doch der Skiffle hatte ihn gepackt. So fuhr er mit seinem Freund Bernd Schmude nach England, um Banjos zu kaufen.

1959 kam er mit Bernd Schmude zu seiner ersten Band: den "Pineapple Jazz-Babies", die in Dülken in der damals angesagten Musikkneipe "Die Zwiebel" spielten. Ein Banjo aber hatten die Jungs dort schon, und auch eine Klarinette. "Was ihnen fehlte, war eine Posaune", erzählt Schmelzer. "Doch ich hatte keine, und als Lehrling auch kein Geld, mir eine zu kaufen. Aber beim Evangelischen Posaunenchor im damaligen Haus Zoar in Gladbach konnte man sich eine leihen." Das tat er, lernte recht schnell, eher im Selbstversuch, sie zu spielen ("Richtigen Unterricht habe ich nicht gehabt"). Bald stand er mit auf der "Zwiebel"-Bühne.

"Pineapple Jazz-Babies" waren 1959 der Start zu einer bis heute währenden Serie mit immer neuen Bands, deren aller Namen Manfred Schmelzer nur mit Mühe zusammenbrächte. "Ich habe nie nur in einer Band gespielt, bin auch gerne irgendwo eingesprungen. Und ich habe mich auch nie auf eine Richtung festgelegt oder mich in eine Schublade stecken lassen. Denn ich kann mich anpassen", sagt Manni Schmelzer. "Ich würde jedoch nie den New-Orleans-Jazz als meine musikalische Herkunft verleugnen. Aber auch Swing, Blues und Rock sind meine Musik."

Die "M. Felix Brass Band", Mitte der 60er Jahre gegründet, mit "Kinnie" Hagmann (der jetzt als Mönchengladbacher Oberbürgermeister-Kandidat 2014 scheiterte), nennt Schmelzer als seine nachhaltigste Station nach den "Pineapple Jazz Babies" unter all den Gruppen, mit denen er gespielt hat. Dann gab es auch eher spaßige Bands wie "Hermanns-Feuerwehr-Kapelle". 1995 folgte "Eight-Wheel-Drive". "Da haben wir aus dem Stand heraus eine professionelle Band auf die Beine gestellt, die es heute noch gibt. Im August werden wir wieder auf einem Festival in Bulgarien spielen."

Manfred Schmelzer und seine Freunde haben im Lauf der Jahrzehnte in vielen Ländern, von Japan bis Amerika. gespielt, zum Teil mit Größen des Geschäfts wie Acker Bilk, Wendell Brounius oder Dan Barrett, und zahlreiche Preise gewonnen. Das war oft durchaus schon professionell. Doch Berufsmusiker hat Schmelzer nie werden wollen: "Das war kein Thema für mich. Ich habe viele Freunde, die Profis geworden sind. So weiß ich, dass Berufsmusik ein hartes Geschäft ist - und mir zu unsicher."

Schmelzer hat und macht gerne Spaß. Doch ein Hallodri oder gar Hasardeur war er nie. Da spielt auch seine grundsolide Ausbildung mit: Der Junge aus Großheide machte zuerst eine Gärtnerlehre im Franziskus-Krankenhaus, begann nach der Bundeswehr eine zweite Ausbildung als Bankkaufmann bei der Centrale Credit in Gladbach, arbeitete dann als Datenverarbeitungs-Organisator ("Es waren die Anfänge des Computers im Büro") und Verkäufer bei Kienzle Automotive in Düsseldorf.

In seiner Freizeit spielte die Musik eine große Rolle. Und 1973 wagte er, wohl überlegt, den Absprung: Er eröffnete in der Altstadt zwischen dem Altstadt-Lokal Haus Caspers (heute "Stainer's") und der legendären Jazz-Kneipe "Bügeleisen" ein kleines Geschäft, in dem er Blasinstrumente verkaufte und reparierte. Es war eine richtige Entscheidung. Das Geschäft wuchs langsam, aber stetig, brauchte immer mehr Platz. Es folgte ein Umzug einige Hundert Meter die Waldhausener Straße hinunter und 1980 der Sprung nach Wickrath, wo Manfred und Maria Schmelzer ein Haus mit Wohnung, Werkstatt- und Verkaufsräumen bauten und er 1994 mit der Entwicklung und handgefertigten Produktion eigener Posaunen begann. Der erste Käufer war Chris Barber - weltbekannter Posaunist, Bandleader, erst Vorbild und dann Freund Manni Schmelzers.

Barber ist heute 83 Jahre alt. "Ich kann nicht mehr aufhören zu spielen", sagt der Engländer. Und wie lange will Manni Schmelzer noch spielen? "So lange es geht", sagt der. Und er ist zehn Jahre jünger als Chris Barber ...

(RP)
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