Mönchengladbach Wenn PC-Spiele süchtig machen

Mönchengladbach · Bei der Fachtagung "Lost in Space and Drugs" informierten Experten über den Umgang mit Online-Sucht. Danach erklärten Jugendliche den Teilnehmern ihre Faszination für die PC-Spiele. Und luden ein zum Selbstversuch.

 Bei der Fachtagung zum Suchtpotenzial von Online-Spielen im Wilhelm-Kliewer-Haus zeigten Marcel, Majuran, Onur und Denise (v.l.) von der Realschule Volksgarten, was sie an den Programmen fasziniert.

Bei der Fachtagung zum Suchtpotenzial von Online-Spielen im Wilhelm-Kliewer-Haus zeigten Marcel, Majuran, Onur und Denise (v.l.) von der Realschule Volksgarten, was sie an den Programmen fasziniert.

Foto: isabella Raupold

Hardt Die neue Welt ist gar nicht so düster, wie manche Besucher sie sich vorgestellt hatten. Nur viel komplizierter. "Die Steuerung zu bedienen und gleichzeitig das Geschehen auf dem Bildschirm zu verfolgen — das hat die meisten echt überfordert", sagt Online-Lehrer Thomas Liebel und guckt mit gespielter Strenge. Thomas ist 15 Jahre alt und ein Zocker-Profi.

Vier bis fünf Stunden am Tag verbringt er vor dem Computer. Er kennt sich aus in Sphären wie der des Rollenspiels "World of Warcraft", das er gerade den Teilnehmern der Fachtagung erklärt. Die sind zum einen davon überrascht, dass der Inhalt des Spieles sich nicht darauf beschränkt, in möglichst kurzer Zeit möglichst viele Menschen dahinzuraffen. Zum anderen tun sie sich mit der Komplexität des Spielablaufs sichtbar schwer. Multitasking, eine Eigenschaft, die jahrelang nur Frauen nachgesagt wurde, die gleichzeitig bügeln und telefonieren können, erfährt hier eine ganz neue Ebene. Die erste Erkenntnis, die bei den Fachkräften hängenbleibt, ist daher: Tranig und dumpf sind die Jugendlichen, die sich mit Onlinespielen die Nächte um die Ohren hauen, keinesfalls.

"Es war uns wichtig, nicht nur über Jugendliche, sondern mit ihnen zu reden", sagt Tanja Schmitz-Remberg von der Drogenberatung Mönchengladbach. Gemeinsam mit Achim Deußen von der Polizei und Thorsten Licht vom städtischen Fachbereich Kinder, Jugend und Familie hat sie sich deshalb Unterstützung von der "Peer"-AG der Realschule Volksgarten geholt.

Die Schüler der neunten und zehnten Klassen haben damit Erfahrung. Sie klären ihre Mitschüler aus der achten Jahrgangsstufe regelmäßig über die Gefahren von Drogen und mittlerweile auch die der Internet- und Online-Spielsucht auf. "Die Zahl der Süchtigen in diesem Bereich wächst. In unseren Beratungsstellen suchen immer mehr Eltern nach Hilfe", sagt Schmitz-Remberg. Laut einer neuen Studie seien bundesweit etwa 1,3 Prozent der Bevölkerung süchtig nach dem Gang ins Internet. Für Gladbach gibt es momentan noch keine detaillierten Zahlen.

Rund 70 Sozialarbeiter, Lehrer, Erzieher und Klinikmitarbeiter nahmen deshalb die Einladung zu der Fachtagung wahr. Ihre größten Unwissenheiten beseitigten dabei die Jugendlichen. "Das Problem ist, dass unsere Eltern und auch die Teilnehmer hier überhaupt nicht wissen, was wir da eigentlich machen", sagt Thomas. Genau darin liege das Problem, sind sich Suchtberater, Polizei und Schüler einig. "Mit Ablehnung kommt niemand weiter. Eltern sollten verstehen lernen, was ihre Kinder fasziniert. Genauso, wie sie sie vielleicht zum Tennis- oder Fußballplatz begleiten, sollten sie sich die Funktionen von sozialen Netzwerken oder Online-Spielen erklären lassen", rät Achim Deußen.

Trotzdem warnen die Experten auch. Bei allem Verständnis für die neuen Hobbys der Jugendlichen wachse die Zahl derer, die sich im Internet auf Dauer zu verlieren drohen. "Wenn Kinder ihre sozialen Kontakte und sich selbst vernachlässigen, nur noch müde sind, weil sie die Nächte durchspielen, und in der Schule schlechter werden, sind das deutliche Signale", sagt Schmitz-Remberg. Wie bei allen anderen Drogen sei die Fixierung auf eine einzige Sache besorgniserregend. Die Suchtberatung kann in diesen Fällen erste Hilfestellungen geben und die Familie gegebenenfalls an einen Psychologen weitervermitteln. Denn sogar stationäre Aufenthalte in Suchtkliniken seien in besonders harten Fällen nicht ausgeschlossen.

(RP/rl)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort