Mensch Gladbach Wenn Politik Herzenssache ist

Mönchengladbach · Wer den Gong nicht gehört hat, kann keine gute Politik machen. Also reden wir über Schillers Glocke, die Große Koalition und den Fußballverein unseres Vertrauens.

Entschuldigung, wenn ich mitten in Ihr Frühstück mit einer Günther-Jauch-Dackelblick-über-die-Brille-Frage platze. Aber bekommen Sie ohne Google den nächsten Vers hin? Drum prüfe, wer sich ewig bindet... Handys weg, habe ich gesagt! Nein, das mit dem Schweiß ist ein paar Trochäen vorher. Ist aber immerhin dasselbe Gedicht. Friedrich Schiller. Das Lied von der Glocke. War damals so was wie "Die Elf vom Niederrhein" heute. Ungefähr. Ich helfe Ihnen. So geht es weiter: "Ob sich das Herz zum Herzen findet."

Und jetzt kommt meine eigentliche Frage (der Rest war Geplänkel, um Sie in Sicherheit zu wiegen): Was hat das mit Politik zu tun? Die Antwort ist noch einfacher: Nichts. Nothing. Rien. Polyglotter bin ich leider nicht. Politik ist keine Herzensangelegenheit, sondern Frage des Verstandes. Also theoretisch. Jedenfalls werden Bündnisse in der Politik weder für ewig geschmiedet, sondern nur bis zur nächsten Wahl. Danach ist der Basar wieder offen. Noch geht es ums Herzen. Das ist selbstredend bei CDU und SPD nicht anders. Wiewohl dieses Bündnis ja im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern (CDU gegen FDP und Alle-gegen-alle in der Ampel) erschreckend konstruktiv und nachgerade harmonisch vor sich hin werkelt. Und trotzdem muss man nicht sein Nachtsichtgerät aufsetzen, um ein denkbares Ende dieses Szenarios am Horizont aufziehen zu sehen. Ein Taschenrechner reicht.

Denn es gibt - urplötzlich und klammheimlich - eine ganz reale Mehrheit jenseits der Großen Koalition. Und zwar eine aus CDU und FDP. Und das geht so: Pirat Gutowski hat die FDP geentert. Und Klaus Oberem, Sohn von eben jenem, bandelt zart mit der CDU an. Ergibt summasummarum: Eine Stimme Mehrheit inklusive der Stimme des Oberbürgermeisters. Ist nicht üppig genug, um darauf Haushalte zu bauen. Zwei mehr wären besser. Aber kommt Zeit, kommen Dezernenten-Posten. Und kommen vielleicht noch mehr Abtrünnige. Dann hätte die CDU ein Jahr vor der nächsten Wahl ein prima profilschärfendes Ausstiegsszenario.

Andererseits wiederum ist die SPD für die CDU die bessere FDP - mal von dem einen sozialromantischen Klimbim oder der anderen Personalentscheidung abgesehen. Die Demarkationslinie verläuft nicht zwischen den beiden Parteien. Sondern zwischen den beiden Fraktionsvorsitzenden, die alles Wesentliche gleich sehen, und ihren Fraktionen. Die FDP war beim letzten Bündnis der beiden für die Christdemokraten ein unangenehmer, weil selbstbewusster und positionsstarker Partner. Das war zwar noch unter weiland Jansen-Winkeln. Aber so kuschelig wie mit den braven Sozialdemokraten würde es mit der FDP kaum werden. Die wissen, was sie wollen. Zum Beispiel, den Posten des Kämmerers behalten.

Mehr Herzensangelegenheit als die Politik ist in dieser Stadt für viele der Fußball. Champions League. Toller Gastverein. Spannendes Spiel. Feiertag! Das hätte man sich vor fünf Jahren eingerahmt. Und heute? Gibt es mittellautes Murren, weil man ja trotz vieler Chancen nur 1:1 gespielt hat und nun in einer Gruppe mit so Nulpen wie Barcelona und Manchester City maximal Dritter werden kann. Was uns lehrt: Grau ist alle Theorie und (schwarz-weiß) grün des Lebens goldner Baum. Sagt nicht Schiller. Sondern der andere: Goethe.

(RP)
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