Mönchengladbach Wenn's Nacht wird im Museum Abteiberg

Mönchengladbach · Susanne Titz leuchtet den Weg mit der Taschenlampe aus, alle folgen der Museumsdirektorin. Der erste Termin der neuen Kulturreihe "Zu Gast bei" führt zu den grauen Bildern von Gerhard Richter. Es wird ein spannendes Abenteuer.

 Susanne Titz geht mit der Taschenlampe voraus. Im Museum ist es dunkel. Ein völlig neues, ein tolles Erlebnis - diese Nacht im Museum.

Susanne Titz geht mit der Taschenlampe voraus. Im Museum ist es dunkel. Ein völlig neues, ein tolles Erlebnis - diese Nacht im Museum.

Foto: Knappe Jörg

Ein bisschen unheimlich ist es schon. Bis auf die kleinen hellen Flecken, die die Notbeleuchtung hier und dort setzt, ist es dunkel. Susanne Titz schreitet mutig voran. Sie kennt ihr Museum - auch bei Nacht. Die Gruppe folgt ihr und dem Schein der Taschenlampe, der über den Boden huscht. Es geht quer durch die Ausstellung von Anne-Mie Van Kerckhoven, dann die Treppe hinauf. Scharf nach links in den völlig dunklen Kleeblattraum. Es ist absolut still, nur das leise Rauschen der Klimaanlage ist zu hören. Schweigend stehen die 15 Gäste, die sich dieses Abenteuer nicht entgehen lassen wollen, um Susanne Titz herum. Und dann geht das helle, kalte Licht an, erleuchtet den Raum, in dem die acht grauen Bilder von Gerhard Richter hängen - ganz akkurat, jeweils zwei an jeder der vier Wände. Ein Raunen geht durch die Gruppe.

 Die Gruppe sitzt im Richter-Raum auf Kunststoffhockern und lauscht den Erzählungen der Museumsdirektorin.

Die Gruppe sitzt im Richter-Raum auf Kunststoffhockern und lauscht den Erzählungen der Museumsdirektorin.

Foto: Jörg Knappe

"Ich habe etliche Lieblingskunstwerke hier - diese Bilder gehören dazu", sagt die Museumsdirektorin und bittet alle, sich hinzusetzen. Die Kunststoffhocker haben exakt die Farbe des Fußbodens. Das gleißende Licht strahlt von der Shed-Decke herab, dieser Raum könnte ebenso gut eine Fabriaktionshalle sein. Und das ist so gewollt. "Den ursprünglichen Sisalboden haben wir bei der Sanierung des Hauses herausgerissen", sagt Susanne Titz. Der kalte, harte Boden passt besser. "Es ist etwas Aggressives in diesem Raum." Und das mache es vielen Museumsbesuchern sicher schwer, sich mit den grauen Bildern zu beschäftigen, gar anzufreunden.

Das bestätigt sich in der Plauderstunde, die die Teilnehmer eröffnen. Der Vorsitzende des Kulturausschusses Reinhold Schiffers, der zu den Erfindern der neuen Reihe "Zu Gast bei" gehört, bezeichnet das Museum Abteiberg als "Erklärmuseum". Eine Teilnehmerin schildert ihre erste Begegnung mit den grauen Bildern. "Da kommt man rein in diesen Raum, sieht acht graue Flächen und will sich eigentlich gleich wieder rumdrehen und gehen", sagt sie. "Aber dann fällt der Blick auf das kleine Schildchen, und man liest den Namen Gerhard Richter." In diesem Moment verändere sich die Wahrnehmung: "Boah, Richter, der ist teuer."

Um den Betrachter gehe es, um die Menschen, die sich im Raum bewegen, sagte Susanne Titz. Die grauen Bilder setzen Markierungen, das ist ihre Bedeutung. Und sie erzählt, wie die Stadt in den Besitz der Bilder kam. Der legendäre Museumschef Johannes Cladders hatte Gerhard Richter 1974/75 im Alten Museum an der Bismarckstraße gezeigt. Anschließend habe er zum Künstler gesagt: "Ich kaufe die grauen Bilder - die ganze Flöte." So ist es zumindest überliefert. Guter Kauf, damals war Richters Kunst noch erschwinglich.

Zurück geht's durch das dunkle Museum, Schritt für Schritt Richtung Cafeteria. Da hat Susanne Titz eindecken lassen, es gibt Roten und Weißen, was zu knabbern und lebhafte Gespräche. Die Kunst ist Thema, die Entwicklung der Stadt, die Aufbruchstimmung, aber auch Trump in Amerika, die Stimmung in Deutschland - um alles. So steht man um die Theke herum, alle fühlen sich wohl, der Ton ist freundlich, ja freundschaftlich. Der große Museumsmann Kasper König hat einmal in einem Interview gesagt: "Das Museum gehört allen und keinem." An diesem Abend gehört es allen, schenkt Raum für Disput und Reflexion - für Freiheit.

Das tolle neue Format "Zu Gast bei" hat einen guten Start. Die Vorfreude auf weitere Begegnungen mit Kunst und Kultur ist groß.

(RP)
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