Nicole Finger (FDP) Wichtig ist ein Umbau der Sozialstruktur

Mönchengladbach · Die FDP-Fraktionsvorsitzende Nicole Finger über die Rolle der Opposition, fehlende Parkplätze und die Zukunft der Schullandschaft.

 Nicole Finger ist seit dieser Wahlperiode Vorsitzende der dreiköpfigen Fraktion der Liberalen. Die zweifache Mutter löste den langjährigen Fraktionschef Dr. Anno Jansen-Winkeln ab. Sie hat die FDP mit bürgerlichen Themen neu positioniert und CDU und SPD bei mehreren Entscheidungen zum Nachdenken gebracht.

Nicole Finger ist seit dieser Wahlperiode Vorsitzende der dreiköpfigen Fraktion der Liberalen. Die zweifache Mutter löste den langjährigen Fraktionschef Dr. Anno Jansen-Winkeln ab. Sie hat die FDP mit bürgerlichen Themen neu positioniert und CDU und SPD bei mehreren Entscheidungen zum Nachdenken gebracht.

Foto: Ilgner

Opposition sei Mist, hat Franz Müntefering mal gesagt. Wie sehen Sie die Oppositionsrolle der FDP im Rat?

Finger Man kann als Opposition weniger bewegen, das ist schon richtig. Man kann jedoch Impulse setzen, kritisch auf die Vorschläge sehen, auf Fehler hinweisen, aber Richtiges auch unterstützen. Opposition darf nicht pauschale Ablehnung bedeuten.

Für eine Oppositionspartei stimmt die FDP im Rat sehr häufig den Vorschlägen der GroKo zu.

Finger Wir stimmen mit der GroKo, weil sie meist bürgerliche Politik macht, wie wir sie auch vertreten. Das liegt daran, dass in der GroKo die CDU dominiert, die SPD bringt wenig ein. Und mit der CDU Mönchengladbach verbindet uns vieles. Wir hätten ja auch gern nach der Wahl zusammengearbeitet.

Was hat die FDP aus der Ampel-Zeit gelernt?

Finger Es wurden viele persönliche Barrieren abgebaut. Es gab vorher eigentlich keine Kommunikation zwischen Grünen und FDP. Aber in der Ampel-Zeit haben wir uns persönlich schätzen gelernt und eine Ebene gefunden, auf der man reden kann. Auf lokaler Ebene geht es im Allgemeinen ja nicht um ideologische Positionen. Viele Entscheidungen im Rat fallen ohnehin einstimmig.

Was macht die GroKo Ihrer Meinung nach gut, was nicht?

Finger Sie wollen Dinge anpacken, und das ist gut. Es gibt zum ersten Mal seit langem die Möglichkeit einer Gebührensenkung im Abfallbereich, das nutzen sie. Die Sauberkeitskampagne ist richtig. Allerdings sind sie derart im Anpackmodus, dass sie oft vergessen, die anderen Ratsfraktionen mitzunehmen. Es gibt wenig Diskussionsbereitschaft. Der kritische Blick auf das eigene Vorgehen kommt zu kurz. Beispielsweise wird beim Ident-System für Mülltonnen übers Ziel hinaus geschossen. Es für die blauen und braunen Tonnen, die ja quasi kostenneutral durchgeschoben werden, einzuführen, ist sinnlos, kostet aber Geld. Auch die Öffentlichkeitskampagne zur Sauberkeit halte ich für zu groß angelegt. So etwas wirkt meiner Meinung nach sehr begrenzt, und um die Kinder als wichtigste Zielgruppe hat sich die GEM richtigerweise schon lange vor der GroKo-Initiative gekümmert.

Welche Themen sind aus Ihrer Sicht in Zukunft wichtig?

Finger Ein Tourismuskonzept für die Stadt ist wichtig. Allerdings reicht es nicht, die Marketinggesellschaft Mönchengladbach mit der Erstellung zu beauftragen. Die Politik muss zuvor Leitmotive definieren: MG als Sportstadt zum Beispiel oder als Großstadt im Grünen. Aber diese Leitbilddiskussion scheut Politik. Außerdem braucht Mönchengladbach Postkartenansichten, um ein Touristenziel zu werden. Dafür muss man etwas tun. Die Fassaden am Haus Erholung sanieren, den Brunnen auf dem Hauptbeet im Bunten Garten wieder zum Laufen bringen. Hier gibt es inzwischen einen kostengünstigeren Vorschlag zur Sanierung. Auch die im Masterplan vorgesehene Ansicht vom Geroweiher auf das Münster gehört natürlich dazu. Am Rheydter Markt ist es schon gelungen, ein Postkartenmotiv zu schaffen.

Beim Umbau des Geroweihers fallen Parkplätze weg. Ist das aus Ihrer Sicht ein Problem?

Finger Ja, aber das müssen wir lösen. Deshalb waren wir auch bei der Planung der Roermonder Höfe kritisch. Der Bauherr hätte hier zu mehr Parkgaragenplätzen verpflichtet werden müssen. Jetzt wird man auf Parkhäuser ausweichen müssen. Aber die sind keine Lösung für den Verkehr zur Musikschule, wo Eltern ihre Kinder bringen und abholen müssen.

Die Haushaltsberatungen stehen an. Wie wird sich die FDP positionieren?

Finger Über den Haushalt können wir erst reden, wenn er vorliegt, aber die Beratungen können schwierig werden. Für mich liegt ein Schlüssel zum Haushalt im Sozialetat. Hier ist inzwischen eine Untersuchung zu den Pflichtaufgaben im Sozialbereich in Auftrag gegeben worden. Das ist gut so. Wir müssen wissen, wo wir handlungsfähig sind und wo nicht. Wichtig für die Stadt wäre auch ein Umbau der Sozialstruktur durch demografisches Management, das heißt, wir müssen die Frage klären, welche Zielgruppen in die Stadt gezogen werden sollen. Dazu gab es im vergangenen Jahr einen tollen Workshop. Es kam Dynamik in das Thema. Es hätte im ersten Quartal 2015 weiter gehen sollen. Aber der OB schiebt das Thema vor sich her. Das wurmt mich, weil es ein sehr relevantes Thema ist, das man aber nicht von heute auf morgen abarbeiten kann.

Steuererhöhungen, die bis 2018 ausgeschlossen wurden, sind wieder ein Thema. Wie wird sich die FDP verhalten, wenn die Grundsteuer und die Gewerbesteuer angehoben werden?

Finger Nur, wenn die gerade angesprochenen Themen ausgereizt wären, wären für uns Steuererhöhungen denkbar. Aber das sehe ich nicht. Beim nächsten Haushalt sollten wir uns zudem fragen, ob es nicht sinnvoller wäre, so manche Investition ein Jahr zu schieben, da wir wissen, dass sie eh nicht in 2016 realisiert werden wird. Aufgrund von Personalknappheit gibt es einen großen Projektstau in der Verwaltung. Politik könnte statt langer Haushaltsdebatten dann ja mal an den Verkehrsentwicklungsplan gehen.

Sie saßen lange für die FDP im Schulausschuss. Wie sehen Sie die Schullandschaft in Mönchengladbach in zehn Jahren? Wird es noch Hauptschulen geben?

Finger Ich war immer eine Anhängerin des dreigliedrigen Schulsystems. Aber es wird immer deutlicher, dass viele Eltern etwas anderes wollen. Inzwischen haben auch die Realschulen weniger Primäranmeldungen. Wenn das System so nicht mehr angenommen wird, ist es Zeit, über den Umbau nachzudenken. Ich glaube, am Ende steht ein System mit Gymnasien, Gesamt- und Sekundarschulen. Es ist aber wichtig, beim Umbau des Schulsystems die Menschen mitzunehmen. Die eigene Schule ist immer auch ein Gefühl. Beim Umbau der Förderschulen hat das leider nicht gut funktioniert.

Braucht man alle Gymnasien?

Finger Die Gymnasien haben sich alle ein gutes Profil erarbeitet. Rheindahlen beispielsweise hat mit der Ausrichtung als Sportschule wieder richtig gute Anmeldezahlen. Wenn sich die Schülerzahlen einigermaßen gleichmäßig verteilen, können wir alle gut brauchen.

Das Minto ist seit einigen Monaten fertig und geöffnet. Tut es der Stadt gut?

Finger Ja, das Minto hat zu einer Aufwertung der Innenstadt geführt. Es ist ein tolles Projekt und die neue Mitte Mönchengladbachs. Die verschiedenen Eingänge zur Hindenburgstraße hin funktionieren gut. Erstmalig konnte in Mönchengladbach wieder Stadtgestaltung betrieben werden. Mit dem Abriss der Vis-à-Vis-Halle öffnet sich die Straße, die Stepgesstraße verändert sich. Das ist alles sehr positiv.

In Umfragen ist die FDP wieder bei fünf Prozent. Hat die Partei die Talsohle durchschritten?

Finger Ja, da ist wieder Hoffnung, aber wir sind noch lange nicht an Schmitz Backes vorbei. Der Trend muss sich noch stabilisieren. Aber auch bei uns gibt es wieder Parteieintritte.

ANGELA RIETDORF, RALF JÜNGERMANN UND DIETER WEBER FÜHRTEN DAS INTERVIEW MIT NICOLE FINGER

(RP)
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