Mönchengladbach Wir haben ein Einnahmeproblem

Mönchengladbach · Der SPD-Landtagsabgeordnete Hans-Willi Körfges spricht über den Stärkungspakt Stadtfinanzen der Landesregierung, ab wann Mönchengladbach Geld vom Land bekommt, über notwendige Steuererhöhungen sowie Änderungen bei der Dichtheitsprüfung.

Warum hat es Gladbach nicht in den Stärkungspakt Stadtfinanzen 2012 geschafft?

Körfges Selbstverständlich sind wir dabei. Wir haben zwei Stufen angelegt. Ich habe niemals gesagt, dass wir in die erste Stufe reinkommen, da die Kriterien ja ganz klar sind. In die erste Stufe kommen nur diejenigen Städte rein, die aktuell überschuldet sind oder aber innerhalb eines Jahres von Überschuldung bedroht waren.

In der zweiten Stufe sind dann jene Städte, die vom Jahr 2010 aus gesehen, in einem mittleren Zeitraum überschuldet wären, wenn es den Stärkungspakt nicht gäbe. Mönchengladbach gehört hinsichtlich der zweiten Stufe zu den antragsberechtigten Kommunen.

Das heißt, Mönchengladbach muss sich zunächst bewerben.

Körfges Ja, die Stadt muss einen Antrag stellen. Natürlich könnte sich der Rat theoretisch auch gegen diesen Antrag entscheiden. Aber wenn der Antrag gestellt wird, ist Mönchengladbach dabei.

Aber die Entscheidung darüber, ob die zweite Stufe überhaupt kommt, ist doch noch gar nicht gefallen?

Körfges Das ist einfach Quatsch. Das ist reine CDU-Propaganda. Wer das Gesetz lesen kann, ist klar im Vorteil. Es steht ganz eindeutig drin, dass die zweite Stufe finanziert ist. Es ist nur offen, wie das Volumen von 310 Millionen Euro dann gegenfinanziert wird.

Wir hatten zunächst vor, jetzt schon eine Abundanzumlage für die leistungsstärkeren Kommunen verbindlich zu einem Bestandteil zu machen. Aber vielleicht wird der Betrag auch über eine andere Form der interkommunalen Solidarität finanziert. Allein diese Frage ist offen.

Aber bereits bei der ersten Stufe gibt es ja einige Kommunen, die Kritik äußern. Teilweise kommen sie sogar aus dem Lager der SPD.

Körfges Ich glaube, jeder sieht da zunächst die Interessen seiner kommunalen Gebietskörperschaft. Das finde ich auch vollkommen legitim. Doch eines ist klar: Es wird besondere Bemühungen der beteiligten Kommunen geben müssen, um die Sparziele zu erreichen. Einige Kommunen befürchten, dass sie Personal entlassen müssen.

Ich bin stolz darauf, dass es uns im Gesetzgebungsverfahren gelungen ist, hier eine Lockerung durchzusetzen. Denn wir werden von den Kommunen nichts Unmögliches verlangen. Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen und keine Ausbildungsverbote geben.

Mit wie viel kann Mönchengladbach denn rechnen, wenn der Rat sich für den Stärkungspakt entscheidet?

Körfges Das ist schwierig zu sagen, denn das richtet sich nach den festgestellten Fehlbeträgen, die es im Durchschnitt gibt.

Die CDU-Abgeordneten Norbert Post und Michael Schroeren haben den Eindruck vermittelt, dass Gladbach allenfalls zehn Millionen Euro bekäme.

Körfges Ich glaube, es ist für Politiker wichtig, die mathematischen Grundrechenarten zu beherrschen. Man kann nachschlagen, welche Kommunen beteiligt sein werden. Es wird jedenfalls ein Betrag von wesentlich mehr als zehn Millionen sein. Eine genaue Hausnummer kann ich Ihnen allerdings noch nicht sagen. Anderenfalls würde ich mich unseriös machen. Ich werde nicht spekulieren.

Ab wann würde Gladbach denn profitieren?

Körfges Ab dem übernächsten Jahr.

Der Stärkungspakt verlangt ja, dass die Kommunen ihre Sparanstrengungen intensiver verfolgen. Sie wissen, dass es in Gladbach keine großen Einsparoptionen mehr gibt. Also werden die Steuern angehoben?

Körfges Da führt wohl kein Weg dran vorbei. Es gibt keine Bereiche mehr, wo man kurzerhand viele Millionen einsparen könnte. Mönchengladbach ist insofern ausgepresst wie eine Zitrone. Es geht daher nur über die Einnahmen, zum Beispiel die Gewerbesteuer. Aber natürlich ist das eine schwierige Diskussion. Wir haben bei allen öffentlichen Haushalten ein Einnahmeproblem. Irgendwann muss man sich dem stellen.

Es ist nicht lange her, dass Ihre Parteifreunde Steuererhöhungen abgelehnt haben...

Körfges Wir haben heute eine qualitativ andere Situation. Wir können es schaffen, in zehn Jahren die Neuverschuldung auf Null zu fahren. Es gibt daher für alle Beteiligten eine andere Motivation, über Einnahmeverbesserungen nachzudenken. Das ist eine echte Chance. Wir dürfen nicht in die Vergeblichkeitsfalle tappen.

Ihre Kollegen erwarten weitere Unterstützung des Landes bei der Umsetzung der U-3-Betreuung. Wird das der Fall sein?

Körfges Wenn wir unsere Haushalte, so wie sie eingeplant sind, umsetzen können, wird auch mit Landesmitteln der Kindertagesstättenausbau kontinuierlich weiter betrieben werden. Es wird aber sicherlich irre schwierig werden, das von uns angepeilte Ziel von 144 000 Betreuungsplätzen innerhalb des vorgegebenen Zeitraums auf Landesebene zu erreichen.

Die Genehmigung des Landeshaushaltes hängt wieder am seidenen Faden. Rechnen Sie mit Neuwahlen 2012?

Körfges Nein. Mit einer einzigen Ausnahme haben wir bisher alle wichtigen Abstimmungen über die Bühne bekommen. Es wäre darüber hinaus sehr gewagt, durch eine konzertierte Nichtzustimmung zum Haushalt die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen. Schauen Sie sich doch die Zustimmung der Wahlbevölkerung zur Politik von Hannelore Kraft an!

Würden Sie sich denn Neuwahlen wünschen? Für Rot-Grün sähe es momentan doch gut aus?

Körfges Eigentlich nicht. Ganz partei-egoistisch müsste man sicherlich anders denken. Aber die Bürger würden das zu Recht als willkürlichen Akt werten.

Was ist Ihre Meinung zur Dichtheitsprüfung?

Körfges Man kann nur den Kopf schütteln. Da macht Schwarz-Gelb ein Gesetz, sie werden abgewählt und laufen dann gegen das eigene Gesetz Sturm. Ich gehe davon aus, dass sich bei der Dichtheitsprüfung etwas verändern wird. Die Landesregierung will keine weitere Eskalation.

Die Pflicht zur Prüfung der privaten Abwasserkanäle wird also abgeschafft?

Körfges Das kann und will ich momentan nicht sagen. Aber die Wahrscheinlichkeit ist durchaus hoch. Das ist für die betreffenden Firmen, die investiert haben, natürlich schwierig, aber in solchen Fällen kann es aus nachvollziehbaren Gründen keinen Vertrauensschutz geben.

Wir beurteilen Sie — gewissermaßen aus der Ferne — die Arbeit der Ampel-Koalition in Mönchengladbach?

Körfges Das ist so ähnlich wie mit unserer Minderheitsregierung. Vieles spricht dafür, dass die Ampel wesentlich mehr Substanz birgt, als der ein oder andere vorausgesagt hat. Sie existiert — allen Unken-Rufen zum Trotz — jetzt schon eine gewisse Zeit, die Stadt entwickelt sich, es gibt keinen Stillstand.

Sie sind ein sehr großer Fan von Borussia Mönchengladbach und bei fast jedem Heimspiel im Borussia-Park. Welchen Platz wird Borussia nach der erfolgreichen Hinrunde am Ende der Saison belegen?

Körfges Es ist unglaublich, was die für eine Hinrunde gespielt haben. Ich hoffe, dass sie am Ende der Saison den fünften oder sechsten Platz belegen.

Das Gespräch führten Fabian Eickstätt, Gabi Peters, Jan Schnettler und Dieter Weber.

(fae)
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