Mönchengladbach Wo Migrantinnen ihren Hunger nach Kultur stillen

Mönchengladbach · 15 geflüchtete Frauen zwischen 14 und 40 treffen sich wöchentlich im Museum Abteiberg, um gemeinsam Kunstwerke zu betrachten und daraufhin selber praktische Arbeiten anzufertigen. Ein Erfolgsprojekt.

 Bis auf ein junges pakistanisches Mädchen kommen alle Frauen und Jugendlichen aus Syrien.

Bis auf ein junges pakistanisches Mädchen kommen alle Frauen und Jugendlichen aus Syrien.

Foto: Detlef Ilgner

"Ein Käfer ... was heißt Käfer auf Arabisch?" - "Meinen Sie turtle?" - "Oh, Käfer, we have that car in Palmyra".

15 Frauen zwischen 14 und 40 Jahren sind im Museum Abteiberg eingetroffen, haben einander mit Umarmungen, Küsschen oder Handschlag herzlich begrüßt und stehen nun zusammen mit Ulrike Engelke, freie Mitarbeiterin des Museums Abteiberg, vor "Still Life #27" von Tom Wesselmann aus dem Jahr 1963.

Eine lebhafte Diskussion über Begriffe, die in deutscher, englischer und arabischer Sprache hin und her springen, über die Techniken, die Wesselmann in seiner Collage angewendet hat, und über die formalen und farblichen Bezüge ist im Gange. Die Gruppe trifft sich seit acht Wochen unter der Leitung von Ulrike Engelke jeden Freitagnachmittag im Museum Abteiberg, betrachtet ein Bild, eine Skulptur, eine Installation, und fertigt danach in der Malklasse eine eigene praktische Arbeit an. Dort hängen Porträts im Stil der Pop Art an den Wänden, und auf dem Tisch stehen Gipsfiguren.

Bis auf ein junges pakistanisches Mädchen kommen alle Frauen und Jugendlichen aus Syrien. Zu Hause waren sie Informatikerin, Elektroingenieurin, Lehrerin, Mutter, Hausfrau, Schülerin. Vor zwei, drei Jahren kamen sie in Deutschland an und nahmen das Angebot der Arbeiterwohlfahrt an, zu einem regelmäßigen Frauencafé an die Oberheydener Straße in Rheydt zu kommen, sich mit deutschen Frauen zu treffen, mehr über das Land zu lernen.

Beate Brungs von den Soroptimisten Mönchengladbach kam über eine befreundete Ehrenamtlerin, Ika Heyer, in Kontakt mit den Migrantinnen. Auf die Frage, worauf die Jugendlichen und Frauen einmal Lust hätten, hieß die Antwort prompt: den Kölner Dom zu besichtigen. Das tiefe Interesse an der Kultur weckte in Beate Brungs die Idee zu einem Workshop im Museum Abteiberg. "Hier im Museum rannten wir mit unserem Vorschlag offene Türen ein", berichtet sie. Die Soroptimisten International - SI Club Mönchengladbach unter der aktuellen Präsidentin Ulrike Brodersen finanzieren das Projekt, das vom Museum unterstützt wird.

Beate Brungs und Ika Heyer sind Freitagsnachmittags mit dabei, betrachten mit der Gruppe Kunst, malen und gestalten in der Malklasse. "Es sind im Laufe der Zeit echte Freundschaften entstanden", berichten Ika Heyer und Beate Brungs und fahren fort: "Es macht großen Spaß mit der Gruppe, man bekommt so viel zurück." Auch die langjährige Mitarbeiterin des Hauses Ulrike Engelke ist begeistert: "Die Frauen und Mädchen sind hungrig nach Kultur und so dankbar für dieses Angebot - Fragen, wie wir sie oft hören nach den Kosten für die Kunstwerke, die stellen sie niemals."

"Interessant", "so ganz anders als zu Hause", "cool" - so beschreiben Slava, Ranya, Laibu, Lina und Laiba stellvertretend für die Gruppe ihre Eindrücke. Am tollsten fanden sie die "Mona Lisa von Mönchengladbach" (das ist die Dame mit blauem Hut von Alexej Jawlensky), am fremdesten das Ei von Kippenberger und der Raum von Gregor Schneider einfach verblüffend.

Museumspädagoge Uwe Riedel hat am Ende des Tages noch etwas zu verkünden: Ab September wird mit Unterstützung der Soroptimisten eine neue Auflage des Workshops stattfinden, dann für Frauen und Mädchen mit Migrationshintergrund gemeinsam mit deutschen Frauen und Mädchen. Inhaltliche Schwerpunkte werden Grafik und Illustration sein. Und noch ein Sahnehäubchen: Die Ergebnisse werden anschließend in einem kleinen Museumsführer zusammengefasst werden.

Wenn das keine gute Nachricht ist!

(b-r)
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