Serie Gladbacher Lesebuch (7) Zehn Kaninchenställe und ein Garten

An der Ecke Hermann-Ehlers-Straße befanden sich das Wohnhaus und der Garten des Straßenbahndepots, nur kurz "Wagenhalle" genannt. Dieses bewohnte unter anderem auch zu meiner Kindheit der Hallenwärter Josef Vieten. Daran schlossen sich unsere Wohnhäuser an, hinter denen sich weiträumige Gärten bis an die Wagenhalle der Straßenbahn erstreckten. Darauf hatten die Mieter kleine Ställe aus Holz, Blechhütten oder sogar festgemauerte kleine Hallen errichtet. Ich erinnere mich noch gut, als einer unserer Nachbarn am Wickrather Tor ein Tiergeschäft eröffnete und zu diesem Zweck deren Hof mit großen Vogelvolieren umgebaut wurde, um darin allerlei unterschiedliche Vögel zu züchten.

Mein Vater begnügte sich in unserem Gartenteil mit einem Holzschuppen mit zehn Kaninchenställen und einem angrenzenden Stall für Hühner, Fasanen, Kanarienvögel und Wellensittiche. Die Kaninchen wurden von meinem Opa, der ebenfalls seit dem Tod meiner Oma im Jahr 1964 bei uns wohnte, wenn sie groß und fett waren zur Weihnachtszeit geschlachtet, teilweise verkauft und natürlich von der eigenen Familie selber verzehrt.

Angebaut wurde im Garten alles, was zum täglichen Verzehr benötigt wurde. Über Kartoffeln, Bohnen, Erbsen, Gurken, Tomaten, Kürbisse, Erdbeeren, verschiedene Obstsorten und vieles mehr konnten wir uns freuen, wenn die Erntezeit kam. Dann wurde das selbst Geerntete wochenlang in einem großen Einkochkessel auf dem Küchenofen in Einmachgläser eingekocht und diese danach für den Winter im Keller eingelagert. Mein Vater grub oft schon bei Tagesanbruch den Garten um, und meine Mutter erntete in manchen Jahren so viele Erdbeeren, bis sie sich kaum noch bücken konnte. Da man manchmal keine Erdbeeren mehr sehen konnte, wurden diese dann schüsselweise an die Nachbarskinder verteilt.

Da durch die Einstellung der Straßenbahnlinie 7 zwischen Holt und Rheindahlen 1961 die Wagenhalle nicht mehr benötigt wurde, vermietete man sie an die Spedition Hox und später an die Autolackierung Feldberg. Wenn wir in den Sommerferien in unserem Garten spielten, schickten uns die Mitarbeiter der Firmen zum Metzger oder Bäcker "auf den Berg", um ihnen dort ihr Frühstück einzukaufen. Dafür entlohnten sie uns natürlich durch Zahlung von manchmal bis zu einer Mark, die wir aber wieder schnell in Eis und Süßigkeiten umsetzten. Ende der 1970er-Jahre wurden das Straßenbahndepot und später das Wohngebäude an der Gladbacher Straße abgerissen und zu einem Wohngebiet umgewandelt.

(RP)
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