Serie Denkanstoss Zeichen der Asche - ein Neubeginn

Mönchengladbach · Der katholische Pfarrer Klaus Hurtz erläutert die Herausforderungen und Chancen der Fastenzeit und erklärt, wieso der Zeitgeist bei der Zuwendung zu existentiellen Fragen oft im Wege ist.

"Bedenke, Mensch, dass Du Staub bist und zu Staub zurückkehren wirst." Diese wuchtigen Worte begleiten das Austeilen des Aschenkreuzes, ein archaisches Zeichen, das den Anfang der Fastenzeit markiert. Denn am Aschermittwoch ist eben nicht alles vorbei, sondern, im Gegenteil, mit ihm beginnt die Vorbereitungszeit auf Ostern, wo nichts Geringeres als der Sieg des Lebens über den Tod gefeiert wird. Wo es um Leben und Tod geht, da ist der Mensch in den Grundfesten seiner Existenz angefragt. Fastenzeit ist also weit mehr als der Verzicht auf das Feierabendbierchen oder dass man sich selbst das Naschen verbietet. Fastenzeit ist die große Einladung an uns alle, den existentiellen Fragen Raum zu geben, sich Zeit zu schenken, dem Leben selbst auf die Spur zu kommen.

Warum fällt uns genau dies so schwer? Ein Antwortstrang liegt darin, dass wir alle vom Zeitgeist infiziert sind, der uns den olympischen Gedanken "weiter, höher, schneller" tief in unsere Lebenssicht eingesenkt hat. Hier gilt: Was heute unmöglich scheint, wird morgen durch Wissenschaft und Technik banale Realität; wo heute Wachstum und Fortschritt sich vollziehen, da ist morgen Mehrung der Lebensqualität; und Grenzen sind nur ein Aufruf an uns, sie zu überwinden. Eine solche Sicht führt zu Allmachtsphantasien: der Mensch, kein irdenes Gefäß, sondern das Wesen, dem alles möglich scheint; und so drehen wir uns weiter, höher, schneller. Doch wer dieses Tempo nicht mithält, der hat plötzlich Burn-out, ist ausgebrannt, ist Asche!

Denn gegen unsere Phantastereien steht die Realität unserer Natur! Leben will immer Welt erobern, aber wir bleiben das, was wir sind, zerbrechliche Wesen, die immer auch an ihre Grenzen stoßen: Schwäche und Alter, Krankheit und Tod, Vergänglichkeit und Endlichkeit. Hinzu kommt, dass wir als begrenzte Geschöpfe immer wieder an Schuld und Versagen gefesselt sind; bewusst oder unbewusst verwirklichen wir mit unseren Entscheidungen und Taten oft genug nicht das Gute, sondern vermehren das Böse in seinen unzählbaren Erscheinungsformen. Angesichts der Abgründe im Menschen sind wir oft fassungslos, weil wir uns über die Verfasstheit des Menschen täuschen.

Deswegen ist die Fastenzeit kein frommer Brauch aus vergangenen Zeiten, genauso wenig wie eine Frühjahrsentschlackungskur im Wellness-Programm für den Körper, sondern sie bleibt die große Chance, das Menschsein selbst tiefer zu erkennen. Was dies meint, dabei kann uns ein Blick auf eine Urne helfen, aus verschiedenen Gründen wählen immer mehr Menschen diese Form der Bestattung. So blicken wir auf eine Handvoll Asche, die die Urne birgt, und wissen, dass alle menschliche Herrlichkeit Asche geworden ist: Titel und Macht, Ruhm und Reichtum, Schönheit und Glanz. Aber was bleibt vom Lebenskampf, von Liebe und Leid, von den Höhen und Tiefen eines Menschen? Die Asche, die wir morgen sind und die ein Windhauch verweht, versehrte unser Menschsein hier und jetzt, wenn unsere letzte Erfahrung Tod wäre und die letzten Antworten Sinnlosigkeit und Vergeblichkeit.

Gott schenkt uns eine andere Antwort, und die Fastenzeit will uns helfen, sie neu zu hören. Er ruft uns zu: Der Tod hat nicht das letzte Wort, und es wartet nicht das Nichts auf Dich! Kein Leben ist verloren, vergänglich, vergeblich, denn Liebe endet nie! Deswegen habe ich Dich aus Staub geformt und Dich zum Abbild meiner selbst gemacht. Allein in dieser Liebe Gottes liegen unsere Würde und unser Leben. Deswegen bleibt wahr, was einst Bischof Klaus Hemmerle so unvergleichlich formulierte: "Bedenke, Staub, dass Du Mensch bist!"

KLAUS HURTZ IST PFARRER VON ST. MARIEN RHEYDT.

(RP)
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