Mönchengladbach Zombies, Gnomen, Sahneschnittchen

Mönchengladbach · Regisseur Hinrich Horstkotte versetzt Jacques Offenbachs fantastische Oper"Hoffmanns Erzählungen" in die bittersüße Märchen-Bilderwelt von Charles Dickens' "Weihnachtsgeschichte". Auch Frankenstein lässt monstermäßig grüßen.

 Antonia (Izabela Matula, li.) singt sich zu Tode - zum Leidwesen des verliebten Hoffmann (Max Jota). Rechts beherrscht Sophie Witte als mechanische Puppe Olympia die Szene (mit v. l. Andrew Nolen, James Park und Hayk Deinyan).

Antonia (Izabela Matula, li.) singt sich zu Tode - zum Leidwesen des verliebten Hoffmann (Max Jota). Rechts beherrscht Sophie Witte als mechanische Puppe Olympia die Szene (mit v. l. Andrew Nolen, James Park und Hayk Deinyan).

Foto: Stutte

Nach den Kindern dürfen sich nun auch die Erwachsenen auf ein Weihnachtsmärchen freuen: Regisseur Hinrich Horstkotte verlegt Jacques Offenbachs Oper "Hoffmanns Erzählungen" in die Welt von Charles Dickens' Erzählung "A Christmas Carol". Edles Sepia färbt die Dekoration, Zipfelmützen, Zylinder und Gnomenbärte bestimmen die Ausstattung. Und statt der drei Weihnachtsgeister gibt's albtraumhafte Damen. Und sogar das Monster aus "Frankenstein" hat seinen Auftritt.

 Antonia (Izabela Matula, li.) singt sich zu Tode - zum Leidwesen des verliebten Hoffmann (Max Jota). Rechts beherrscht Sophie Witte als mechanische Puppe Olympia die Szene (mit v. l. Andrew Nolen, James Park und Hayk Deinyan).

Antonia (Izabela Matula, li.) singt sich zu Tode - zum Leidwesen des verliebten Hoffmann (Max Jota). Rechts beherrscht Sophie Witte als mechanische Puppe Olympia die Szene (mit v. l. Andrew Nolen, James Park und Hayk Deinyan).

Foto: Stutte

Also keine zeitgenössische Sicht auf das populäre Meisterwerk, sondern opulentes Ausstattungs- und Kostümtheater wie in den 1950ern. Man mag das bedauern und dagegen den Bildungsanspruch eines öffentlich finanzierten Theaters argumentativ hervorheben. Das Publikum kümmert's wenig. Es amüsiert sich köstlich über all die komödiantischen Einfälle des Regisseurs, der in Personalunion auch Bühnenbild und Kostüme verantwortet. Immerhin treibt Horstkotte die Gags und Pointen derart auf die Spitze, dass man einen Hauch von Selbstironie zu spüren meint. Jedenfalls greift der Regisseur, der am hiesigen Theater auch bereits "Die lustigen Nibelungen" inszenierte, beherzt in die sprichwörtliche Mottenkiste.

Kaum hat sich der samtrote Vorhang geteilt, wabert Rauch durch Lutters Keller, in dem Burschenschaftler den backenbärtigen Wirt (Hayk Deinyan mit Vorschnall-Wampe) auf Trab halten. Zum Olympia-Akt macht Oberlicht die Szene zum Labor, aus den Medaillons mit Honoratioren-Porträts sind rollende Augäpfel geworden, die dem Optiker Coppélius (Johannes Schwärsky) beim Brillen-Verkaufen zusehen. Spalanzani (Andrew Nolen) ist ein verhuschter Frankenstein, der beim Beleben seiner Geschöpfe selbst unter Strom gerät. Und die Puppe Olympia ein pinkes Sahneschnittchen, deren mechanische Zappelei von der famosen Sophie Witte so köstlich mit ihren Koloraturen überein gebracht wird, dass man sich die Schenkel klopft.

Im Antonia-Akt singt Izabela Matula das schwindsüchtige Geigenbauer-Töchterlein so herzzerreißend zerbrechlich, dass man sich schon gar nicht mehr wundert über die kauzige Verkleidung Crespels oder die zombiehafte des Dr. Mirakel (Schwärsky). Der schaudert später mit dem Kopf durch die Wand, es gespenstert aus Tisch, Flügel, Fenster und Stella-Porträt. Schließlich, zum Giulietta-Akt, wackeln die Wände, kragen windschief in die Barkarole-Szene. Giulietta (Janet Bartolova) räkelt sich in Rot, Rotlicht markiert das Milieu, die Stimmung steigert sich zur Polonaise.

Der musikalische Unterhaltungsfaktor des Abends ist ebenfalls hoch. Die Titelpartie verkörpert als Gast Max Jota, dessen Tenor höhensicher, ein wenig eng vielleicht, die riesigen Ansprüche gut bewältigt. Großen Applaus verdient sich Eva Maria Günschmann als Muse/Niklausse, die ihrer Figur trotz der Kostümorgie durchaus persönliches Profil abgewinnt. Bei Johannes Schwärsky sind die dunklen Figuren in bester Kehle, der Bass-Bariton ist der (un-)heimliche Star des Abends. Das gesamte Solisten-Ensemble überzeugt, einschließlich des herrlich strahlenden Chor-Tenors Sun Myung Kim (Nathanael).

Und der Theater-Chor hat nicht nur Spaß an den aberwitzigen Kostümen, sondern bewältigt seine Aufgaben picobello. Das alles getragen von den aufmerksamen Niederrheinischen Sinfonikern mit Kapellmeister Alexander Steinitz als feurigem Sachwalter von Offenbachs farbenfroher Partitur. - Langer, begeisterter Applaus.

(ark)
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