Mönchengladbach Zug der Erinnerung ist da

Mönchengladbach · Jeweils von 8 bis 20 Uhr können die Dokumente unfassbarer Nazi-Verbrechen heute und morgen betrachtet werden. Bis morgen macht die rollende Ausstellung auf Gleis 101 des Mönchengladbacher Hauptbahnhofs Halt.

Der Zug der Erinnerungen hält in Mönchengladbach
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Der Zug der Erinnerungen hält in Mönchengladbach

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So lieb sieht sie aus mit ihren strahlenden Augen, so glücklich. Lustig ihre geflochtenen Zöpfchen, keck die hübsche Schleife. Mit Zuversicht und ohne Argwohn lächelt sie in die Kamera. Ein wunderhübsches Kinderbild. Über dem Porträt steht "Abschied von Ruti". Ruti gehört zu den hundertausenden Kindern und Jugendlichen, die von den Nazis deportiert und in den Konzentrationslagern getötet wurden. Ruti starb als kleines Mädchen. Fotos, Dokumente und letzte Briefe, die die Verschleppten aus den Waggons der Reichsbahn warfen, erinnern an ihre unvorstellbaren Schicksale. Sie werden im "Zug der Erinnerung" gezeigt, der für drei Tage auf Gleis 101 im Mönchengladbacher Hauptbahnhof steht.

"Da liegt unsere Verantwortung"

Eine große Menschenmenge hatte sich gestern schon kurz nach der Ankunft des Zuges auf dem zugigen Bahnsteig versammelt, um die Ausstellung in den vier Waggons, die seit fünf Jahren unterwegs sind, zu sehen — Zeitzeugen, Jugendliche, Politiker, Kirchenvertreter. Die rollende Ausstellung hat schon in vielen deutschen Städten Halt gemacht, jetzt endlich auch in Mönchengladbach. "Nur das Erinnern an die schrecklichen Geschehnisse in der Vergangenheit kann uns davor bewahren, dass so etwas noch einmal geschieht. Wir können uns heute — aus sicherer Distanz — fragen, was wir für richtig halten und wie wir damals womöglich agiert hätten. Wissen können wir es aber nicht. Wissen können wir nur, wie wir uns heute verhalten. Genau da liegt unsere Verantwortung", sagte Oberbürgermeister Norbert Bude. Deshalb sei für ihn der Zug der Erinnerung zugleich auch der Zug der Zukunft.

Und Bischof Dr. Heinrich Mussinghoff wandte sich an den Vorsitzenden des Vereins "Zug der Erinnerung", Hans-Rüdiger Minow, und betonte: "Ohne die Arbeit ihres Vereins stünden wir alle jetzt nicht hier. Sie haben ein Projekt ins Leben gerufen, welches sich mit dem grausamsten Teil unserer Deutschen Geschichte befasst."

Schüler der Gymnasien Gartenstraße und Odenkirchen, der Gesamtschulen Hardt und Neuwerk und der LVR-Schüler für Körperbehinderte in Rheindahlen hatten sich im Vorfeld mit dem Schicksal Gladbacher Juden beschäftigt, die zu den Verschleppten zählten. Im vierten und letzten Waggon des Zuges zeigen sie ihre Ergebnisse: Fotos von Deportierten, Notizen, Gedanken und Gefühle, die sie beim Recherchieren der Menschen-Schicksale bewegten.

Schüler des Gymnasiums an der Gartenstraße gehörten zu den ersten, die den Zug der Erinnerung durchwanderten. Von Abteil zu Abteil, von Waggon zu Waggon gingen sie — sehr ruhig, sehr konzentriert, sehr nachdenklich.

(RP)
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