Moers Als die Moerser das Rasen lernten

Moers · Vom Abriss des Mattorns bis zum Brand des "Kaisersaals": In seinem gestern vorgestellten Buch "Auf Spurensuche in Moers" nimmt Wilfried Scholten die Leser mit auf eine Zeitreise in die wilhelminische Geschichte.

 Eine kolorierte Fotografie des Moerser Stadtturms "Mattorn", der 1907 aus verkehrstechnischen Gründen abgerissen wurde.

Eine kolorierte Fotografie des Moerser Stadtturms "Mattorn", der 1907 aus verkehrstechnischen Gründen abgerissen wurde.

Foto: stadtarchiv

Bücher über Moers gibt es viele. Aber mit dem gestern vorgelegten Band "Auf Spurensuche in Moers" nimmt Wilfried Scholten, Autor von "Moers zu Kaisers Zeiten", eine Sonderrolle ein. Er lässt in den zehn Kapiteln nicht nur das Alltagsleben in den letzten Dekaden des wilhelminischen Moers wiederaufleben, sondern er beteiligt den Leser auch bei seiner detektivischen Forschungsarbeit in den Archiven der Stadt. Das ergibt, wie Peter Boschheidgen, Vorsitzender des Grafschafter Museums- und Geschichtsvereins anmerkt, eine unterhaltsame Form der Belehrung.

Ergiebigste Quelle waren für Scholten die im Stadtarchiv lagernden Bände von "Dorfchronik und Grafschafter" sowie "Der Grafschafter", in denen minutiös die Geschehnisse der Zeit protokolliert wurden.

 Wo bis 1913 die Moerser Gesellschaft im "Kaisersaal" feierte, fuhren nach dem Krieg Pkw und Busse.

Wo bis 1913 die Moerser Gesellschaft im "Kaisersaal" feierte, fuhren nach dem Krieg Pkw und Busse.

Foto: stadtarchiv

Dort fand Scholten auch Hinweise auf das Schicksal des "Kaisersaals", in dem die Moerser Gesellschaft um die Jahrhundertwende ihre Feste feierte. Durch den Vergleich historischer Aufnahmen und Lagepläne konnte er das 1913 durch zwei Brände zerstörte Gebäude ungefähr da lokalisieren, wo heute der Rathaus-Neubau steht. Schon kurz nach dem Brand wurden Rufe nach einer neuen Festhalle laut, die auch in den Folgejahren nicht verhallten. Wer mag, kann eine Linie bis zur heutigen Festivalhalle ziehen.

Ein Gang durch die Geschichte wäre unvollständig, ohne an das traurige Schicksal des Moerser Stadttores "Mattorn" zu erinnern, das die Moerser 1907 abrissen. Die Genehmigung hatte ihnen die Landesregierung allerdings nur unter der Maßgabe erteilt, den Turm an anderer Stelle wieder aufzubauen, eine Forderung die die Moerser unter Hinweis auf den kläglichen Zustand der Stadtfinanzen aber geschickt zu hintertreiben wussten.

 Wilfried Scholten gestern im Rittersaal des Schlosses mit zwei Bänden von " "Auf Spurensuche in Moers".

Wilfried Scholten gestern im Rittersaal des Schlosses mit zwei Bänden von " "Auf Spurensuche in Moers".

Foto: Klaus Dieker

Auch mit dem "Königlichen Hof", einem im 18. Jahrhundert errichteten Hotel, hatte die Stadt wenig Glück. Nachdem die Stadtverordnetenversammlung 1911 beschloss, das Hotel zu übernehmen, gelang es über Jahre nicht,, das Haus wirtschaftlich zu betreiben. 1944 fiel es dann alliierten Bomben zum Opfer.

Der beginnende Straßenverkehr nimmt einen weiteren wichtigen Teil in Scholtens Darstellung ein. So präsentierte er den Vorläufer eines Führerscheins. Der Moerser Bürgermeister hatte einen örtlichen Fahrrad- und Nähmaschinenhändler 1902 mit der Ausstellung des Dokuments betraut, auf dessen Fachkompetenz die Behörden offenbar auch in Sachen Automobilen vertrauten. So bescheinigte der Experte einem Bürger in einem Papier aus dem Jahre 1904, dass der Antragsteller "als Fuhrmann" mit der "Führung seines Kraftfahrrades genügend vertraut" sei. Auch den Vorläufer einer - öffentlich geführten - Verkehrssünderkartei enthüllt die Lektüre des "Grafschafter" aus dem Jahre 1904. In der Steinstraße mussten Pkw allerdings bis 1926 den Straßenraum mit Güterzügen teilen, die Kohle nach Krefeld transportierten.

Wilfried Scholten "Auf Spurensuche in Moers", 29,95 Euro, im örtlichen Buchhandel.

(RP)
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