Verschwundene Orte (Teil 2) Als in Moers noch die Straßenbahn fuhr

Moers · Vor einem halben Jahrhundert ist die Ära der Tram in der Stadt zu Ende gegangen. Nur wenige erinnern sich noch an die Zeit. Einer von ihnen ist Peter Pannenbecker. Ob als Kind oder als Erwachsener: Die Bahn war ein Teil seines Alltagslebens.

 Die Steinstraße im Jahr 1920. Die Straßenbahnen fuhren damals durch die Innenstadt.

Die Steinstraße im Jahr 1920. Die Straßenbahnen fuhren damals durch die Innenstadt.

Foto: Privat

Plötzlich reißt ein tosendes Geräusch Peter Pannenbecker aus dem Schlaf. Es rattert im ganzen Haus, die Fensterscheiben klirren, die Straße bebt. Ihm ist klar: Die Straßenbahn kommt und auch sein Arbeitstag beginnt. Pannenbecker, heute 83 Jahre alt, wohnte nach dem Zweiten Weltkrieg direkt neben der Haltestelle Cecilienstraße in Moers-Scherpenberg. Jeden morgen um 4.15 Uhr wurde er auf dieselbe unsafte Art und Weise geweckt.

Am 11. Dezember 1908, Peter Pannenbecker war da noch nicht geboren, wurde die erste elektrische Straßenbahn in Moers in Betrieb genommen. Fast 55 Jahre später, am 2. November 1963, wurde die Linie 12, die bis dahin letzte Straßenbahnlinie der Stadt, stillgelegt. Lange Zeit ersetzten Omnibusse den Transport der Bürger in der Stadt.

Pannenbecker hat einige Anekdoten rund um die Tram zu erzählen. Die Straßenbahnen seien so voll gewesen, dass die Fahrgäste auf den Trittbrettern standen, erinnert er sich. "Und als Kinder haben wir uns einen Spaß daraus gemacht, mit der Tram Streiche zu spielen", sagt er. Steine oder "Patrönchen" (für Spielzeugpistolen) hat er mit seinen Freunden auf die Gleise gelegt und in sicherer Entfernung, hinter einer Hecke versteckt, gewartet. "Das gab immer einen lauten Knall, wenn die Bahn darüber fuhr", sagt er und kann noch heute darüber lachen. Mitgefahren ist der gelernte Bäcker und Konditor allerdings nur selten. "Das Ticket kostete 20 Pfennig", weiß er noch. Bei 20 Reichsmark Wochenlohn überlege man sich das zweimal.

Stattdessen versuchte er mit dem Rad mit der Bahn mitzuhalten. "Ich und meine Freunde sind mit der Straßenbahn um die Wette gefahren", sagt er. "Und verloren haben wir eigentlich nie."

Damals lernte er in einer Bäckerei an der Homberger Straße / Ernst-Holla-Straße. Das Depot der Straßenbahnen, erinnert er sich, war damals direkt um die Ecke. Um den Backofen anzuheizen, habe ihm sein Vorgesetzter keine Streichhölzer gegeben. "Zum Glück brannte beim Depot immer ein Feuer. Dort habe ich eine Art Fackel aus Zeitungspapier entzündet, um damit den Ofen anzuzünden."

Während seiner zweiten Lehre zum Konditor arbeitete er in der Innenstadt (heute neben dem Café Adria). An einem Tag war er als Zeuge vor Gericht geladen. Der damals Beschuldigte wurde freigesprochen. Als Pannenbecker erbost über das Urteil auf die bereits anfahrende Straßenbahn an Königlichen Hof aufsprang, landete er direkt in den Armen des Scherpenberger Schutzmanns. "Die Strafe war entweder 18 Reichsmark oder drei Tage Zuchthaft", erinnert er sich. Nur widerwillig hat er die Geldstrafe bezahlt. Pannenbecker vermisst die "Tram" übrigens nicht - und jetzt kann er schlafen, bis der Wecker klingelt...

(RP)
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