Serie Die Gesundmacher Beckenbodentraining gegen Inkontinenz

Moers · Die Proktologen Devid Tusek und Heinz-Otto Lindner beschäftigen sich am St. Josef Krankenhaus mit Enddarmerkrankungen.

 Der Proktologe des St.-Josef-Krankenhauses Dr. Devid Tusek in einem Beratungsgespräch mit einer Patientin.

Der Proktologe des St.-Josef-Krankenhauses Dr. Devid Tusek in einem Beratungsgespräch mit einer Patientin.

Foto: Klaus Dieker

Die junge Mutter, die in die proktologische Sprechstunde am St.-Josef-Krankenhaus kam, war verzweifelt. Nach einer Geburt vor mehr als vier Jahren, bei der sie einen Dammriss erlitt, konnte sie ihren Stuhlgang nicht mehr kontrollieren. In der Öffentlichkeit hielt sie sich deshalb immer in der Nähe einer Toilette auf, benutzte auch Windeln und hatte immer eine Ersatzhose dabei. "Sie konnte gar nicht mehr richtig am Leben teilnehmen", berichtet Dr. Heinz-Otto Lindner, Chefarzt der Abteilung Chirurgie und Coloproktologe.

Bei der Untersuchung der Patientin 2009 stellte Dr. Lindner fest, dass durch den Dammriss bei der Geburt auch der Schließmuskel mit eingerissen war. Das ließ sich aber beheben: In einer Operation rekonstruierte Dr. Lindner den Muskel und den Dammbereich und verschaffte der jungen Mutter dadurch wieder Lebensqualität. Auch nach über vier Jahren ist die Mutter mit dem Ergebnis sehr zufrieden und kann den Stuhlgang weiterhin gut kontrollieren.

"Viele Leute quälen sich lange mit Enddarmerkrankungen herum, weil sie sich nicht trauen, einem Arzt von ihren unangenehmen Problemen zu erzählen", sagt Dr. Devid Tusek, neuer Oberarzt der Abteilung Chirurgie und ebenfalls ausgebildeter Coloproktologe.

Die Proktologie ist der Teilbereich der Medizin, der sich mit Erkrankungen des Enddarms beschäftigt. Dazu gehören neben der bereits beschriebenen Stuhlinkontinenz beispielsweise auch Hämorrhoiden, anale Ekzeme oder gutartige und bösartige Tumore. Das St. Josef ist das einzige Krankenhaus im Umkreis, das ein Zentrum für Kontinenz- und Beckenbodenerkrankungen eingerichtet hat. Dazu gehören außer der Chirurgie auch die Fachbereiche Gynäkologie, Urologie, Gastroenterologie und Neurologie.

Ursachen für die Stuhlinkontinenz sind neben Geburten auch Bindegewebsschwächen, Senkungsbeschwerden bei Frauen oder zu starkes Pressen bei chronischer Verstopfung. Männer sind seltener von der Erkrankung betroffen, da das Bindegewebe um die Prostata herum stabilisierend wirkt. Lindner und Tusek geben auch wertvolle Tipps, wie man der Inkontinenz vorbeugen kann. Sport, aber vor allem Beckenbodengymnastik, sei wichtig, um die Muskulatur zu stärken. "Außerdem sollte man durch gesunde Ernährung für einen regelmäßigen Stuhlgang sorgen", sagt Tusek. Auf der Toilette sollte man nicht pressen, sondern sich Zeit nehmen.

Beckenbodengymnastik kann unter Umständen auch noch als Therapiemaßnahme eingesetzt werden, wenn bereits eine leichte Inkontinenz vorliegt. Separate Kurse für Männer und Frauen sind über das Krankenhaus buchbar. Erst wenn diese Maßnahme nicht anschlägt, wird operiert. Dabei wird der Schließmuskel durch bestimmte Nahttechniken wiederhergestellt. Die beiden Ärzte appellieren an alle Patienten, ihre Hemmschwelle zu überwinden und sich vertrauensvoll an einen Arzt zu wenden. "Das Thema ist leider immer noch ein Tabu. Das sollte sich ändern", sagt Dr. Devid Tusek.

(RP)
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